

Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1972 |
Spalte: | 533-535 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Autor/Hrsg.: | Ruh, Hans |
Titel/Untertitel: | Sozialethischer Auftrag und Gestalt der Kirche 1972 |
Rezensent: | Jacob, Günter |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
533
Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 7
534
ETHIK ihrer Angemessenheit zur Erfüllung des sozialethischen
Auftrags untersucht. Das Urteil des Vf.s lautet: „struktu-
Ruh Hanc c«,:,wu- l. * a. • — . «. , , „ relle Immobilität" (S. 67 ff). Hier kann der Vf. auf die
«ans: Sozialethischer Auftrag und Gestalt der Kirche. . ~ ^ „• , c 1 u c
Ekklesinl^jci, i/ j • , , breite Literatur zum Thema Kirchenreform, aber auch auf
^Mesiologische Konsequenzen der sozialethischen For- . ... ... . . ,. ...__. .
^hung der letzten drei Jahrzehnte in Theologie und ^s durch den ökumenischen Studienband Mission als
Ökumene. Zürich: Theolog. Verlag [1971]. VIII. 201 S. 8^. Strukturprinzip bekanntgewordene Schlagwort vom mor-
phologischen Fundamentahsmus (S. 72) verweisen. Ange-
Die Entdeckung des sozialethischen Auftrages der Kirche sichts der Flut von kirchenkritischen Publikationen, in
su Christi in der theologischen Forschung und in der denen soziologische und organisatorische Aspekte die
umenischen Besinnung seit drei Jahrzehnten, insbesondere zentrale theologische Frage zu überwuchern drohen, kann
dad erenz »Kirche und Gesellschaft" (Genf 1966) und die man dem Vf. nur dankbar dafür sein, daß er die Kirche
sdi lfFC'1 in.spirierten gesellschaftsdiakonischen und gesell- vor der Gefahr warnt, sich in Anwendung von Erkennt-
^ aftspolitischen Aktivitäten der Weltchristenheit hat der nissen aus der Soziologie neue Organisationsformen zu
zum Anlaß genommen, in seiner Schrift, die von der schaffen, anstatt dieses Problem angemessener Organi-
eo'ogischen Fakultät Bern 1969 als Habilitationsschrift sationsformen in den Fragenkomplex der ekklesiologischcn
angenommen wurde, der Frage nachzugehen, ob die „offi- Konsequenzen der Sozialethik in theologischer Verantwor-
. " Kirchen in ihren Organisationsformen so struktu- tung einzuordnen. Er befragt dann in einem Exkurs
rt sind, daß sie den sozialethischen Auftrag im Felde (S. 91 ff) einige Kirchenordnungen der Schweizerischen re-
utiger, weltweiter Problematik auch zu erfüllen in der formierten Kirchen nach der Bestimmung der ekklesiolo-
ge sind. Diese Frage, die als Frage nach den ekklesio- gischen Grundlegung und des Auftrags der Kirche sowie
SS??1 Konsequenzen dieser sozialethischen Forschung nach der Beschreibung der Mittel, welche in den Kirchen-
ikuliert wird, erfordert eine kritische Überprüfung der Ordnungen zur Erfüllung des sozialethischen Auftrags vor-
renenverfassungen und Kirchenordnungen, die am Modell gesehen sind, und er kommt zu dem Ergebnis (S. 99):
'9cr Kirchen der Schweiz durchgeführt wird. Auch für „Man kann diesen Exkurs nicht abschließen, ohne sein
re Kirchen besteht Anlafj, im Blick auf ihre eigenen Erstaunen auszudrücken angesichts der weitgehenden Ge-
rganisationsformen eine solche Untersuchung vorzunehmen! schichtslosigkeit der hier untersuchten Verfassungen und
Im ersten Kapitel gibt der Vf. einen knappen und Ordnungen .. Es wird nicht einmal klar ersichtlich, ob
°chst instruktiven Überblick über eine theologische Grund- diese Ordnungen im 20. Jahrhundert oder im 17. Jahr-
egung und über die Konkretisierung und Aktualisierung hundert ---- geschrieben worden sind. Diese Geschichts-
er Sozialethik auf den ökumenischen Konferenzen von losigkeit interessiert uns hier aber nur soweit, als sie ein
tockholm bis Uppsala. Dabei hat er sowohl die theolo- erneuter Beweis (sie!) darstellt für das Prinzip der struk-
9'schen Erkenntnisse, wie sie im Kampf der Bekennenden turellen Immobilität gerade der reformatorischen Kirchen."
