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Ausgabe:

1972

Spalte:

18-21

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Vollmer, Jochen

Titel/Untertitel:

Geschichtliche Rückblicke und Motive in der Prophetie des Amos, Hosea und Jesaja 1972

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

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Krieg ist und in dieser Funktion nicht durch den König auch dadurch ihre Zusammengehörigkeit erwiesen wird,

verdrängt werden darf. Daneben steht an zweiter Stelle Ausführlich wird das Problem „Hananja" behandelt. Der

die sachlich nicht minder wichtige innenpolitische Polemik Vf. meint, daß jener ebenso wie das Volk vergessen habe,

gegen das Königtum und die mit ihm verbundene Ver- daß der Bund Verpflichtungen für das Volk beinhaltete,

waltungsform. Für die erste Kritik verweist B. auf die S. 62 bezeichnet er Hananja als einen offensichtlich from-

Nähe von 1 Sam 8 zum Gideonspruch, Jud 8,22 f., hin men (serious) Propheten, dessen Botschaft freilich für die

(S. 20 ff.), während die zweite innenpolitische Kritik am gegenwärtige Situation seiner Zeit falsch, also seqer, war.

Königtum bereits in der alten Jothamfabel von Jud 9, 7 ff. Auf S. 94 greift er das Problem noch einmal auf und meint,

vorgegeben ist (S. 27). Im übrigen geht der Vf. den daß der Unterschied zwischen Hananja und Jeremia nur

geschichtlichen Ursachen der alttestamentlichen Königs- ein Gradunterschied, aber kein Artunterschied gewesen sei,

polemik nicht weiter nach, sondern beschränkt sich darauf, sie stünden auf der gleichen Skala, aber an verschiedenen

die theoretisch-theologische Grundlage der deuteronomisti- ihnen angemessenen Stellen. Und Jeremia 31,31-34 zeige

sehen Kritik herauszuarbeiten. in der Predigt vom Neuen Bund seine eigenen tiefverwur-

Das eigentlich Neue und Wichtige an B.s Untersuchung zelten Sympathien mit seinen Gegnern. Hier ist der

ist der bemerkenswerte Versuch, nachzuweisen, da5 auch ernste Versuch eines Ausgleiches unternommen, dem man

1 Sam 10,17-27 im Grunde die gleiche deuteronomistische gc™ zustimmen wird. Wenn der Versuch freilich auch

Einstellung zum Königtum enthält wie 1 Sam 8 und 12. nicht in allen Zügen neu ist, so ist doch die Art der

Dabei erkennt er in 10, 21bß -24 eine übernommene ältere weitschichtigen Untersuchung des Vf.s, der in reichem Mali

Tradition, die durch die folgenden Verse deuteronomistisch die deutsche Forschung wie von Rad, Rudolph, Weiser,

interpretiert wird. Weiterhin verdient ein Exkurs zu Westermann, Quell heranzieht, sich auch ritterlich mit der

1 Sam 7 (S. 93 ff.) besondere Beachtung. Hier kommt B. zu andersartigen Jcremiaauffassung von Hyatt auseinander-

dem Ergebnis, daß in diesem Kapitel, „bevor die eigent- setzt, gewinnbringend und förderlich. Das viel verhan-

liche Königsthematik einsetzt, vorweg der entscheidende delte Thema gewinnt in der Darstellung des Vf.s zahl-

Maßstab der deuteronomistischen Königsbeurteilung in der reiche neue Akzente, die die weitere Jcremiaforschung

Weise der Geschichtserzählung vorgestellt" wird (S. 98). aufzunehmen hat. Reich an exegetischen Einzelbeobach-

Schließlich kann B. als zusätzliches Ergebnis buchen, daß tungen sind die weiteren Kapitel III "Oracles against the

seine Untersuchung die Auffassung von der Einheitlichkeit Prophetic Opponents: Jcremiah 23,9-40" (S. 49-71) und

des deuteronomistischen Geschichtswerkes stützt (S. 99). Kapitel IV "Early Oracles against the Prophets" (S. 72-85).

