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Ausgabe:

1972

Spalte:

605-607

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Adam, Gottfried

Titel/Untertitel:

Prädestination und lutherische Frühorthodoxie im ausgehenden 16. Jahrhundert 1972

Rezensent:

Koch, Ernst

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605

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

cor,

früheren Autoren an, daß bei Versagen des Papstes an
erster Stelle das Kardinalkollegium, an zweiter Stelle der
Kaiser die Konzüsberufung vorzunehmen habe. Versagen
beide, kommen weitere Personen in Frage. Hier
könnte eine Untersuchung der erasmischen Konzilstheologie
sowie ein Bliel< auf Luther zeigen, wie dieser
Aspekt außerhalb der Kanonistik zündete. Besonders einbringende
Hinweise gibt Bäumer zu einem Thema, das
bisher umfassend noch nie behandelt wurde: zur Frage der
(Erlaubtheit) der Appellationen vom Papst an das allgemeine
Konzil im Mittelalter. Klar werden hier die
Hauptpunkte von Nicolaus von dies, für den das Konzil
die höchste Appellationsinstanz in allen Rechts- und
Glaubensfragen war, und die Thesen der „Theologen der
päpstlichen Restauration" (134), etwa eines Antoninus
von Florenz, einander gegenübergestellt. Wie auch Luther
") diese Entwicklung einzuordnen ist, wird an einem Vergleich
seiner Konzilsappellation vom 28.11.1518 mit den
vierzehn Jahre später entwickelten Thesen von Bischof
Matth ias Ugonius deutlicher als bisher gesehen werden
können, obgleich die Wertung der Argumente derKonzilia-
n.stcn bei theologisch engagierten Historikern verständ-
beherweise etwas schwankt (zu 8.161). Dies wirkt sich
dann natürlich auch auf die Beurteilung Luthers aus (vgl.
dazu meine Beiträge „Auftrag und Grenze eines Konzils
"! der Sicht Luthers" ThZ Basel, 23. Jg. H.2,1967, S. 108
b's 134. „Der Ruf nach einem Konzil im Jahrhundert der
Reformation", in: Konzile und Ökumenische Bewegung.
Studien desökumen. Rates, Nr.5, Genf 1908, S.105 I Iii).
Wichtig sind die Nac hweise Bäumers über Wandlungen
"i der Auffassung so namhafter Autoren wie N. von Cues,
Z-B. zur Frage nach der Unfehlbarkeit der Konzilien
(S. 187ff.). Luthers Äußerungen aus seiner Frühzeit über
die Fehlbarkeil von Konzilien haben sowohl bei papa-
listischen als auch konziliaristischen Theologen des 15.
lud 16. Jh.s Parallelen. Eine wichtige, im Zusammenhang
des Buches fast wie ein Exkurs wirkende Studie bringt
das Kapitel VIII (Die Beurteilung der Kons tanzer Dekrete
„Haec Saneta" und „Frequens" im beginnenden
16. Jh.). Bäumers Schlußbetrachtung sucht die konzilia-
risliselien Tendenzen des frühen 16. Jh.s vom extremen
Konziliarismus mit Recht abzugrenzen. „Für die vor-
reformatorischen konziliaren Theologen des 16. Jh.s war
das Konzil nicht grundsätzlich, sondern nur in bestimmten
Fällen die höchste Instanz in der Kirche" (S.265). Die
Hervorhebung einiger wichtiger Ergebnisse der gründlichen
Untersuchung mag andeuten, daß sich die Beschäftigung
mit dieser in wohltuender Sachlichkeit ge-
jjrbeiteten Studie vielfältig lohnt. Die Arbeit lag der
Theologischen Fakultät Freiburg/Br. als Habilitationsschrift
vor.

^euendettelsau F. W. Kantzenbacli

Adam, Gottfried: Prädestination und Jutherische Frühorthodoxie
im ausgehenden 16. Jahrhundert. Samuel Huber und
Aegidius Hunnius. Inaugural-Disscrtation. Neukirchen-
Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins [1970].
225 8. gr. 8°. Kart. DM 4,—.

Diese aus der Schule G. Gloeges stammende Arbeit geht
Möem anscheinend entlegenen Problem nach. Bei ihrem
Studium bemerkt man jedoch, daß, wie Vf. am Anfang der
Arbeit sagt, „heutige Fragestellungen durchaus gegenwärtig
sind" (S. 14). Es handelt sich um den mit der Person
Samuel Hubers verknüpften Streif um die theologische
Einordnung der Prädestination. Hier verfährr. die
Arbeit freilich insofern vereinfachend, als sie für die
Interpretation bewußt Huber lediglich mit A. Hunnius
konfrontiert, also den Streit nicht bis in alle seine Verästelungen
hinein verfolgt, die einzelnen Etappen allerdings
im Nachvollziehen der geschieht liehen Entwick-
lung, also nicht systematisierend darstellt. Dieses Verfahren
dürfte sich als hilfreich und hinreichend für den
erweisen, der die Problemstellung, nicht aber unbedingt
die historische Reichweite des Streites kennenlernen
möchte.

