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Ausgabe:

1972

Spalte:

31-32

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Marxsen, Willi

Titel/Untertitel:

Die Auferstehung Jesu von Nazareth 1972

Rezensent:

Hegermann, Harald

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

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Prüfung wird daher ergeben, daß manche der „Parallelen"
fragwürdig sind und in das eigentliche Corpus Hellenisti-
cum gar nicht erst aufgenommen werden sollten,- anderes
mag sich dagegen noch ergänzen lassen.

Wird so im einzelnen die exegetische Arbeit - auch an
den Apollonius-Texten! - vielfach erst eigentlich beginnen
müssen, so ist dem Vf. doch jedenfalls für die fleißige
Bereitstellung der Voraussetzungen dazu, für die informative
Aufarbeitung des Standes der Apollonius-Forscbung und
überhaupt für den nachdrücklichen Hinweis für diese wichtige
Gestalt aus der Umwelt des Neuen Testaments zu
danken.

Naumburg Nikolaus Walter

Marxsen, Willi: Die Auferstehung Jesu von Nazareth.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1968).
191 S. 8°. DM 9,80.

M. legt hier eine im wesentlichen unveränderte Vorlesung
im Druck vor, die er im Wintersemester 1967/68 für
Hörer aller Fakultäten gehalten hat. Er setzt damit die
Diskussion um die Auferstehungsfrage fort, die sein Vortrag
zum selben Thema im Jahre 1964 ausgelöst hatte
(vgl. ThLZ 92, 1967, 586-589). Was M. damals in mehr
wissenschaftlicher Diktion vortrug, wird in der vorliegenden
Arbeit allgemeinverständlich gesagt und zugleich präzisiert
und weitergeführt.

M. geht so vor, daß er zunächst eine gemeinsame
Gesprächsbasis aufzeigt („Jesus ist auferstanden" meint
durchweg ein Bekenntnis zu Jesus als Lebendigen, 22).
Umstritten sei unsere „Vorstellung vom Wie" (25) der Auferstehung
Jesu. Sie klärt er im Rückgang auf die Anfänge
des Osterglaubens im Urchristentum. Er führt über „jüngere
Texte über die Auferstehung Jesu" (29-82) - das Apostolikum
, die vier Evangelien - zu den „vor-evangelischen
Traditionen" (83-100). Am Anfang stehen Zeugnisse von
Erscheinungen Jesu nach der Kreuzigung in bloß knapp
erwähnender Form (1 Kor 15,3-8; Lk 24,34); eine Vorrangstellung
des Petrus zeichnet sich ab. Dieser Vorrang
erscheine so gefaßt, dafj „Petrus der erste war, der zum
Glauben kam" (86). Die ältesten Texte leiten nach M. dazu
an, die Behauptungen des „Sehens" Jesu zu hinterfragen.
An diesem Punkt geht M. über seinen erwähnten Vortrag
deutlich hinaus. Nicht Christophanie-Widerfahrnisse, sondern
Missionsgruppen und ihre Legitimation will der alte
Text 1 Kor 15,3-8 überliefern. Die Behauptung, daß Jesus
ihnen erschienen sei, müsse eine sachliche Partizipation an
der Ersterscheinung vor Petrus intendieren. Diese selbst
versteht M. später ebenfalls als Interpretament: In Galiläa
„hat Petrus (vielleicht beim Fischen?) eingesehen - und
dann gesehen, Jesus sendet ihn" (163). Das ist so bei
Orientalen (160). „Das Sehen des Paulus" (101-131) widerspricht
nach M. seiner Hypothese nicht. Paulus spreche nur
in Angleichung an die Petrustradition von Sehen und
Erscheinen, seine eigene Ausdrucksweise liege in Gal 1,
15-17 vor, vgl. Gal 1,11-12 (108). Diese Interpretation
sichert M. durch die von 1 Kor 15,14.20 (110-113): Die
Gewißheit, dafj Christus auferstanden ist, begründe Paulus
hier auf den vorhandenen Glauben der Korinther selbst.
„Wenn Jesus nicht lebt, dann ist die Predigt leer" (113).
Aber sie ist nicht leer, die Korinther glauben ja, folglich
ist Jesus lebendig. „Die Auferstehung Jesu - ein Wunder"
(115-131), das ist auch die These von M. Aber es ist nicht
das Wunder, daß dem gekreuzigten Jesus selbst eine göttliche
Auferweckungstat widerfuhr. M. hatte schon 1964
dargelegt, daß der Satz „Jesus ist auferstanden" ein rückschließendes
Interpretament sei, von Umweltvorstellungen
geleitet. Doch war das Interpretierte dort noch das Wider-
fahrnis des Sehens (Christophanien). Jetzt sieht M. als das
allein uns noch zugängliche Osterwunder das Zum-Glauben-