Diesen Ergebnissen kann man allerdings nur dann voll Im letzten Abschnitt über seqer in der Theologie des Jere-

zustimmen, wenn man auch die von B. angewandten mia (S. 86-104) wird ein guter Überblick über diesen

Kriterien für die Identifizierung der deuteronomistischen Begriff außerhalb des Jeremiabuches gegeben. Zweifellos

Textabschnitte als zureichend anerkennt. Dies dürfte einem hat der Vf. dem vielschichtigen Problem eine neue Lösung

kritischen Leser nicht immer möglich sein, zumal der durch die feste Verbindung mit den Bundestraditionen

Vf. bei den behandelten Textabschnitten die Auffassung gegeben und an ihnen den unterschiedlichen Ansatz der

M. Noths zumeist ohne gründliche neue Erörterung als prophetischen Interpretation zur Geltung gebracht. Der

richtig voraussetzt. Mit dieser Einschränkung kann aber Autor weiß für die Einstellung des Volkes zur Botschaft

B.s Studie als ein interessanter und weiterführender Beitrag des Hananja ein echtes Empfinden aufzubringen, zeigt aber

insbesondere zur Erforschung der Theologie und der zugleich, wie die religiöse, bundesgemäße Entscheidung

Arbeitsweise der deuteronomistischen Geschichtsschreibung dem Volk die notwendige Nüchternheit für das Beurteilen

empfohlen werden. und Erleben der geschichtlichen Lage gegeben hätte und

Berlin Karl-Heinz Bernhardt damit ihre Wirkung auch für das Durchstehen des Geschichtsgerichts
gehabt hätte.

Die Arbeit kann nur dankbar begrüßt und aufgenommen
werden, auch wegen des reichen Anmerkungsapparates,

Overholt, Thomas W.: The Threat of Falsehood. A Study in der die Auseinandersetzung mit der mit Sorgfalt gesam-

the Theology of the Book of Jcremiah. London: SCM melten Literatur durchführt. Es ist, soweit ich sehe, nichts

Press [1970]. IX, 110 S. 8° = Studies in Biblical Theology, Wesentliches vergessen oder überehen worden.

Second Series, 16. Kart. 35 s. Leimig Hans Bardtkc
Die vorliegende Arbeit, eine Promotionsleistung an der
Universität Chicago, untersucht das Vorkommen von seqer
bei Jeremia sowie seine Bedeutung im Rahmen jeremia-

nischer Theologie. Der Vf. hält sich nicht mit statistischen Vollmer, Jochen: Geschichtliche Rückblicke und Motive in

Erörterungen auf, sondern geht in erfreulicher Kürze und der Prophetie des Arnos, Hosea und Jesaja. Berlin: de

Gedrängtheit vor, indem er unter der Überschrift "The Gruyter 1971. X, 217 S. gr. 8° Beihefte zur Zeitschrift

False Conception of Security" (S. 1-23) erst den Begriff für die alttestamentliche Wissenschaft, hrsg. von G. Foh-

seqer in Jer 7,1-15 untersucht und dabei eine gründ- rer, 119. Lw. DM 62,-.

liehe exegetische Erörterung über diesen wichtigen Abschnitt Die vorliegende Erlanger Dissertation ist die Arbeit
anstellt mit dem Ergebnis, daß das Volk von Juda sich eines treuen Schülers von G. Fohrer, denn man findet
emer falschen Sicherheit hingab bezüglich der Verheißun- dessen Auffassungen und Überzeugungen fast überall vor-
rTfi ^ahwes im sinai- und Davidsbund, ohne zu beachten, ausgesetzt und liest am Schluß denn auch ausdrücklich
daß die Bundesschlüssc an Bedingungen geknüpft waren, (210, A. 28), daß sich die Ergebnisse mit Fohrers Urteilen
namüch die Treue zu Jahwe zu beweisen oder bei Treu- über das Verhältnis zwischen Prophetie und (geschicht-
bnich durch Reue und Umkehr den Bund wiederherzu- licher) Tradition weithin decken. Nur in seltenen Fällen
stellen. Diese innere Einstellung des Volkes zu den an den findet sich auch einmal eine abweichende exegetische EinBund
geknüpften Verheißungen mußte in der Außenpolitik zelbeurteilung: 73, A. 95; 161, A. 148; 175, A. 204; 177, A. 208.
zu verheerenden Folgen führen, wie die politischen Ereig- Die Grundthese des Buches (vgl. die Zusammenfassung
nisse der zweimaligen Eroberung Jerusalems und der im 4. Kapitel, 199-201) wächst aus einer dezidierten AbVerbannung
des Volkes zeigten. Der zweite Abschnitt lehnung der „einseitig" traditionsgeschichtlichen Sicht der
untersucht die Kapp 27-29 unter der Überschrift "Conflict Prophetie heraus, wie sie vor allem G. von Rad und seinen
with Prophetic Opponents" (S. 24-48), wobei "the struc- Schülern (E. Rohland, R. Rendtorff, R. Knierin u. a.) als
tural pattern" der Kapitel einleuchtend untersucht und „Rückfall in vorkritische Auslegung und den Ersatz der