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Ausgabe:

1972

Spalte:

596-599

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kegel, Günter

Titel/Untertitel:

Auferstehung Jesu - Auferstehung der Toten 1972

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

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wodurch er sich natürlich die Ablehnung seiner einstigen
Freunde, der Pharisäer, zuzog. Daher erklärt sich wieder
seine sorgfältige. Erinnerung an Jesu Haltung dem Gesetz
und dessen Interpreten gegenüber. Freilich geht aus dem
Evglm selbst nicht mit Gewißheit hervor, daß der eben
beschriebene Mann es verfaßt hat, aber die altkirchliche
Tradition bezeugt das glaubwürdig. Natürlich bleibt die
Schwierigkeit, daß nach dieser Mt sein Werk in semitischer
Sprache verfaßt hat. Die Vf. beantworten die
Frage nach der Herkunft der griechischen Gestalt unseres
Bvginis nicht direkt, deuten aber eine Lösung an. Sie
könnte ihrer Meinung nach offenbar von dem Act 1,23ff.
erwähnten Matthias stammen (der übrigens nur Zeuge
der Auferstehung war, nicht aber des ganzen Wirkens
Jesu, da der Anfang von Act 1,21 nicht fot oiV gelautet
haben kann, sondern dort als ursprünglich zu lesen ist
oMeis «iV, S.CLXXVf.).

Die Vf. rechnen damit, daß Mt an entscheidenden Punkten
die Worte Jesu klarer verstanden hat und wiedergibt
als Mk und Lk, dagegen aber in inhaltlicher Übereinstimmung
mit Job. So soll durchgehend eine scharfe inhaltliche
Trennung zwischen den Begriffen ßaatlel«
tßv oiqav&p und ßaaiXiia roc titoü in Mt vorliegen, die
auf Jesus selbst zurückgeht (Mt 4,17 wird S.CI und in der
Übersetzung der Stelle S.38 merkwürdigerweise ßatnXeiu
tos d-tac vorausgesetzt, der Kommentar z. St. äußert sich
nicht dazu). Der erste Begriff bezeichnet ausschließlich
die messianische Herrschaft, die sich in der christlichen
Gemeinde vollzieht, nur der zweite das Gottesreich der
Bndzeit. Das hat erhebliche Konsequenzen. Mt 16,28
redet nicht von der Endzeit, sondern von der Gegenwart
der Gemeinde. "This can only rightly be understood ...
in the light of the Johannine tradition that Jesus spoke
of bis passion and his resurrection as Iiis glorification, his
enthronement" (S.CV). Deshalb meint das Wort nicht
mehr, als daß einige, die es hören, nicht sterben werden
vor Passion und Auferstehung des Messias (S.201)! Wo
in Mt vom „Kommen" des Menschen(sohnes) die Rede
ist, da ist nicht schon an das Ende gedacht, sondern an
sein Kommen zu Gott. So redet denn auch 10,23 einfach
von der Judenmission, die noch nicht vor der Auferstehung
abgeschlossen sein wird!

Erwägenswerter sind die Überlegungen zu den Gleichnissen
Jesu (Part XI). Sie werden beurteilt als Fortführung
der prophetischen Gleichnisrede des AT, durch
die das Bundesgesetz für das Volk aktualisiert wird. Freilich
kann damit doch wohl höchstens ein Ansatzpunkt
für die Gleichnisrede Jesu erfaßt sein.

Der eigentliche Kommentar verläuft in den angedeuteten
Bahnen. Er ist relativ kurz gehalten und durchaus
ungleichmäßig in der Behandlung einzelner Stellen. Dadurch
machen es sich die Vf. gelegentlich reichlich leicht.
So wird zu 5,1 betont, die Bergpredigt sei nur zu dem
inneren Kreis der Jünger (= die Zwölf) gesprochen, zu
7,28 aber überhaupt nichts bemerkt. Das Gewicht der
Kommentierung liegt ganz auf den "Notes" zu einzelnen
Versen, der Abschnitt "Comment" ist in der Regel sehr
kurz, häufiger fehlt er auch ganz (etwa zu den §§ 16-22.
24-26. 28-29, die Mt 5,21-0,4; 6,16-34; 7,15-29 behandeln
). Die "Notes" enthalten allerdings viele wertvolle
philologische, historische und archäologische Bemerkungen
zum Text, die allerdings - wohl mitbedingt durch den
Charakter der Reihe - nur unzureichend belegt sind (gelegentlich
waltet eine erhebliche Sorglosigkeit; so wird
in dem Appendix zu Part IX "Huppokrisis, Huppokrites,
Huppokrinesthai" der entsprechende Artikel von Wil-
ckens in ThWB VIII durchgehend als von Winckler verfaßt
und in ThWB VI erschienen bezeichnet).

