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Ausgabe:

1972

Spalte:

593-596

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Albright, William Foxwell

Titel/Untertitel:

Matthew 1972

Rezensent:

Holtz, Traugott

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593 Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8 594

bracht..., d.h., die Christologie hat negativ die Wirkung, kennen ist, einzelne, ihnen wichtig erscheinende Fragen

daß sie die Wirklichkeit verfremdet. Die Verkündigung im Zusammenhang mit dem Mt-Evglm. Das beginnt mit

des Wortes Gottes verfremdet die Wirklichkeit stets einer Erörterung der Frage, was ein Evangelium und was

JMofern, als der Glaubende durch das Evangelium zur insbesondere ein kanonisches Evangelium ist, und endet

Erkenntnis seiner primitiv gewesenen Existenz gezwun- mit der Behandlung des Verhältnisses, in dem das Joh-

gen wird" (118). Aber schon Jesu Gleichnisse verfremden Evglm zur hermetischen Literatur steht (die Vf. sehen eine

die Welt, indem sie die Welt der Berechnung ins Extrem innere Verwandtschaft zwischen dem 1. und 4. Evglm).

verschieben, aber gerade so dem Hörer Gott als seine Zu- Im ganzen sind diese Erörterungen vornehmlich darauf

kunft eröffnen. „Jesus nimmt Gott für die Ver- gerichtet, das Material des Mt-Evglms als verläßliche

'orenen in Anspruch. Das ist die eigentliche Tat Jesu, Wiedergabe von Tradition zu erweisen, die auf Jesus

die sich in seinem Wort ausdrückt" (122). selbst zurückgeführt werden kann. So wird weitgehend

In einem „Anhang" (125-151) bringt F. noch allerlei die Verkündigung Jesu behandelt, freilich unter dem Ge-
»■Notizen zum hermeneutischen Problem der Evangelien- sichtspunkt der Übereinstimmung mit ihrer Darbietung
auslegung", die im wesentlichen seine Position erläutern. bei Mt. Besonderes Gewicht wird dabei durchgehend auf
Interessant ist eine Feststellung, ohne die F. seine „sakra- die Bestimmung des alttestamentlichen Hintergrunds der
mentale Interpretation" hätte nicht entwerfen können: Verkündigung Jesu und ebenso ihrer Wiedergabe durch
»Im Gegenzug zur historischen Frage hat sich heraus- Mt gelegt. Zwar ordnet Mt die ihm bekannte Jesus-Vergestellt
, daß das Zweite oder Dritte das Ursprünglich viel kündigung teilweise neu und interpretiert sie durch den
deutlicher sichtbar macht als in historischer Abfolge her- Kontext und die alttestamentlichen Bezüge, die er herausgefischte
, statistisch sortierbare Einzelbemerkungen stellt, aber das alles geschieht doch in innerer Überein-
über das anfänglich Gewesene; daß aus späterer Redak- Stimmung mit Wort und Werk Jesu,
tion vermutlich besser zu ersehen ist, worum es schon Eine Abhängigkeit des Mt-Evglms von Quellen wird
bei Jesus geht" (129). - A mexikanischen Kritikern seiner weitestgehend bestritten. „Q" hat es, jedenfalls als ge-
1 osition gibt F. zwar zu, „daß die Gefahr des Individua- schlossene, einheitlich gestaltete Quelle, garnichtgegeben,
üsinus besteht" (138), hält aber an der Aufgabe der neuen und die Annahme der Abhängigkeit des Mt von Mk widerHermeneutik
fest, den Text „aus einer Quelle der Tradi- spricht nach dem Urteil der Vf. jeder geschichtlichen
ÖOn wieder zum Text der Verkündigung zu machen" Wahrscheinlichkeit ("for it nearly compels the belicf
(139), was nichts anderes bedeutet, als den Text „sakra- that, rumor having reached Jewish Christians of a
mental" zu verstehen, „sozusagen als Gabentisch, der collected volume of sayings and deeds of Jesus, a reeep-
austeilt, satt macht, weil er zur Sprache bringt, worin der tion committee made haste to meet the boats as they
Uberfluß Gottes besteht" (140). arrived from Italy, in the hope that Mark's work would

