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Ausgabe:

1972

Spalte:

522-525

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Dokumente zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches 1972

Rezensent:

Meier, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 7

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v°n Gott selbst Jesus als dem Christus gegeben wurden, obschon sie zweifellos auch in den gewählten Texten vorausgegangen
und dann erst zur Sache, die Christus voll- handen sind. Andere Autoren und Untersuchungen anderer
facht hat, selbst gegangen wird, ist m. E. nicht frei von kommen bei der einzelnen Darstellung fast nie zu Gehör.
Anachronismus. Diese Grammatik, die Luther meint, ist der Makaber wirkt deshalb auch die Berufung auf die Entinnzusammenhang
des göttlichen Versöhnungswerkes; zu täuschung, die Siggins von der Diskussion über Zeitpunkt
]rm führen im Rückschlu5 die einzelnen Berichte und und Wirkung der reformatorischen Grunderkenntnis zu
orte von Jesus, bei dessen Menschheit wir bekanntlich Rom 1,17 auf dem III. Internationalen Lutherforscherkon-
anheben müssen, um zu seiner Gottheit zu gelangen. greß 1966 in Järvenpää berichtet, bei dem er selber als
Man nimmt es Siggins ab, da5 er Luthers Erkenntnis- Gast des Lutherischen Weltbundes zugegen war. Nach seiner
Weg, von seiner Christuspredigt ausgehend, nachbuchsta- Meinung haben sich die Forscher hoffnungslos in dieser
.eren will, um zur „Grammatik", die Gottes Wort be- Diskussion entzweit. Seine "fresh induetive description of
stimmt, zu gelangen. Die Forschung hat aber andere Metho- the Originals", die eine Darstellung des Christuspredigers
den zur Erfassung von Luthers Theologie und Verkündigung Luther gibt, läßt über den Prediger Martin Luther die
entwickelt, denen sich auch das vorliegende Werk stellen Frage offen, ob im theologischen Sinne eine bestimmte
'T'uß. So bleibt der Versuch einer kongenialen Beschreibung Christologie vorliegt. Nach übereinstimmendem Urteil der
°ei vielen richtigen Beobachtungen unbefriedigend im wis- Lutherforschung ist für die Entdeckung von Christus als
senschaftlichen Ergebnis. Ob Siggins nun dem johanneisch- Mitte der Schrift, und das heißt inhaltlich, Christologie
lutherischen Ansatz der Theologie „das Wort wurde Fleisch" durch Auslegung in der Rechtfeftigungslehre, entscheidend.
'm 1- Kapitel nachgeht, oder im 2. Kapitel „Amt und Sen- Doch methodisch hat Siggins sich so festgelegt, daß er den
dung Christi", im 3. „Gottes Offenbarung in Christus", im theologischen Zusammenhang von Luthers verkündigender
4- die „Versöhnung durch Christi Gang zum Vater", im Schriftauslegung, der sein Denken und Predigen m. E.
* »König der Gerechtigkeit" zum Thema nimmt oder im deutlich besimmt, nicht zu erfassen und darzulegen vermag.
■ Kapitel unter der Überschrift "Very God and Very Man" .Teno Horst Beintker
und im 7., über die etwas formelle Überschrift "Christ
arned, Preached, and Pictured" weit hinausreichend, eine
Art Blütenlese aus Predigten von Luthers bildhaften Beschreibungen
und Titeln zu Christus liefert - keine Ge- Mehlhausen, Joachim: Das Augsburger Interim von 1548.
samtdeutung des reichlichen und fleißig zusammengestellten Nach den Reichstagsakten deutsch und lateinisch hrsg.
Materials wird versucht, ja, man muß sich öfter gegen den Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungs-
Eindruck wehren, den die Lektüre von Traktätchen weckten; Vereins [1970]. 166 S. 8° = Texte zur Geschichte der
Dje Fülle des Vorgebrachten soll überwältigen. Jedes Ka- evang. Theologie, hrsg. v. E. Bizer u. J. F. G. Goeters, 3.
P'tel hat über 100 Anmerkungen, meist über 200, das 5. Kart. DM 14,80.

at 300, das 6. Kapitel über 250 Anmerkungen und fast Das nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes

es nur Angaben zitierter, nahezu aneinandergereihter vom Reichstag zu Augsburg 1548 verabschiedete Religions-

eilen. Gewiß, für den Leser spricht vieles für sich, wie gesetz bedeutete für die reformatorischen Gemeinden eine

as mit der gedanklichen Tiefe und Fülle in Luthers Schrift- tödliche Gefahr. Wenn es auch nicht in dem vorgesehenen

