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Ausgabe:

1972

Spalte:

602-604

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Gardiner, F. C.

Titel/Untertitel:

The pilgrimage of desire 1972

Rezensent:

Weiß, Konrad

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901

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

trag von Thomas Pekäry „Der römische Bilderstreit"
geht aus von der Verbreitung von Bildern im römischen
Reich und der Abneigung der Christen gegen die Bilder.
Leider kennt er nicht die speziellen Arbeiten von W. Elliger
zu diesem Thema; auch Campenhausens Arbeit „Die
Bilderfrage als theologisches Problem der alten Kirche"
w"ird in einer Anmerkung nachgetragen ohne verarbeitet
2u sein. Pekary wendet sich besonders der Frage zu, wie
sich Konstantin in der Bilderfrage verhalten habe(S.21ff.).
Die für den Kirchenhistoriker anregendste Arbeit stammt
von W.H.Fritze: „Universalis gentium confessio. Forfein
, Träger und Wege universalmissionarischen Denkens
im 7. Jahrhundert" (R.78-130). Er geht aus von einer
Missionsvölkerliste Bedas (V.9), die auch die Rugini und
Hunni umfaßt (Slawen und Awaren). Fritze leitet die
Liste her aus dem Gesichtskreis Willibrords und zieht die
Linie zurück zu den fränkischen Missionaren des 6. und
7-Jahrhunderts. Bei Amandus findet er jenes Verständnis
von Mt 28,19 im Sinne von „alle Völker": „Nicht die
Gewinnung einzelner Individuen mußte ihm als die von
Christus gestellte missionarische Aufgabe erscheinen, sondern
auf die Bekehrung der ,Völker', der geschlossenen
gentilen Einheiten sah er sich durch den Herrn der Kirche
gewiesen" (S.89). Amandus hatte Beziehungen zu den
Awaren; Amandus wurde aufgenommen in das Calenda-
riuni Willibrords (S. 102/03). So formuliert Fritze, „daß
seit der 1. Hälfte des 7. Jh.s im Norden des Frankenreiches
eine von Luxeuil aus inspirierte fränkische Missions-
gruppe tätig war, die eine gewisse innere Geschlossenheit
besessen zu haben scheint und deren missionarischer Gesichtskreis
sich nicht auf ihr eigenes Arbeitsfeld beschränkt
haben dürfte" (S. 105). Dieser Tradition schloß
sich Willibrord an. Fritze mißt auch der römischen Kirche
große Bedeutung zu als „Vermittlerin universal missionarischen
Denkens an die angelsächsische Kirche" (S. 106).
Die Päpste Bonifaz V., Vitalian sowie weiter zurück Gregor
d. Gr. werden zitiert und Einflüsse Augustins aufgezeigt
. Der Gedanke einer Universalmission findet sich
mehrfach bei Beda (S. 11.3ff.); auch besteht Zusammenhang
zwischen Amandus und Rom (S. 119ff.). In der
konstantinischen Reichskirche des 4. Jh.s wurde der Gedanke
der Universalmission verbunden mit dem universalen
römischen Reich (S. 124ff.). Erst mit dem Zusammenbruch
des weströmischen Reiches wurde die Bahn
frei: „Die christliche Kirche der lateinischen Länder sah
sich zurückverwiesen auf das ,Ite, docete omnes gentes'
ihres Herrn... Der Gedanke der vocatio omnium gentium
erhielt neue Geltung" (S. 127). Innerhalb der Germanenvölker
entstand die Gefahr einer „gentilen Beschränkung
" der Mission, deren Überwindung Fritze aber so
nachdrücklich dargestellt hat, daß man ihr nur noch sehr
geringe Bedeutung zumessen möchte.