Klrche zu einem ersten Durchbruch gekommen sind und Gilt dieses Urteil wirklich nur für die evangelischen Kir-
ann in dcr monumentalen Kirchlichen Dogmatik Karl chen in der Schweiz?
der*5' VOr a,Iem in KD IV/3 als einem „reifen Produkt Auf Grund der Kernthese des Vf.s, nach der die Diskre-
r Auseinandersetzungen im Kirchenkampf" (S. 26) ihre panz zwischen theologischer Erneuerung und struktureller
'Pfelung erfahren haben, als auch die jeweiligen Ent- Immobilität daher rührt, daß der Bereich der Organisations-
■j-Kklungen in Gesellschaft und Politik, Wissenschaft und formen und damit der Ordnungen der Kirche nur in
hnik im Blick. In einer durch die Sicht von E. Wolf be- geringem Maße Gegenstand theologischer Reflexion ist, ver-
mmten Skizze wird der Ertrag des deutschen Kirchen- sucht der Vf., die ekklesiologische Frage nach einer dem
_k™p a's der Ertrag eines grundsätzlichen Nachdenkens sozialethischen Auftrag der Kirche angemessenen Gestalt
_ ,cr den Auftrag der Kirche in der außerordentlichen politi- der Kirche zu klären. Diese Frage muß im Horizont der
te en^'tuati°n der Hitlerdiktatur anhand von vier Stichwor- Herausforderungen der Kirche durch die ungeheuren Pro-
hV <^ar9estellt. Kirche wurde als .Kirche für die Welt" blcme der heutigen Gesellschaft wie Wcltfriedc, politische
nhoeffer) entdeckt. In der zweiten Barmer These mit der und wirtschaftspolitische Probleme, Gefährdungen in Wis-
.°klamierung der „Königsherrschaft Christi" wurde für senschaft und Technik (Biologie und Medizin) gesehen und
'e Geologische Reflexion über die Bedeutung des Evan- zur Frage nach dem Zeugnis der Kirche angesichts dieser
j 'ums für die Gesellschaft Vorarbeit geleistet. Zum drit- Probleme artikuliert werden. Hier hat der Vf. eine große
'Stichwort -das Wächteramt" und zum vierten Stichwort Lücke in der theologischen Arbeit aufgedeckt. Er stellt fest,
" "entlichkeitsanspruch" (besser: „Öffentlichkeitsauftrag") „daß zwar sehr viel von den Aufgaben der Kirche in der
rden in theologischer Beurteilung kritische Anmerkungen Gesellschaft gesprochen wird, daß aber verhältnismäßig
^."^eht. die auch heute aktuell sind (S. 23-25). Der Rück- selten systematisch der Kirchenbegriff ausgelegt wird im
'ek auf die theologische Profilierung des sozialethischen Kontext des gesellschaftlichen Auftrags der Kirche" (S. 142).
trags der Kirche ergibt, daß die Sozialethik den Auf- Ihm geht es um „die Korrelation zwischen der Kirche als
ag der Christenheit jeweils im Kontext mit den gesell- einer Dimension des Seins Jesu Christi und der Kirche als
" anliefen Umwälzungen der Zeit bestimmt hat. Die Gc- soziologisch faßbare Größe" (S. 154). Diese beiden Aspekte
mit ' Mo^erne wird dann in Übereinstimmung werden von ihm im Horizont des Auftrags der Kirche in
zeitdiagnostischen und soziologischen Analysen der der Gesellschaft ausgelegt, und sie bleiben streng aufein-
als • Welt unter dem Vorzeichen der Säkularisierung ander bezogen. Die Indienstnahme neuer kirchlicher Orga-
eine -pluralistische Gesellschaft" beschrieben, in der auch nisationsformen, wie sie aus einer soziologisch orientierten
Kirche nur als eine Größe unter anderen Größen ver- Analyse gewonnen werden, muß im Blick darauf, daß
nden werden kann. Was das Handeln der Kirche in Gemeinde Jesu Christi nichts anderes als eine Dimension
k'ner Gesellschaft betrifft, „in deren Herrschaftsformen sie des Seins Jesu Christi ist, verantwortet werden. Schließlich
lnen privilegierten Platz mehr besitzt" (S. 60), so nimmt hat R. an wenigen Stellen konkretere Vorstellungen über
„ r vf. den Begriff Partnerschaft aus der ökumenischen neue Organisationsformen der Kirche entwickelt, die dieser
scr?laICtllik auf" Die Fra9e nacn der spezifischen Partner- Forderung Rechnung tragen. Freilich bleiben seine Be-
■ aft der Kirche in der Gesellschaft zeigt die Frage nach trachtungen über neue Denkstrukturen und Handlungs-
^en ekklesiologischen Konsequenzen für die Gestalt der strukturen einer Kirche, die heute ihrem sozialethischen
lrcne an. Auftrag gerecht werden will, ziemlich blaß. Dennoch hat
Vv-Ini zwe'ten Kapitel werden die Strukturen der gegen- die Schrift dieses Schülers von Karl Barth mit der Mah-
ar[igen kirchlichen Organisationsformen unter dem Aspekt nung, die Frage nach der Gestalt der Kirche primär theolo-