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1972

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Litcraturzcitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 7

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zunächst meist in liturgischer Einordnung und scheint von
Anfang an mit dem „Kindelwiegen" verbunden zu sein,
was dort ganz deutlich wird, wo sich ihm der Zwiegesang
„Joseph, liber neve myn" zugesellt. Mit dem „Kindelwiegen"
sind diese Lieder im 15. Jh. ins Weihnachtsspiel abgewandert
, wo das „Resonet" auch in Verdeutschungen begegnet
. Die Geschichte beider Lieder und ihrer musikalischen
Gestaltung wird bis zum 1930 zuerst erschienenen
Quempas-Heft verfolgt, das ihnen bis in die Gegenwart
eine weite Verbreitung gegeben hat.

Nicht nur der Liturgiewissenschaftler wird Fr. Schulz
für den liturgischen Hauptbeitrag „Das Mahl der Brüder.
Herrenmahl in neuer Gestalt" (S. 32-51) dankbar sein. So
sehr sich auch die Literatur zu „Gottesdiensten in neuer
Gestalt" häuft, fehlt bisher eine instruktive Einführung in
die Versuche zur Neugestaltung des Abendmahls. Vf. stellt
nun die vom gewohnten Brauch abweichenden strukturellen
und rituellen Vorschläge und die darin zur Auswirkung
kommenden Motive im Bereich der drei Grundformen
(I.) Altar-, (II.) Speisungs- und (III.) Tisch-Kommunion
dar. Bei der dritten Gruppe werden auch Experimente
in Anknüpfung an die altkirchliche Agape behandelt. Ein
Hinweis auf kritische Stimmen fehlt am Schluß nicht. All
die erwähnten Versuche zielen in erster Linie darauf, die
Horizontale im Abendmahlsgeschehen, die communio mit
den Brüdern, unübersehbar zu gestalten. Vf. rät demgegenüber
mit Recht dazu, „verschiedene Weisen der Herrenmahlfeier
nebeneinanderzustellen, so daß die unterschiedlichen
theologischen Aspekte komplementär und korrigierend
zur Geltung kommen können" (S. 30). Eine vom
Vf. in Aussicht gestellte theologische Analyse beim Abendmahl
verwendeter neuer Texte würde die vorliegende Darstellung
höchst dankenswert vervollständigen.

Die „kleinen Beiträge und Miszellen" bringen zur Litur-
gik wichtige Forschungsergebnisse von K. Reinerth unter
dem Titel „Liturgische Stücke aus dem ,rheinischen' bzw.
,altgallischen' Meßritus in einem siebenbürgischen Missale":
ein Hermanstadter Meßbuch von 1394 überliefert in einem
Anhang 6 Apologien, wie sie ausschließlich im 10. und
11. Jh. und nur im Bereich der von J. A. Jungmann „Seez-
Gruppe", heute wohl zutreffender „rheinischer Meßordo"
benannten Familie von Meßordo-Handschriften anzutreffen
sind. Vf. geht dem Wesen solcher Apologien nach und
untersucht ihre Beziehung zu den in Siebenbürgen erhaltenen
. In den nicht über das 14. Jh. zurückreichenden
siebenbürgischen Meßhandschriften ist der jenen entsprechende
Meßtypus selbst nicht mehr bezeugt. Nur in einer
doppelten Mischungsformel innerhalb des Kommunionsritus
haben alle Handschriften des Missale Cibiniense ein
Element des rheinischen Meßordo bewahrt. Aus dem allen
ergeben sich Rückschlüsse auf die Heimat der siebenbürgischen
Siedler im Gebiet von Münster über Köln und
Aachen bis nach Flandern und Nordostfrankreich.

Sieben z. T. umfangreiche Beiträge gelten hymnolo-
gischen Themen: Loys Bourgeois' Anteil am Hugenottenpsalter
(P. Pidoux). Vergleichende Betrachtung des Goudi-
mel-Psalters mit dem Lobwasserpsalter (D. Gutknecht). Das
Gothaer Cantionale Sacrum (W. Blankenburg). Eine Vorlage
zu Paul Gerhardts „O Welt, sieh hier dein Leben" (W.T.
Sauer-Geppert). Ein Heidelberger Choralbuch vom Jahre
1766 (S. Hermelink). Ein Schweizer Hymnologe des 19. Jh.s
(M. Jenny). Zur Geschichte der polnischen ev. Gesangbücher
des 16. und 17. Jh.s (K. Hlawiczka). Ohne auf alle diese
Beiträge hier gebührend eingehen zu können, möchte ich
doch auf die Untersuchung zu dem bekannten P. Gerhardt-
Lied hinweisen. In ihr erweist es sich, wie fruchtbar der
einstige Hinweis von Paul Althaus d. Ä. auf die Bedeutung
der zeitgenössischen Erbauungsliteratur für neue Perspektiven
im Verständnis des Kirchenliedes werden kann.
Gerade solange die unübersehbare Fülle der Quellen davon
abschreckt, die von Althaus gesichtete Aufgabe in

