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Ausgabe:

1972

Spalte:

443-444

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The trial of Jesus 1972

Rezensent:

Weiß, Konrad

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Seite 1

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443 Theologische Litcrnturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 6 ^

als ein angeschlossener Vorgang der Vergangenheit ange- mente durch Nachweis ihres Auftretens in der ganzen Breite
hört; für ihn gehört Paulus nicht in die „Zeit der Kirche", der Literatur und in allen ihren zeitlichen Phasen. — 4.Nachsondern
in die Zeit der Apostel. 3. Als Schriftsteller hatte Weisung des Zusammenhanges der jüdischen Diskussion mit
Lukas weder die Absicht, ein Missionsbuch, noch die älteste dem jeweiligen Stand der christlichen Leben-Jesu- und Evan-
Kirchengeschichte zu verfassen. Sein Werk ist eher ,,eine gelien-Forschung und der Beeinflussung durch deren Argu-
historische Monographie, die einen Abschnitt aus dem Ge- mente. — 5. Eruierung der aktuellen Motivierungen für die
schehen der ersten christlichen Jahrzehnte bietet und ein jeweils von den jüdischen Autoren bezogenen Positionen.
Menschenalter vor Lukas endet" (S. 184); es ist ein „kate- Politische Zwangslagen, kultur- und geistesgeschichtliche
chetisches Buch" (S. 185). Situation, Zugehörigkeit zum orthodoxen oder liberalen Tu-
Burchards Untersuchung bringt keine grundlegend neue dentum, jüdische Emanzipation und Adaption ans Christen-
Konzeption und enthält sich aller spekulativen Hypothesen. t"m, Einfluß Hegels, Apologetik und Polemik gegenüber
Trotzdem markiert sie meiner Meinung nach einen Wende- christlichen Pressionen bis zur jüdisch-christlichen Ge-
punkt in der Acta-Forschung, indem sie in beispielhafter sprächssituation der Gegenwart und der davon ausgehenden
Weise zeigt, wie die kompositionsgeschichtliche Arbeitsweise Pression auf die christliche Jesusforschung. - 6. Frage nac l
aus dem Stadium der Improvisation herausgeführt und auf der Benutzung und Bewertung der talmudischen Jcsustra-
eine methodisch zuverlässige Grundlage gestellt werden dition durch den jeweiligen Autor.

kann. Nicht unerwähnt bleiben soll auch, daß sich bei Bur- Das ständige Sichverschlingen all dieser Gesichtspunkte

chard äußerste Akribie in der Handhabung des Wissenschaft- miteinander macht die Lektüre des Buches nicht eben zu

liehen Apparates mit einer recht lebendigen Darstellungs- einem Vergnügen und erschwert es ungemein, der Gedan-

weise verbindet; er scheut sich nicht, durch pointierte For- kenführung immer zu folgen. Es kommt hinzu, das Vf. dabei

mulierungen seinem Stoff manche überraschenden Lichter immer auch auf Gewinnung und Begründung eines eigene11

aufzusetzen (z. B. S. 38 über Tarsus: „eine Stadt, die in rö- Urteils über den Wert sowohl der rabbinischen Jesus traditio'

mischen Ohren klang wie Heidelberg in amerikanischen"). nen als auch der evangelischen Berichterstattung hinzielt-

Man wird es auch dieser Freude an der Pointe zuzuschreiben Er gelangt dabei zur Aufwertung der lukanischen und J0'

haben, daß mancher polemische Hieb in den Anmerkungen hanneischen Berichte, die s. E. der Mk/Mt-Überlieferung Se~

unnötig scharf ausgefallen ist. genüber nicht nur eine eigenständige, sondern teilweise auch

... „ , „ historisch richtigere Tradition repräsentieren. Auf diesei

Hamburg Jürgen Roloff ° a . r i :„l,t-

Grundlage und unter maßvoller Anwendung formgeschici"

licher Kriterien auf die Prozeßtraditionen — in deren Ew

Catchpole, David R.: The Trial of Jesus. A Study in the führung in die jüdische Jesusforschung C. das besondere Ver-

Gospels and Jewish Historiography from 1770 to the Pre- dienst der Arbeiten P. Winters erblickt - rekonstruiert e

sent Day. Leiden: Brill 1971. XIV, 324 S. gr. 8° = Studia folgenden historischen Ereignisablauf: Verhaftung Je*»

Post-Biblica, ed. by J. C. H. Lebram, XVIll. Lw. hfl.84,-. durch dle lösche Behörde - Vorführung und Verhör *o

Hannas unter widergesetzlich roher Behandlung — vortun

Der Untertitel des Buches nennt zwei Gegenstände als rung vor dem am üblichen Ort versammelten Sanhedrin am

Themen der Untersuchung: die Evangelien und die jüdische folgenden Tage und Verurteilung Jesu auf Grund seines An'

