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Ausgabe:

1972

Spalte:

29-31

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Petzke, Gerd

Titel/Untertitel:

Die Traditionen über Apollonius von Tyana und das Neue Testament 1972

Rezensent:

Nikolaus, Walter

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

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Concordia Commentary wird im englischen Sprachgebiet »Gestalt des Apollonius von Tyana" (S. 161-194) im Lichte
sicherlich seine Leser finden, auch aufjerhalb der Missouri- (bzw. gelegentlich Zwielichte) der auf ihn bezüglichen
Synode. Für den deutschen Sprachraum darf man das Traditionen, von den Geburtserzählungen an über die
bezweifeln: die wissenschaftliche Theologie wird durch die Beschreibung seiner Wirksamkeit (bes. Lebensweise und
neue Reihe nicht befruchtet, während der breitere Leser- Fähigkeiten) bis hin zu den Erzählungen um den Lebenskreis
, für den der Kommentar aus dem Concordia Publishing ausgang und zu den Beurteilungen seiner Person (Titula-
House bestimmt ist, sich bei uns kaum englischsprachiger turen, Verehrung), sodann (B) hinsichtlich seiner Lehren
Literatur zuwenden dürfte. (S. 195-229): Götter und Gottesvorstellungen; Stellung zu
Berlin Waller SchmithalB den kultischen Bräuchen; paränetische Aussagen. Eine

Schlufjbetrachtung (S. 230-238) geht davon aus, dafj ein
religionsgeschichtlicher Vergleich dem Apollonius das gleiche

Recht auf ein in sich geschlossenes Verständnis um seiner

Petzke, Gerd: Die Traditionen über Apollonius von Tyana selbst wiUen zubilligcn muö wie Jesus> und betont _

und das Neue Testament. Leiden: Brill 1970. XII, 264 S. die heüiige Situation wohl etwas zu angestrengt -, daft es

gr. 8° = Studia ad Corpus Hellenisticum Novi Testa- nicht um den Absolutheitsnachweis für den einen oder den

menti, edd. Hans-Dieter Betz, G. Delling, W. C. van anderen dabei gehen kann.