H.G.Beck untersucht „Die Herkunft des Papstes
Leo III." (S. 131-37). Im Gegensatz zu Ohnsorge und
Dölger hält Beck eine griechische Herkunft dieses Papstes
für unbegründet. O. G.Oexle stellt „Bischof Ebroin von
Poitiers und seine Verwandten" dar (S. 138-210). Es gelingt
ihm, wenigstens etwas Ordnung in die verworrenen
Vorgänge zu bringen und besonders die Verbindung jener
südfranzösischen Adelsgruppe um Bischof Ebroin zum
Ostreich einsichtiger zu machen. Die Frage nach dem
Motiv zum Bruch mit Karl d. Kahlen 853 sowie das Todesjahr
Ebroins vor oder nach 853 bleibt weiter ungeklärt.
Für den Theologen bedeutsam sind Ausgrabungsergeb-
uisse von Peter Schmid: „Zum heidnischen und frühchristlichen
Bestattungsbrauch auf dem frühmittelalterlichen
Gräberfeld von Dunum, Ostfriesland" (S. 257-76). Auch
hier sind heidnische Braiidbestattungen in Nord-Süd-
Richtung gemischt mit christlichen Gräbern. Auch hier
läßt sich zeigen, „daß schon vor der Zwangschristianisierung
durch Karl d. Gr. Christen auf heidnischen Friedhöfen
bestattet wurden" (S.269). Schmid datiert in die
„Zeit um 800" (S.275) und meint, daß Liudgers Missionstätigkeit
„ein entscheidender Durchbrach" gewesen sei
(S.276). Auch F.Oswald legt einen archäologischen Beitrag
vor, der den Theologen fesselt: „In medio ecclesiae.
Die Deutung der literarischen Zeugnisse im Lichte archäologischer
Funde". Die Formel „in medio ecclesiae" taucht
häufig auf, so auch für die Quedlinburger Stiftskirche, wo
ein Grab „in medio basilicae" offensichtlich in der Apsis
liegt. Oswald formuliert als Ergebnis: „Als der allen
lokalisierbaren Objekten gemeinsame Nenner stellt sich
die Längsachse der Kirchen heraus. Die Mitte eines Schiffes
oder Gesamtbaues wird mit dieser Feststellung zu
einer Möglichkeit unter anderen" (S.325). J. Wollasch
formuliert das Thema: „Kaiser Heinrich II. in Cluny"
(S.327-42). Solcher Aufenthalt war bisher bestritten worden
; eine Nachricht in der Vita Heinrichs II. zum Jahre
1014 konnte nicht stimmen. Wollasch greift jedoch auf
eine ältere Textfassung zurück und hält einen Cluny-
Aufenthalt Heinrichs II. im Jahre 1022 für gesichert.
M.Dolley streift das Grenzgebiet zur Medizin mit dem
Aufsatz "Some neglected evidence from Irish chronicles
concerning the alleged poisoning of Pope Clement II."
(S. 343-46). Primär philologisch orientiert sind vier Arbeiten
: William Foerste. Die germanischen Stammesnamen
auf -varii (R. 60-70); R. Schützeichel, Althochdeutsche
Wortstudien zum Uildebrandslied (8.71-77); D.P.Blok,
Holland und Westfriesland (S.347-61); F.Maurer, Zu den
frühen politischen Liedern Walthers (8.362-66). Zwei
Arbeiten nehmen "Stellung zur Sage von Wieland dem
Schmied: H.R.E.Davidson, The Smith an the Goddes
(S.216-26) sowie A.Wolf, Franks Casket in literarhistorischer
Sicht (R. 227-43). Nach Nordeuropa führen
drei archäologische Beiträge: K.Hauck, Vom Kaiser-
zum Götteramulett. Die Bildformeln der Inschriften-
Brakteaten (8.27-46); Birgit Arhenius, Zum symbolischen
Sinn des Almandin im frühen Mittelalter (S. 47-59); T. Capelle
, Neuere Gesamtdarstellungen der Wikingerzeit. Ein
Vergleich (S.367-71). Nach England führt K.R.Fennel,
The Loveden Man (R. 211-15). Den ganzen nordwest-
europäischen Raum zieht T.Capelle heran: „, Schiffsför-
mige' Hausgrundris.se in frühgeschichtlicher Zeit" (S.244
bis 256). K.Tackenberg schreibt „Über die Schutzwaffen
der Karolingerzeit und ihre Wiedergabe in Handschriften
und auf Elfenbeinschnitzereien" (S. 277-88). P. Paulsen
bearbeitet das Thema „Flügellanzen. Zum archäologischen
Horizont der Wiener ,sancta lancea' (S. 289 -312). Dem
Band ist reiches Bildmaterial beigegeben sowohl im Text
wie auch am Ende auf Tafeln. Einen Überblick über
laufende Forschungsvorhaben (R.375-82) nimmt man
dankbar zur Kenntnis. Offensichtlich macht die oft genannte
allgemeine „Explosion des Wissens' auch vor der
Erforschung des frühen Mittelalters nicht halt.

Ro«took Oert Händler

Gardiner, F.C.: The Pilgrimage of Desire. A Study of Theme
and Genre in Medieval Literature. Leiden: Brill 1971. VTI.
161 S. gr. 8°. Lw. hfl. 36,-.

Eigentlicher Gegenstand dieser Untersuchung sind die
Mysterienspiele De peregrino des 12. (-14.) Jahrhunderts.
Sie sind Dramatisierungen der Geschichte der Jünger von
Emmaus Lk 24,13-35, des Evangeliums vom Ostermontag
, und wurden gewöhnlich im Rahmen der Vesperliturgie
dieses Tages agiert. Überliefert sind sieben lateinische
Rpiele aus Rpanien, Sizilien (Madrid I und II),
Frankreich (Beauvais, Fleury, Ronen, Saintes) und
Bayern (Benediktbeuren). Dazu werden vier Spiele in
englischer Sprache aus den Sammlungen von Canterbury,
Chester, York und Townley analysiert.