Geschichtsschreibung der letzten 200 Jahre. Es geht also um Spruchs auf Gottessohnschaft — Übergabe an Pilatus und

die zur Stunde immer noch und wieder aktuelle Frage, wie damit Übergang des Prozesses in dessen Hände. In diesem

sich in der Sicht jüdischer Historiker Gründe, Hintergründe, Endresultat der ganzen Untersuchung sind andere Erkeniit-

Ablauf und Verantwortlichkeiten im Prozeß Jesu darstellen nisse, die C. ebenfalls als Resultat der ganzen 200 Jahre ]u"

und welcher Wert in dieser Sicht der Darstellung zugeschrie- discher Jesusforschung formuliert, schon eingeschlossen,

ben wird, die die Evangelien von dem Hergang geben. nämlich daß sich in ihr die Debatte über die Legalität des

Da die mischnischen und talmudischen „ Jesus-Traditio- Prozesses endgültig totgelaufen habe und daß das Bild eine»

nen" für die jüdische Forschung begreiflicherweise beson- „politischen Jesus" mit der Tatsache unvereinbar sei, da

dere Relevanz haben, widmet C. dem Einfluß, den sie bis alle von ihm erregten Anstöße religiöser Natur waren,

heute geübt haben, ein langes einleitendes Kapitel (S. 1—71). Es wäre falsch, den Wert der Untersuchung nach diesen

Erst dann wendet er sich den Sachfragen zu, und zwar der weder umwälzenden noch durchaus überzeugenden Resul'

Frage nach dem Vergehen, dessen Jesus vor dem Sanhedrin taten zu bemessen. Er liegt vielmehr in der erschöpfenden

angeklagt wurde (Kap. 2, S. 72—152), dem Problem der lu- Vorführung und vielschichtigen analytischen Erschließung

kanischeu Darstellung des „Sanhedrin-hearing" (Kap. 3, einer Literaturmasse, in der sich eine zweihundertjährige Be'

S. 153—220) und der Frage nach den gesetzlichen Grund- mühung des Judentums um die Bewältigung des Phänomens

lagen des Prozesses und nach der Gesetzlichkeit bzw. Unge- Jesus niedergeschlagen hat.

setzlichkeit des Prozeßablaufes (Kap. 4, S. 221—260). Nach Rostock Konrad Weis»

einem die Schlußfolgerungen ziehenden Kapitel 5 (S.261 bis
271) folgt in einem Appendix eine Auseinandersetzung mit

Gerhard Schneiders Buch „Verleugnung, Verspottung und „ , TT ,,. „ ... , , . , ,c,-ri, 25.

... T , T1 „ „„ ? 4CJn Bartsch, H.-W.: Die Empfanger des Romcrbriefes (St lh

Verhör Jesu nach Lk 22,54—71 , München 1969. lQ7i S 81—89)

Unter den reichhaltigen, das Buch nach jeder Richtung Börse, Udo: Die geschichtliche und theologische Einordnung

aufschließenden Indices ist besonders die Jewish Bibliogra- des Römerbriefes (BZ 16, 1972 S. 70—83).

phy hervorzuheben, die 190 bekannte und unbekannte Au- Brocr, Ingo: Die Bedeutung der „Jungfrauengeburt" 1,11

toren mit 360 Arbeiten aufführt und durch biographische Matthäusevangelium (Bibel und Leben 12, 1971 S. 248—

Angaben identifiziert. 260).

r ■ n . ,1 u ■■ * • v. r ■ u. j „,;. :„ t; Budesheim, Thomas L.: Jesus and the Disciplcs in Confhc

In seiner Darstellung begnügt sich C. nicht damit, in hl- ., T ' . ,7W,,, r1 c ,on Ono

. . „ , ,. _ . . ° ,° . ... » , with Judaism (ZNW 62, 19/1 S. 190—209).

stonscher bolge die rositton des jeweiligen menschen Autors . ., . _ - , , . T , t..„ dition

, . T?. , , • ^ ,i i i j Cnbbs, F. Lamar: St. Luke and the Johannine lradtti""

aufzuzeigen. Vielmehr ist die Darstellung durchweg von den (JBL XC 1971 S 422—450)

folgenden sich immer wieder gegenseitig ablösenden Ge- Crossan, John Dominic: The'Parable of the Wicked Hu»'

sichtspunkten bestimmt: 1. Lückenlose Erfassung der ge- bandmen (JBL XC, 1971 S. 451—465).

samten, Jesus und die Evangelien betreffenden Literatur Davis, Charles Thomas: Tradition and Redaction in Mat'

seit 1780. - 2. Nachzeichnung des Diskussionsverlaufes in thew 1:18-2:23 (JBL XC, 1971 S. 404-421).

jeder Phase und zwischen allen Diskussionspartnern. — 3. Be- Derrett, J. Duncan M.: The Parable of the Two Sons (StTh

legung der einzelnen in der Diskussion beigebrachten Argu- 25, 1971 109—116).