Rez. muß gestehen, daß er die Arbeit von F. mit ge- finally enable them to write down the Palestinian oral

mischten Gefühlen aus der Hand gelegt hat, dankbar für tradition", S.XLVI). Der Versuch, die Unhaltbarkeit der

mancherlei anregende Einsichten und Gesichtspunkte, Hypothese einer Abhängigkeit des Mt und Lk von einer

aber auch unbefriedigt angesichts jener gewissen Un- gemeinsamen Quelle (Q) nachzuweisen, durchzieht den

schärfe, die der ganzen Konzeption methodisch und inhalt- ganzen Kommentar (öfters dient dem der Abschnitt

bch anhaftet. Offensichtlich sind hier Autor und Werk 'Comment" bei den einzelnen Perikopen ganz oder doch

so sehr ein Ganzes, daß eine Übernahme durch Dritte fast ausschließlich); er wird weitgehend über die je

nahezu unmöglich erscheint. andere Ordnung des Materials geführt. Um so merk-

Lelpzig-Greifswnki Günter Haufe würdiger ist dann aber, daß die im wesentlichen gleiche

Anordnung der Überlieferung in Mk und Mt (und Lk), die
auch nach dem Urteil der Vf. nicht einfach der historischen
Abfolge entspricht (so z.B. 8.151 zu Mt 12,l-15a:

... . der Evangelist gibt typische Beispiele der Opposition

Albright, W. F and C.S. Mann. Matthew, Introduction Trans- n den Messias; beide Geschichten aber eben doch auch

Iat,on and ^otes New York: Doubleday 1971. CXCVIII, m nebeneinallder wie ebenso der folgende Sammel-

366 S. gr. 8« - The Anchor B.ble, 26. $ 8.-. bericht sich ^ ^ Evangelisten findet), nicht als

Dieser neue Kommentar muß zumindest den deutsch- Anzeichen einer irgendwie gearteten literarischen Absprachigen
Leser erstaunen. Er geht weitgehend andere hängigkeit gewertet wird. Gewiß ist es berechtigt, die
Wege als wir es von vergleichbaren Werken der Gegen- gängigen Hypothesen immer wieder nach ihrer Trag-
^art gewohnt sind (auch in der Reihe The Anchor Bible). Fähigkeit zu befragen und auf Schwierigkeiten und offene
Seine Verfasser sind sich der Besonderheit ihrer Arbeit Fragen hinzuweisen; das geschieht mit Blick auf Q m.E.
durchaus bewußt und bringen das in dem Vorwort mit auch völlig zu Recht; es wäre zu bedauern, wenn die einschroffer
Offenheit zum Ausdruck. Viel zu lange hat nach fach zu leichtfertige Behandlung des Problems der litera-
■hrem Urteil die neutestamentliche Arbeit unter dem rischen Beziehungen zwischen Mk und Mt auch die BeDiktat
theologischer, quasi-theologischer und philo- obachtungen und Erwägungen zu Q von vornherein dis-
sophischer Voraussetzungen gestanden, während die kreditieren würde und auch die Fragwürdigkeiten der
historische und philologische Analyse des Textes selbst Hypothese einer bis in den Wortlaut der einzelnen Peri-
vernachlässigt wurde. Daher haben sie sich nun bemüht, kopen gehenden Abhängigkeit des Mt von Mk nicht in den
die Worte des Mt-Evglms ernst zu nehmen. Diesem „Pro- Blick geraten ließe, die man sich doch durch die Vf. vor-
gramni" entspricht, daß in der ausgewählten Biblio- legen lassen sollte. Verfasser des 1. Evglms ist vermutlich
Rraphie am Schluß der Einleitung kaum deutschsprachige Matthäus der Bevit, der von Beruf Zöllner war und zum
Literatur genannt wird und das eigens damit erklärt wird, Jünger Jesu wurde. Freilich wird der hypothetische
daß in den letzten 50 Jahren eine steigende Zahl deut- Charakter dieser Annahme mehrfach hervorgehoben. Die
scher Neutestamentier sich existentialistischen oder ver- Herkunft dieses Mannes als Bevit erklärt aber sämtliche
Sandten Typen der Exegese ergeben hätte, "which al- charakteristischen Züge des Evglms, "its conservatism, its
Qiost wholly disregard the canons of historical judgement interest in the traditional oral law, in lawyers and Phari-
aeeepted as a matter of course in other historical fields" sees, its traditional eschatology" (S.CLXXVIII); ein
(S. CXCVIII). Bevit jener Zeit war normalerweise ein Pharisäer, gebildet

In der ausführlichen Einleitung behandeln die Vf., und mit orthodoxem Hintergrund. Da nicht alle Leviten

deren jeweiliger Anteil an dem Gesamtwerk nicht zu er- vom Tempelkult leben konnten, wurde dieser Zöllner,