Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1972

Spalte:

500-501

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Zimmerli, Walther

Titel/Untertitel:

Die Weltlichkeit des Alten Testamentes 1972

Rezensent:

Westermann, Claus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

499

Diez Macho leitet den Band ein. Darin wird betont, daß
Lamadrid der Verfasser des ersten spanischen Buches über
Qumrän ist und daß er auch den allgemein orientierenden
Artikel in der Enciclopedia de la Biblia VI, 1963,40-48
geschrieben hat.

Das Buch beginnt mit einer über sieben Seiten langen
Bibliographie, die verhältnismäßig umfassend angelegt
ist und in sorgsamer Auswahl das Wertvollste bietet. Dann
folgen zwei Seiten Abkürzungsverzeichnis. Die Untersuchungen
sind in drei großen Abschnitten zusammengefaßt. Der
erste Abschnitt widmet sich der Geschichte der Entdeckungen
im weitesten Sinn, indem auch die Ausgrabungen von
Pater de Vaux berücksichtigt werden sowie die Durchforschung
des Gebirgsabfalls im Hinblick auf verschüttete
Höhlen und ihre Eingänge. Die Entdeckungen der israelischen
Forscher in der Wüste Juda und die Ausgrabung von
Masada werden gebührend berücksichtigt. Dieser gesamte
erste Abschnitt wird auf den Seiten 98-106 mit einer
Zeittafel der Entdeckungen abgeschlossen. Sie beginnt mit
dem von Origenes erwähnten Handschriftenfund bei Jericho
und reicht bis zur Entdeckung der Tempelrolle. Bemerkenswert
ist, daß der Vf. die Entdeckung der Rollen durch
die drei Beduinen in den Winter 1946 verschiebt, wie dies
John G. Trever in seinem Buch „Das Abenteuer von Qumrän
" (Kassel 1967, 112-126.192.215-222) als erwägenswerte
Möglichkeit zugesteht. Demnach würde die Entdeckung
etwa ein Jahr früher, als üblich angenommen, stattgefunden
haben. Mit diesen Fragen hat sich auch der am 10. September
1971 viel zu früh verstorbene Pater R. de Vaux
auseinandergesetzt (RB 66,1959,88 und Anm. 3).

Der zweite große Abschnitt wendet sich den Problemen
der Geschichte der Qumrängemeinde, insbesondere den
Fragen ihrer Organisation, ihres Brauchtums, ihrer Riten,
Lehren und ihres Glauben zu (S. 109-221). Dieser Abschnitt
ist zweifellos der wichtigste. Der Vf. entscheidet sich für
die Essenerhypothese, die weitaus von den meisten Forschern
geteilt wird, vermerkt aber auch die anderen Hypothesen
von Zeitlin, Teicher, Roth, Drivcr, Habermann,
Rabin, Milik, alles mit sorgfältigen Literaturangaben
unterbaut und mit eigenem gesunden Urteil näher akzentuiert
, so daß das Buch umsichtig und gut orientiert und
auch als Nachschlagewerk für wesentliche Qumränfragen
benutzt werden kann. S. 123-125 wird eine chronologische
Übersicht in Tafelform gegeben. In den meisten Daten
folgt der Vf. der von Albright und Mann (The scrolls and
Christianity S. 25) gegebenen Chronologie, insbesondere
hinsichtlich der Flucht der später in Qumrän sich vereinenden
jüdischen Frommen aus Babylon nach Damaskus
141/140 v. Chr. Den Tod des Lehrers der Gerechtigkeit
setzt er an das Ende der Regierung des Johannes Hyrka-
nus. In diesem letzten Drittel des 2. Jh.s v. Chr. soll auch
die Erweiterung der Bauten von Qumrän erfolgt sein. Die
Zeit 37 bis 4 v. Chr., also die Regierungszeit Herodes des
Großen, bezeichnet der Vf. als einen dunklen Abschnitt der
Sektengeschichte, in dem die Qumrängemeinde von ihrer
Sicdlungsstätte abwesend gewesen sein soll. Die folgenden
Ausführungen zur Organisation und Lehre der Gemeinde
bringen nun zahlreiche Übersetzungen aus den einschlägigen
Schriften von Qumrän, also aus 1QS, lQSa, den
Hodajoth und der Kriegsrolle 1QM. Diese Zitate beleben
die Darstellung ungemein. Natürlich fehlen auch nicht die
Zitate aus Philo und Josephus. Der Vf. erweist sich dabei
als ein guter Kenner und sicherer Beurteiler dieser verschiedenen
Quellen, während die Frage nach dem besitzrechtlichen
Anspruch der Sekte am Grund und Boden und
nach ihrer weltlichen Rechtsstellung ihn nicht zu interessieren
scheint. Die Möglichkeit von blutigen Opfern wird
abgelehnt, die Ähnlichkeiten zwischen den heiligen Mahlzeiten
von Qumrän, denen der Therapeuten und den
griechisch-römischen Thiasoi werden unter Angabe der
neuesten Literatur zum Problem zugestanden. Zahlreiche