ihrer ganzen Breite in Angriff zu nehmen, besitzt die Darstellung
exemplarischer Einzelfälle, wie sie hier unternommen
wird, besondere Bedeutung. Vf. kann aufweisen,
daß P. Gerhardt Martin Mollers „Soliloquia de Passion::
Jesu Christi" (1597) für sein Lied benutzt hat. Ob freilich
die hier nachzuweisende Art der Auswertung des Vorbildes
, nämlich die Tendenz, dessen betrachtende Haltung 'n
einer entsprechenden Haltung des Liedes widerzuspiegeln,
auch als exemplarisch gelten darf, kann nicht schon ein
solches Einzelbeispiel erweisen.

Drei Literaturberichtc geben Einblick in die kroatische
hymnologische Forschung (Miho Demovic), stellen das neue
polnisch-lutherische Kirchengesangbuch in seiner zweiten,
völlig veränderten Auflage von 1966 (Andrzej Wantula)
und zwei neue amerikanische Gesangbücher, The Mennonitc
Hymnal (1969) und Hymnal and Liturgies of the Moravian
Church (1969), vor (Ada Kadelbach). Das neue polnische
Gesangbuch entspricht in seinem zugleich lutherisch konservativen
und pietistischen Charakter der Frömmigkeit der
polnischen Lutheraner, die das neue Buch freudig aufgenommen
haben und es in lebendigem Kirchengesang nutzen.
Ökumenischer Haltung zeigt es sich darin geöffnet, dal)
Lieder römisch-katholischer, reformierter, methodistischer
Herkunft, ja Lieder von Pfingstlern Aufnahme fanden. Von
den beiden amerikanischen Gesangbüchern ist das der
Brüdergemeine eine revidierte Auflage des ersten Synodalgesangbuchs
von 1923, während für die Mennoniten ein
völlig neues Buch entstand. Mit Rücksicht auf die noch
vierstimmig, ohne Begleitung singenden Alt-Mennoniten
liegt es in einer Ausgabe mit normaler Notenschrift und
einer anderen in sogen, "shape-notes" vor. 15 deutsche
Lieder erscheinen mit Rücksicht auf noch lebendige deutsche
Gottesdiensttradition zugleich in Deutsch und Englisch. Bel
der Gestaltung von Text und Melodie folgt man weitgehend
ähnlichen Gesichtspunkten, wie sie dem EKG Z°"
gründe liegen. Trotz aller Bemühungen bei beiden Büchern
ist der Anteil zeitgenössischer Texte und Melodien gering
geblieben. Man wäre in dieser Hinsicht besser beraten
gewesen - und das gilt nicht nur für Amerika -, wenn
man das Beispiel der lutherischen Kirche in Amerika t>e"
folgt hätte: während der Vorbereitung eines neuen Gesangbuchs
gibt man hier preiswerte Ergänzungshefte zum alten
Gesangbuch heraus, die der Erprobung neuer Lieder dienen
sollen und nicht den gleichen Anspruch auf Dauer wie e'n
offizielles Gesangbuch erheben. - Der 37 S. umfassende
Literaturbericht zur Liturgik umfaßt in der Hauptsache
das Jahr 1968. Der Gesamtredaktor K. F. Müller hat es
verstanden, dem von ihm behandelten Teil „Neuzeit und
Gegenwart" eine interessante persönliche Note zu geben-
Im zweiten Abschnitt berichtet H. Fehn aus Norwegen-
A. C. Honders aus den Niederlanden und O. K. Olson aus
der amerikanischen Missourisynode. Der Literaturbericht
zur Hymnologie wird in der Gesamtverantwortung von
K. Ameln erstattet. Über die hymnologische Forschung 10
fremdsprachigen Ländern wird berichtet aus Dänemark für
1967-1970 (J. Lyster), aus Finnland (T. I. Haapalainen).
aus Frankreich (fi. Weber), aus den Niederlanden (A. &
Honders), aus Norwegen (H. Fehn) und aus Ungarn rur
1967-1969 (K. C. Töth). Verzeichnisse der Lied- bzw-
Strophenanfänge und der Personennamen schlüsseln das
Buch auf. XIII Tafeln und zahlreiche Abbildungen im Text
dienen der Veranschaulichung.

Den Herausgebern wie all denen, die durch finanziell
Beihilfe das erneute Erscheinen des Jahrbuchs ermöglicht
haben, werden alle Benutzer des inzwischen

unentbehrlich
gewordenen Buches Dank wissen.

ßreifswald William Nagel

Aldenhoven, Herwig: Darbringung und Epiklese im Eucharistiegebet
(IKZ 61, 1971 S. 150-189).

Barth, K. F.: Zur Situation des Gottesdienstes (Deutsches
Pfarrerblatt 71, 1971 S. 637-639).