Kommen zuerst des Petrus, dann der Urgemeinde, nach
der Kreuzigung Jesu. Dieser „Osterglaube" hat ursprünglich
keine neuen Inhalte; es ist „der vorösterliche Glaube, in
den Jesus rief" (128). Wie dieser Glaube ausgelöst wurde,
ist unerheblich; Glaube ist Wunder. Das Osterwunder ist
„das Zum-Glauben-Kommen" (130). Nichts anderes wird
mit dem Interpretament „Jesus ist auferstanden" interpretiert
. „Der religionsgeschichtliche Hintergrund der Vorstellung
von der Auferstehung" (133-139) zeigt, daß diese
Vorstellung vieldeutig und vorchristlich war und schon
deshalb nicht einfach übernehmbar ist. Demgemäß ist im
NT „die Auferstehung Jesu ein Interpretament unter anderen
" (141-151); was sich dabei als Gemeinsames durchhält
, ist „das Bekenntnis zur Wirklichkeit des extra nos des
erfahrenen Glaubens" (150). M. stellt nachdrücklich heraus,
daß gerade ein solcher Verzicht auf die Anschaulichkeit
urchristlicher Osterverkündigungen „Glaube als Wagnis"
(153-158) hervortreten läßt. Er stellt seine traditionsanalytischen
Ergebnisse nochmals zusammen („Die Entwicklung
in der frühen Urgemeinde" 159-176) und schließt mit
einem eindrucksvollen Kapitel über „die Zukunftshoffnung
des Christen" (177-191), in dem er ganz persönlich von
der Hoffnung auf Gott über den Tod hinaus spricht („Ich
werde geborgen sein" 190). Es geht darum, unter Loslassen
alter, zeitgebundener Vorstellungen, „Gott für die
Zukunft alles zuzutrauen" (191).

M. bietet kritischer Infragestellung viele Angriffsflächen.
So ist sein Versuch, die Christophanie-Zeugnisse ihres
zunächst ausgesagten Inhalts zu entledigen, keinesfalls
haltbar und verdunkelt wesentliche Züge der ältesten Geschichte
des Osterglaubens. Ebensowenig kann die Interpretation
von 1 Kor 15,14-20 überzeugen. Aber solche
Schwächen in der Durchführung ließen sich durchaus im
Sinne der Gesamtkonzeption von M. korrigieren. Diese
selbst ist gewichtig. Sie will gegen die Gefahr einer fundamentalistisch
verfestigten Theologie der Auferstehung,
die biblische Traditionsaussagen zum undiskutierbaren
Glaubensgesetz erhebt, wahren Glauben aber verhindert,
eben zu solchem wahren, wagenden Glauben helfen, und
gewinnt dafür weithin mit vollem Recht eben die biblische
Tradition zum Bundesgenossen. Der eigene Standpunkt
wird betont dem Gespräch untergeordnet, diffizile exegetisch
-theologische Sachverhalte werden durch „Elementarisierung
" (13) dem Laien verständlich, und die Solidarität
mit dem theologischen Kontrahenten bleibt durchweg intakt
und lebendig. Das Gewicht des Themas hat die inzwischen
weitergegangene Diskussion nur unterstrichen. In ihr bleibt
der vorliegende Beitrag eine unentbehrliche Stimme.

München Herald Hpjfermaun

Craveri, Marcello: Das Leben des Jesus von Nazareth,

übers, v. M. Obermayer. Stuttgart: Klett [1970]. 450 S.,

2 Ktn. 8°. Lw. DM 28,-.
Daß diese Darstellung des Lebens Jesu im katholischen
Italien Aufsehen erregte, ist trotz der im II. Vatikanischen
Konzil verkündeten Lehrfreiheit verständlich. Es
bricht radikal mit allen herkömmlichen, von der Kirche
gepredigten Vorstellungen von Jesus als dem Gottessohn,
dem Erlöser, der sühnend für die Sünden der Menschen
starb. Sein Ziel, wie es in der Darstellung der Predigt
Jesu (Kap. 8,10 und 11) begegnet, ist das Verständnis Jesu
als eines Verkünders sozialer Gerechtigkeit, wie sie im
von ihm angekündigten Reich herrschen soll. Seine Kritik
richtet sich darum nicht allein gegen die unkritische Übernahme
der Wundergeschichten, sondern gegen die Verfälschung
dieser Verkündigung durch die Kirche, die alle ursprünglichen
Intentionen der Predigt Jesu ins Gegenteil
verkehrt habe. Aber diese Zielsetzung des Buches ist von
historischer Kritik an der Darstellung der Evangelien um-