500

Stellen aus den Hodajoth werden S. 191-210 übersetzt und
festgestellt, daß sie die gleichen Themen behandeln wie die
Pescharim und die Damaskusschrift, dabei aber von dem
Wissen um Lehramt und Prophetie des Lehrers der Gerechtigkeit
, um seine Stellung als Gründer und Führer der
Gemeinde, aber auch als ein Schmerzen und Verfolgungen
Leidender bestimmt sind. Der letzte, große, dritte Abschnitt
behandelt die Bedeutung der Handschriftenentdek-
kungen am Toten Meer für das Alte Testament und für
das Neue Testament sowie für das nachbiblische Judentum-
Es kann hier leider nicht auf alle Einzelheiten eingegangen
werden, zumal der Vf. auch schon oft dargelegte Dinge
in eigener Diktion und eigener Akzentuierung vorträgt-
Um nur ein Beispiel zu geben: er glaubt, aus den Randzeichen
der Jesajarolle Möglichkeiten für das literarische
Zustandekommen des Buches Jesaja erschließen zu können,
wobei aber doch die Frage bleibt, ob diese Randzeichen.
die den Beginn des Deutcrojesaja markieren (Kol. XXXII)*
nicht gerade den Kapiteln 36-39 gelten und überhaupt
formale Markierungen Späterer darstellen, aus denen keine
literarischen Zeugnisse für die Entstehung des Jesajabuches
genommen werden sollten.

Mit besonderem Nachdruck darf ich auf die Ausführungen
des Vf.s über „Qumrän und das Neue Testament"
hinweisen (S. 245-324). In diesem Abschnitt geht der Vf-
sehr sorgfältig und behutsam den möglichen Ähnlichkeiten
ur.d Verbindungslinien nach und stellt sie vorsichtig dar
in den verschiedenen Problemkreisen wie „Johannes der
Täufer", „Jesus und der Lehrer der Gerechtigkeit", „Jesu5
und Qumrän" bis hin zu den Beziehungen zwischen
Gedankenwelt der johanneischen, paulinischen Schriften sowie
des Hebräerbriefes und der Qumränliteratur. £>ic
jeweils neueste Literatur wird auch hierbei befragt. &
verdient alle Anerkennung, daß der Vf. auch die deutschsprachige
Literatur in hohem Maß genutzt hat. Register
der Bibelstellen, der Zitate aus den antiken Autoren, aus
der Qumränliteratur sowie ein Namenverzeichnis bilde0
den Abschluß des Werkes, das vollste Anerkennung verdient
.

Leipzig Hans Barcltkc

Zimmerli, Walther: Die Weltlichkeit des Alten Testament'

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1971]. 162 S. 8° =*
Kleine Vandenhoeck-Reihe, 327. Kart. DM 8,80.
Zimmerli geht in dieser Zusammenfassung von Vor'
lesungen an Hörer aller Fakultäten von der Negierung der
Welt in einigen Sätzen des Neuen Testaments (z. B. 1 Jon 2'
15.17) aus, die u. a. von Rudolf Bultmann aufgenommen
wird, der das Neue des Neuen Testaments in dessen »E"1'
weltlichung" der Botschaft sieht (8). Er hat daraus -das
massive Mißtrauen gegen die als unchristlich empfunden^
Wcltvcrbundenheit des Alten Testaments" gehört. Von da
aus will Z. dem Phänomen der Weltlichkeit des AT im
Zusammenhang nachgehen. Er tut das in einem Durchgang
durch das ganze AT. Die Frage nach der Weltlichkeit des
AT geht von den Anfängen Israels beim Auszug aus ÄgyP"
ten aus, wo es sich in dem Bekenntnis zu Jahwe, der die
unter der Fronarbeit in Ägypten Seufzenden befreit hat-
niederschlug. In diesem konkreten Geschichtsbezug l'e?
das Besondere des Glaubens Israels: es ist Jahwe in
konkreter Geschichte begegnet.

In anderer Weise zeigt sich diese Weltlichkeit im Reden
von der Welt als Gottes Schöpfung (2) und dem segnenden
Wirken Gottes an seiner Schöpfung (3) wie im Auftrag-
sich die Erde Untertan zu machen (4). Diese

Weltlichkef

zeigt sich in den Kriegen Israels (5) ebenso wie in der
Bedeutung des Landes für das Gottesverhältnis Israels (6)-
Das Volk hat seine Ehre ganz in dem, was Gott an ihn1
wirkt (7), sein Weg wird ihm gewiesen in Gottes „Weis""'

Theologische Litcraturzcitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 7