Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1972

Spalte:

504

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Plöger, Otto

Titel/Untertitel:

Aus der Spätzeit des Alten Testaments 1972

Rezensent:

Hesse, Franz

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

503

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 7

504

Wirkung verloren. In eben diese Welt des Unheils sieht Plöger, Otto: Aus der Spätzeit des Alten Testaments. Stu-
sich aber der Einsame des Alten Testaments hineingewor- dien. Zu seinem 60. Geburtstag am 27. 11.1970 hrsg. vo

fen. Und eben davon wollen die einzelnen Motive wie Freunden und Schülern. Göttingen: Vandenhoeck & Ru

Krankheit, Feindbedrohung, Gefangenschaft, Tod und Grab precht [1971]. I, 187 S. gr. 8°. Kart. DM 28,-.

reden. Der Verlust der heilen Welt, nicht eine allgemeine „Die Beiträge, die unverändert übernommen wurden,

Sündhaftigkeit ist es, was den alttestamentlichen Menschen markieren einen längeren Weg bedeutsamer wissenschaft-

so sehr bedrängt und ihn zum Beten treibt. - Gibt es ein licher Forschung am Alten Testament und behandeln zum

Zurück aus der Entfremdung? Seidel legt Wert darauf, daß größten Teil die heute mehr und mehr in den Blickpunkt

sich durch den Gebetscharakter der Klagelieder die Ver- des Interesses rückende spätere Zeit des Alten Testamentes,

lassenheitsaussagen gewissermaßen zu Einsamkeitsaus- mit der sich der Vf. schon geraume Zeit beschäftigt und

sagen wandeln - und das ist von entscheidender Bedeu- als deren Kenner er sich einen Namen gemacht hat" (aus

tund: „Einsamkeit ist gebundene und vor dem letzten Zer- dem Vorwort von Joachim Schüpphaus).
fall bewahrte Verlassenheit", „der Gott, der den Beter in diesem Band sind Arbeiten P.s zu Themen alttesta-

verlassen hat, ist sein Gott" (Hiob!). Darum ist Seidel auch' mentlieher Theologie - diese durchaus nicht nur auf die

skeptisch gegenüber der stark verbreiteten Erklärung des „Spätzeit des Alten Testaments" beschränkt! - und zur

sog. Stimmungsumschwungs in den Klageliedern mit der An- Geschichte der Makkabäerzeit zusammengestellt; am Schluti

nähme einer priesterlichen Heilszusage. Vielmehr vollzieht folgen eine Meditation und eine Predigt. Die Herausgeber

sich nach ihm im Gebet selbst eine Wandlung als Beginn haben dankenswerterweise ein Stellenregister und e'n

des Heilwerdens, die keineswegs nur einen innerlichen Register der Namen und Sachen beigesteuert.
Stimmungsumschwung involviert, sondern auch den Außen- Den Auftakt bildet die (stark verkürzte) Habilitations-

raum umgreift: der Beter findet sich zurück zu seiner schrift von 1948, die 1951 in der ZAW unter dem fite1

eigentlichen Existenz. - Die Arbeit schließt mit Erwägun- „Priester und Prophet" erschien (7-42). Es folgt die

gen zur Existenzbedeutung des Einsamkeitserlebnisses und kurze , 1954 in dieser Zeitschrift erschienene

Abhandlung

legt dabei Grundlinien einer alttestamentlichen Anthropo- „Prophetisches Erbe in den Sekten des frühen Judentums

logie bloß. „Das Einsamkeitserlebnis stößt den Menschen (43- 49), die deswegen besonders interessant ist, weil

auf das Wiraein als Fundament seines Daseins". Und hier, über das Thema hinaus, auf das Verhältnis von

ebenso eröffnet es die Gottbezogenheit als Voraussetzung Prophetismus und Apokalyptik eingeht. Der 1957 erschie-

eines erfüllten menschlichen Daseins. „Gottverlust heißt nenen Festschrift für Günter Dehn ist der Aufsatz „Rede0

Personverlust, und Personverlust bedeutet Weltverlust". und Gebete im deuteronomistischen und chronistischen

Die Übersicht über den Inhalt zeigt die Bedeutung des Geschichtswerk" entnommen (50-66), aus dem mir

Werkes von Seidel, das auf eine Dissertation, die Hans Ausführungen zur Tendenz des chronistischen Geschieh»'

Bardtke angeregt hat, zurückgeht. Es ist ein erfreulicher werks besonders wertvoll und weiterführend zu sein sehe1;

Beitrag zum Verständnis der Klage- und Danklieder und «en. Es folgt ein weiterer Festschriftbeitrag: „Siebzig Jahre

bedeutet eine nicht unwichtige Korrektur einer gewissen (67-73), der Festschrift für Friedrich Baumgärtel (195y'