Ur.nik, 1. Lw. hfl. 56.-. Auf dag Literaturverzeichnis (s. 239-250) folgt ein
Der Band eröffnet eine neue Monographienserie (SCH), ctwas knapp ausgefallenes Sachregister (S. 251; vielleicht
die künftig Arbeiten in der Art von H. Almquist, Plutarch wäre die Aufnahme von Motiven möglich gewesen); das
und das Neue Testament, Uppsala 1946 (ASNU 15), und ausführliche Stellenregister (S. 252 - 264) verzeichnet alle
H. D. Betz, Lukian von Samosata und das Neue Testament, behandelten und erwähnten Stellen der Apollonius-Briefe,
Berlin 1961 (TU 76), vereinigen wird; als Band 2 der SCH der VA sowie des Neuen Testaments und der gelegentlich
ist G. Mussies, Dio Chrysostom and the New Testament, zum Vergleich herangezogenen Apostelakten,
angekündigt. Die Arbeit Petzkes entstand - wie seinerzeit Die Arbdt macht den Nutzen solcher vorarbeiten zum
die von H. D. Betz - als Dissertation bei Herbert Braun, Corpus Hellenisticum in Monographienform besonders
der in Lehrtätigkeit und eigenen Veröffentlichungen die von deutlich. Es ist wichtig, da§ eine Gestalt wie die des Apollo-
Dobschutzsche Tradition genauen Achtens auf die Paral- nius VM Tyana wieder einrnal stärker ins Blickfeld der neu-
lelen zum NT in seiner hellenistischen Umwelt und damit testamentlichen Exegese gerückt wird. Bemühte sich vor
den Blick auf das Corpus Hellenisticum Novi Testamenti, 50 Jahren K. L. Schmidt noch darum, den .beliebten Verden
.Neuen Wettstein*, stets intensiv gepflegt und seinen gleich. 2wischen Evangelien und Apollonius-Vita auf ein
Schulern vermittelt hat. angemessenes Ma5 zurückzuführen (in: Eucharisterion für
Petzke referiert in einer Einleitung zunächst die Fragen H. Gunkel, 1923, S. 81-83), so ist inzwischen dem Theo-
um den Verfasser der Vita Apollonii (VA), Philostrat logen nach dem Abbruch der Tradition des Humanistischen
(S. 1-5; das zuerst erörterte Problem des Verhältnisses der Gymnasiums der Bereich der klassisch-antiken und spät-
drei oder vier Philostrate zueinander ist freilich im Blick antiken Welt im allgemeinen ferner gerückt als der - von
auf die VA gegenstandslos) und informiert dann (S. 5-16) der neueren Exegese stärker betonte - des Orients und
über die wechselnden Tendenzen in der Diskussion über des Judentums. So ergab sich u. a. auch die Neigung, die
.Apollonius und das Christentum" von derzeit der Kirchen- Bildung der Jesus-Tradition und die literarische Form der
vater an bis m unser Jahrhundert. Evangelien in falscher Verabsolutierung gewisser Akzente
Der 1. Hauptteil (S. 17-157) untersucht die .traditions- etwa bei M. Dibelius (1919) zu einem Vorgang sui generis
geschichtlichen und formgeschichtlichen Parallelen' (zwi- zu stempeln. Petzke stellt demgegenüber mit Recht heraus,
sehen Apollonius- und Jesusüberlieferung, wobei der Bezug dafi a) die Gestalten Jesu und des Apollonius in ihrer
zur Jesusüberlieferung jeweils nur in Anmerkungen oder traditionsinaugurierenden Kraft manches Vergleichbare
kurzen Summarien hergestellt wird). Zunächst (S. 19-49) haben (Vorgang der postumen Titulierung und der Adap-
werden die nicht sehr ergiebigen Traditionen über Apollo- tion mythologischer und legendärer Motive) - wobei selbst-
nius au5erhalb der VA aufgearbeitet, wobei das Spezifikum verständlich der verschiedene geistige und religiöse Hinter-
der byzantinischen Tradition, die in A. vor allem einen grund in Rechnung gestellt werden mufi -, und daß
Hersteller öffentlicher Talismane sah, besonders heraustritt, b) auch unter redaktionsgeschichtlichem Aspekt manche
und die Fragen um die echten Schriften des A. gestellt. Parallelen zwischen Philostrats VA und den Evangelien,
Dann (S. 50-153) wendet sich Petzke dem fruchtbareren insbesondere dem des Lukas, bestehen, während der
Feld der in Philostrats VA enthaltenen Traditionen zu und gewisserma5en .engste" Vergleich, der zwischen dem .histo-
untersucht sie sowohl unter redaktionsgeschichtlichem (vgl. rischen Apollonius" und dem .historischen Jesus", an-
S. 51-62 und 151-153) wie quellen- und traditionskriti- gesichts der wenigen historisch sicheren Züge zwar
schem Aspekt (S. 63-147, zusammenfassend S. 147-150), einiges, aber nicht viel Konkretes ergibt (vgl. S. 156 f.,
geordnet nach Reisebeschreibungen und Reisenotizen (hier 193 f., 227 - 229). In solchem Hinweis auf verergeben
sich manche Parallelen zur Apg), Dialogen und wandte methodische Fragestellungen liegt eine besondere
Reden sowie den vor allem wichtigen Einzeltraditionen Chance der monographischen Behandlung gerade der
(Sprüche; Spruchsammlungen; Briefe; Einzelerzählungen, Apollonius-Traditionen; der Vergleich zwischen anderen
d'ese gegliedert nach Wundererzählungen [S. 125-137], Schriftstellern und dem NT wird in dieser Hinsicht magerer
Personallegenden [S. 137-141) und sonstigen [S. 141 f.]); ausfallen (vgl. Betz' Vorwort zu seiner Lukian-Arbeit, S. XI:
™* -G1eichnissen" ist ein besonderer Abschnitt gewidmet die Gestalt des Schriftstellers Lukian selbst ist relativ
' ' 142-147). - Hinsichtlich der Quellenfrage scheint mir uninteressant).

übrigens Petzke (S. 67-72) die Ansicht Eduard Meyers, Was nun die andere Seite der Arbeit angeht, die Bereit-

die .Damis'-Quelle sei eine Fiktion Philostrats als Gegen- Stellung des stilistischen, terminologischen und motivlichen

mstanz gegen gängige Apollonis-Darstellungen, nicht wider- Materials für die neutestamentliche Exegese, so hat es

iegt zu haben, zumal er selbst - wie andere vor ihm - Petzke allzu bewurjt bei einer Vorarbeit bewenden lassen

damit rechnen murj, daß Philostrat unter dem Namen des (er bezieht sich öfters auf Wettstein; man wüfjte gern, ob

Damis jedenfalls zu einem nicht geringen Teil Eigenes die bei ihm aufgeführten Parallelen vollständig eingear-

darbietet. beitet sind). Die Abwägung des Funktionswertes der ein-

Im 2. Hauptteil (S. 159-229) bietet Petzke die .religions- zelnen Parallelen wird dem Neutestamentier überlassen;

geschichtlichen Parallelen' dar. zunächst (A) hinsichtlich der Hinweise in dieser Richtung sind selten. Genauere Über-