Eine den Neutestamentier überraschende Besonderheit
sind eine Reihe von Konjekturen am überlieferten. Text.
Eine ist im vorangehenden bereits notiert. Ich nenne

ferner: 5,42 lautet „Gib dem, der dich um ein Darlehen
bittet, und weise den nicht zurück, der keine Zinsen
zahlen kann" (daveUmafrat = auf Zinsen entleihen; vor
frskovra ist ein fiij einzufügen; otfx [i]9sX<o — unfähig
sein), Begründung: nach dem jetzigen Text "Jesus
appears to be inviting the disciples to allow themselves to
be victimized by the unscrupulous" (S.69); 6,18 wird
rej) iv r-Si xovt/>ctim gestrichen (S. 78); 8,21 muß am Anfang
lauten hego; odtlt rn>i> fia&ritmi', da der Frager keiner der
Zwölf sein kann, ausschließlich diese aber bei Mt n«*','"'
heißen (S.96); 10,34f. muß lauten „Denkt nicht, daß ich
gekommen bin, Frieden aufzudrängen auf Erden durch
Gewalt (to impose peace ... by force); ich bin weder gekommen
um Frieden aufzudrängen noch gar um Krieg
zu machen. Ich bin vielmehr gekommen zu scheiden zwischen
dem Gerechten und dem Ungerechten..." (in V.34
liegt Mißverständnis des Aramäischen vor, in V.35 Ausfall
, S. 129ff.); 5,33 heißt es nicht „Du sollst keinen Meineid
schwören", sondern „Lege nicht vorschnell einen
Schwur ab" (Mißverständnis des Aramäischen, S. 66).
S.XCVI1 Anm.17 wird der aramäische Text von Dan 7,13
etnendiert und als einzig vertretbare Übersetzung des
griechischen Textes der Stelle behauptet "and behold
on the clouds of heaven how The Man was coming S
S.CLXXXV1I wird auch der Papias-Text bei Euseb,
H.E. III 39,4 verbessert: b Tigsaßilregos 'Imduytis, oi tot
xvqwv ua&rjttfs.

Diese Konjekturen zeigen nur mit besonderer Deutlichkeit
, wie weit das Programm der Vf. trägt, "to take
the words of Matthew's gospel seriously". Man sieht dem
Buch nach der Lektüre des Vorworts gespannt entgegen-
Denn in der Tat ist die gegenwärtige Diskussionslage auf
dem Gebiet des Neuen Testaments im kontinentalen Bereich
bedenklich. Leider aber wird liier kein Ausweg g°"
wiesen.

H.illo/Saale Traugott Holt«

Kegel, Günter: Auferstehung Jesu - Auferstehung der Toten-

Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zum Neuen
Testament. Gütersloh: Gütersloher Vorlagshaus Gerd Mohn
[1970]. 132 S. 8°. Kart. DM 19,80.

Abgesehen von der Untersuchung von U. Wilekens über
„Die Überlieferungsgcsehichte der Auferstehung Jesu' .
die sich vorwiegend auf die Analyse von 1 Kor 15,3ff. und
Mk 16,1-8 stützt, liegt in der Studie des Vf.s der erste
monographische Versuch vor, die gesamte Auferstehungsproblematik
des Neuen Testaments unter traditionsgeschichtlichem
Aspekt zu erfassen und zu lösen: Die
..Motive der Entstehung, Überlieferung. Einordnung WBß
Veränderung" der Aulerstehungsaussagen des Neuen
Testaments sollen namhaft gemacht werden, um auf solche
Weise dann zugleich die „geschichtliche Entwicklung
des Übcrlieferungskomplexes" herauszuarbeiten. In der
Tat ein anspruchsvolles Programm, das vom Vf. dann
auch in einer durchaus beeindruckenden Weise ausgeführt
worden ist. Die historische Frage: „Was ist zu
Ostern eigentlich geschehen?" bewegt den Vf. seiner Aufgaben
- und Zielstellung zufolge „nur am Rande", und
auch nach den „systematischen Konsequenzen" seiner
Thesen fragt er nicht ausdrücklich (S.9f.). Immerhin:
wenn gleich zu Beginn einige systematische Theologen
genannt werden (W.Künneth, G.Koch, W.Pannenberg
u.a.), „die die Auferstehung Jesu zum Mittelpunkt des
christlichen Glaubens bzw. der christlichen Lehre erklären
" (S. 10), so wird hier bereits deutlich, daß üö
Hintergrund dieser an sich rein „traditionsgeschichtlichen
Untersuchung" durchaus eine systematische These
steht - die These nämlich, daß christliche Theologie sachgemäß
eben nicht eine „Theologie der Auferstehung" sein