Gattungsforschung, die bei der Topik der Form stehen entnommen; hier werden die wichtigeren Stellen, an dene

bleibt und nicht zum wirklichen Erlebnis durchstößt. Die von siebzig Jahren - auf die Geschichte Israels bezogen -

Arbeit deckt die theologische Relevanz der heute vielfach die Rede ist, exegesiert. Auch der folgende Beitrag „Wahre

suspekt gewordenen Kultfrömmigkeit auf. Es ist ihr großes die richtige Mitte; solch Maß ist in allem das Beste!" is

Verdienst, daß sie energisch, und zwar unter Aufnahme einer Festschrift, nämlich der für Hans-Wilhelm Hertzberg

moderner psychologischer und soziologischer Erkenntnisse, (1965), entnommen. Das Zitat stammt aus Hesiod; 9*

nach den Erlebnisinhalten hinter den Redeformen der Hesiods Erga befaßt sich P. in diesem Beitrag ausführ-

Kultfrömmigkeit fragt. - Gewiß möchte man an einigen licher, zum Schluß einen Vergleich mit den biblischen

Punkten auch Widerspruch anmelden: Vf. scheint die Ge- Proverbien durchführend.

fahr der Verknöcherung ehemals lebendiger Erlebnisaus- Drei Aufsätze befassen sich mit Problemen der rnakka

sagen in der Konventionalität kultischer Äußerungen von bäischen Geschichte bzw. des unmittelbar vorangehende

Religiosität nicht recht zu sehen; er beachtet wohl zu Zeitraums. Der Vf. erweist sich hier als besonderer Sacn

wenig, daß die Unscharfe in der Bildsprache und die oft kenner, wozu nicht zum wenigsten eingehende archaolo

erwähnten „Übertreibungen" tatsächlich doch zum Merkmal 9ische Forschungen, insbes. im Ostjordanland, beigetragen

einer die Wirklichkeit überfremdenden kultischen Sprache haben. Die Aufsätze sind zuerst in der ZDPV erschienen,

werden können. Daß der Mensch entweder der heilen oder „Hyrkan im Ostjordanland" (90-101) und „Die makka

der unheilen Welt angehöre, ist aufs Ganze gesehen doch bäischen Burgen" (102-133) 1955, „Die Feldzüge der Seiet»

eine zu schematische Aufteilung einer auch in den Augen kiden gegen den Makkabäer Judas" (134-164) 1958.
der Psalmendichter differenzierteren Wirklichkeit. Man Eine Meditation über Sprüche 9,1-10 (165-169) un

mag sich auch fragen, ob wirklich nur das „Amt" den eine Predigt über 1 Kg 8,22-30 (170-174) erweisen, daö

Propheten in die Einsamkeit treibe und Einsamkeit nicht p- der in schwerer Zeit ein Pfarramt innehatte, sich auc

Schicksal des Menschen überhaupt sei, der mit seinem als Professor dessen bewußt geblieben ist, daß exegetiscn

Glauben die Masse der einer bestimmten Religiosität ver- Arbeit am Alten Testament nicht nur historische odt

pflichteten Gruppe hinter sich lassen muß. Gelegentlich religionsgeschichtliche Arbeit ist, sondern Teil eines Die"

möchte man auch Einzelheiten in Frage stellen, z. B. wenn stes- den der Theologe der Kirche schuldet.
Seidel (s. 108) mit Hehn slmwt als „im Bereich des Todes" Albachten bei Münster/Westl. Franz Hesse

verstehen will.

Aber Vf. vermittelt gute Einsichten in das Wesen alt- Baker, Aelred: The Strange Case of Job's Chisel (CBQ
testamentlicher Frömmigkeit, ja des menschlichen Daseins 1969 S. 370- 379).

überhaupt. Es steht zu hoffen, daß seine Arbeit bei den Blenkinsopp, Joseph: The Prophetic Reproach (JBL *u
Fachgenossen und darüber hinaus bei allen, die sich um 1971 S. 267-278). , ,l,,,nV

..... , . ., , • ... ,. „ c , Brownlee, W. H.: Psalms 1-2 as a Coronation Litury.;

eine biblische Anthropologie muhen, die Beachtung finde, (Eibl 52 1971 S 321-336)

die sie verdient. Brueggemänn, Walter: Kingship and Chaos (CBO XXXU1'

Zürich Hans Wildberger 1971 S. 317—332).

— Of the Same Flesh and Bone (Gn 2, 23 a) (CBQ XXXU*
-- 1970 S. 532-542).

— The Trusted Creature (CBQ XXXI, 1969 S. 484- 498).