Einem Forschungsüberblick folgt die Darstellung des
Auftaktes des St reits im Mömpetearder Kcligionsgespräch
von 1586. An ihm waren weder Huber noch Hunnius beteiligt
, jedoch löste die Veröffentlichung der Akten den
Widerspruch Hubers aus. Der daraus entspringende Berner
Prädestinationsstreit von 1588 ist- für den Vf. die
erste bedeutsame Etappe der Auseinandersetzungen. Huber
protestiert hier im Namen der Christologie gegen den
Prädestinatianismus Genfer Prägung. Er will bei der Erörterung
des Werkes Christi jeden Seitenblick auf Glaube
und Unglaube ausgeschlossen wissen, um die überwältigende
Universalität des Werkes Christi wahren zu können
. Bei Beza und seinem Berner Schüler Abraham Mus
culus sieht er die Gefahr, daß Christus nicht mehr Fundament
, sondern nur noch Instrument des Heils ist. Da
mit hängt für Huber unmittelbar die Frage nach der Präsenz
des Heils zusammen, in der Vf. „die entscheidende
Frage" sieht, „die sich bei jeder Theologie stellt" (S.37,
62). Einer Analyse der Dokumente, die zur Entscheidung
des Streites in Bern geführt haben und den Anschluß
Berns an die Genfer Orthodoxie brachten, läßt Vf. eine
Skizze iles theologischen Ortes Hubers folgen. Er plädiert
für Hubers Beeinflussung durch die Züricher Theologie
? und auch durch Luther - wofür Belege vorliegen -,
sieht aber in ihm einen Denker eigenständiger Prägung,
was sich besonders an der Verhältnisbestimmung von
Glaube und Christologie zeige.

Relativ knapp wird das „Württembergische Zwischenspiel
", Hubers Aufenthalt in Württemberg zwischen 1588
und 1592 dargestellt. Huber baut in dieser Zeit relativer
Ruhe seine Position aus, bekommt freilich gegen Ende
dieses Zwischenspiels Gelegenheit, bei einer Konfrontation
mit Stephan Gerlach sein Verständnis von Erwählung
und Glaube öffentlich zu explizieren.

Etwa die Hälfte des Buches nimmt die Darstellung des
Wittonberger Prädestinationsstreits ein, also der Auseinandersetzung
zwischen II über und Hunnius, wobei die
Zeit ab 1598 als Nachgeschichte fungiert. Gut herausgearbeitet
wird das Gegenüber der einfach strukturierten,
supraapplikativen Erwählungstheologie Hubers, die jede
partikulare Prädestination ablehnt bzw. sie im Unglauben
des Menschen verankert, sowie der in der Tradition der
Konkordtenformel und der Tübinger Theologie stehenden
Zuordnung von Rechtfertigung und Erwählung bei Hunnius
. Nach Hunnius wendet sich die voluntas antecedens
Gottes an die gesamte Menschheit, die voluntas conse-
quens ist auf den Akt von Hören und Glauben bezogen.
Dabei gilt der als erwählt, den Gott als Glaubenden vorsieht
. Nicht-Glaubende gelten nicht als Verworfene, sondern
als auf Grund ihres Unglaubens Übergangene. Dieser
Position Hunnius' wird bis in ihre Einzelheiten hinein
nachgegangen, wobei als Tugend dieses Denkens der
Versuch angesehen wird, die Geschichte in die Aussagen
über Gottes Handeln mit hineinzunehmen, da ja der göttliche
Heilswille prinzipiell unabgeschlossen sei. Hunnius
geht es um die Hineinnahme des Glaubens in die Definition
der Erwählung. Abschließend werden der Einspruch
der Wittenberger Fakultät sowie die Stellungnahmen
aus Rostock, Tübingen, Jena, Braunschweig und
Lübeck besprochen. Am Wittenberger Einspruch fällt auf,
daß er Hubers Einwänden gegen Hunnius insofern entgegenkommt
, als der futurische Aspekt des Glaubens, der
bei Hunnius in der Interpretation von Präscienz als
Omniscienz fast verschwunden war, stärker zur Geltung
kommt. Rostock, das sich zunächst positiv zu Huber ge-