Um eben gelingt, aber über die nachbeschreibende, geord- Ausmaß durchgeführt werden konnte und nach vier Jahren

AKh Zusammenstellun9 von christologischen Themen und von der politischen Entwicklung überhaupt zu Fall gebracht

Handlungen bei Luther führt Siggins wesentlich nicht wurde, so sollte doch die durch dieses Interim entfachte

inaus. Das ist bedauerlich, denn Luthers Christusverständ- Frage nach Kompromißbereitschaft und Bekenntnistreue

1S hat für die Theologie nicht nur in der Vergangenheit, noch lange die protestantischen Theologen erregen und

°ndern gegenwärtig und zukünftig sehr beachtenswerte verdient um ihrer grundsätzlichen Bedeutung willen bis

spekte. Gerade beim Thema „Versöhnung" oder „Gott und heute unverminderte Aufmerksamkeit. Hinderlich war bis-

ensch" liegt das auf der Hand. In diesen Hauptfragen her jedoch das Fehlen einer brauchbaren Ausgabe. Schulden

er Theologie hat z. B. auch Karl Barth von Luther ge- wir also Herausgeber und Verlag schon deshalb Dank,

rnt. Daß Gott vollständig definiert ist in Jesus, daß er, daß sie einen handlichen und erschwinglichen Text bereit-

9anz Mensch geworden, in keiner Weise dem scholastischen stellen, so ist überdies rühmend hervorzuheben, daß der

und ebenso nicht dem antischolastischen, aufklärerischen Editor die Mühe nicht gescheut hat, die gesamte Über-

ottesbegriff wirklich zugänglich ist, daß Luthers Christo- lieferung zusammenzutragen und zu kollationieren -

°9ie eine Theologie ermöglicht und Luther sie selber hat, immerhin 3 Handschriften und 14 Drucke! Er schuf damit

le weder vom Niedergehen des Theismus noch vom Angriff die erste kritische Ausgabe dieses wichtigen Dokumentes,

es Atheismus getroffen wird und zugleich der biblischen die durch Zitatnachweise, eine kompakte Einleitung und

ffenbarung entspricht, müßte an Hand des gesammelten eine sorgfältige Bibliographie abgerundet ist.

■ aterials, auch in Einzelzügen, gezeigt worden sein. Hier Heidelberg ITeinz Seheible

legt bei Luther aber m. E. eine deutliche, systematisch
LuthSame' *eo'og'scne Haupterkenntnis vor uns, die die

Für den Prediger und Seelsorger Luther mag es zu KI RC H E N G ES C H I C HTE: NEUZEIT

reffen, daß er das Historische und Konkrete dem Idealen

"nd Abstrakten vorzieht, wie Siggins sein methodisches, Nicolaisen, Carsten (Bearb.) j Dokumente zur Kirchenpolitik

bl°5 sammelndes Vorgehen zu gründen versucht in Luther des Dritten Reiches. I: Das Jahr 1933. Hrsg. im Auftrage

selbst. Diese m. E. etwas vordergründige Seite an Luthers der Evang. Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitge-

Werk. „vordergründig", weil hinter Luthers Schriftausle- schichte v. G. Kretzschmar. München: Kaiser 1971. XXTV,

jungen doch eine gesamttheologische Konzeption steht, ent- 222 s- 9r- 8° DM 39-~-

aßt den Theologen, der sich Luther zuwendet, nicht vom Die Edierung ausgewählter kirchlicher Quellen zur

Aufdecken und Eingehen auf systematische Gedanken und Geschichte des evangelischen Kirchenkampfes in der NS-Zeit

^°ni Analysieren hierfür besonders typischer Texte aus wurde schon des längeren in Gang gesetzt (vgl. Band 13

em Gesamtwerk Luthers. Um der induktiven Methode und 14 der Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes,

Wll'en, hält Siggins sich auch bewußt davon zurück. Auf die die Zeit des Reichskirchenausschusses dokumentieren).

usammenhänge, die sonst die Forschung interessieren, auf Überdies lagen partielle Quellensammlungen schon relativ

mien, die zurück oder vorwärts führen, geht er nicht ein, frühzeitig nach Kriegsende vor, die die Kirchenkampfzeit