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1972

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

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metral entgegengesetzt ist. In Deutschland führte er im allgemeinen
zu einer Verselbständigung der weltlichen Herrschaft
der Bischöfe vom Kaiser, in Italien leitete er die Entmachtung
der Bischöfe ein" (S. 43).

Von ganz entscheidender Bedeutung sind immer wieder
die Päpste, obwohl sie im Inhaltsverzeichnis nicht genannt
werden. So war die Ausgestaltung des Lehnswesens durch
die Kurie „für die staufische Reichsherrschaft attraktiv"
(S. 55), da sie schon seit Gregor VII. finanzielle Vorteile
erreichte und zugleich ihr territorialen Besitzrechte und Ansprüche
absicherte. Es bestanden wechselseitige Beeinflussungen
zwischen der Gestaltung des päpstlichen und staufischen
Lehnswesens: „Kaiser und Papst lösten sich nicht
nur in diesen Gebieten ab; die auf ihre Person aufgebauten
Lehnsbeziehungen trafen auch oft genug aufeinander..."
(S. 56). Das Papsttum war „der erbittertste und hartnäckigste
Gegner gegen jedwede starke Oberherrschaft in Italien"
(S. 71). Konkret ging es um die mathildischen Güter, um die
Grenzen des Kirchenstaates sowie um die Stellungen mehrerer
Klöster. Der für das staufische Programm zentrale
Terminus der „Regalia" hat eine Wurzel in den „revolutionären
Geheimverhandlungen und Verträgen des Jahres 1111
zwischen Kaiser und Papst" (S. 86). Dieses Wort, das im
deutschen Reichsteil die königliche Verleihung von Rechten
an geistliche Fürsten betraf, bekam in Italien einen weiteren
Sinn: Es umfaßte alle Herrschaftsträger, die so „insgesamt
einander ihrer Stellung zum Reich angeglichen" wurden
. „Klöster, Kirchen, Adlige und Kommunen sind in dieser
staufischen Regalienpolitik gleichgestellt" (S. 165). Dies
wird durch juristische Vorbehaltsformeln aufgewiesen, die
vorher von der Kurie verwendet wurden. Die Gleichstellungstendenz
mit Hilfe des Regalia-Begriffs betrifft auch die
Klöster: „Die Untersuchung der frühstaufischen Schutz- und
Immunitätsprivilegien für Klöster läßt somit deutlich genug
erkennen, daß es für die Formulierung und damit für
den Rechtsinhalt der Diplome unerheblich war, ob das jeweilige
Kloster schon in vorstaufischer Zeit Reichskloster
gewesen ist oder nicht" (S. 247). Im Verhältnis zu Kirchen
und Bistümern spielt das Verhältnis Kaisertum—Papsttum
eine geringere Rolle, da die örtlichen Gewalten hier wichtiger
sind als der Papst. Summarisch stellt H. fest: „An
Hand der zahlreichen Schutzprivilegien für Kirchen, Klöster
, Adlige und Kommunen konnte gezeigt werden, daß
diese Schutzpolitik niemals einseitig antikommunal oder
profeudal eingestellt gewesen ist. Will man sie überhaupt
auf eine bestimmte, fast durchgängig befolgte Gegenrichtung
festlegen, so kann man sie in der 2. Hälfte des 12. Jh.s
am ehesten als antipäpstlich bezeichnen. Diese antipäpstliche
Haltung läfjt sich an den häufigen Schutzprivilegien für
päpstliche Zinsklöster, aber auch für Kirchen und Kommunen
im engeren Bereich des Kirchenstaates, über den die
Kurie die weltliche Herrschaft beanspruchte oder tatsächlich
ausübte, aufzeigen" (S. 289). Trotz dieses Gegensatzes lernten
die Staufer von der Kurie: Dem Papst Hadrian IV. gelang
es erstmals, „den Adel aus der Umgebung Roms in
größerem Umfang in eine lehnsrechtliche Abhängigkeit zur
Kurie zu bringen" (S. 315). Solche Belehnungen waren fast
ausnahmslos zeitlich unbefristet, d. h. erblich. Damit war
das Vorbild für die Staufer gegeben: Es wäre anachronistisch
, „zu erwarten, daß sie das Erbrecht an den Reichslehen
grundsätzlich in Frage stellt und statt dessen nur
zeitlich befristete Lehnsverhältnisse begründet" (S. 324/25).
Staufische Privilegien galten nicht Personen, sondern Institutionen
: „Nicht der jeweilige Bischof, Abt oder Propst"
sollten als Regalieninhaber gelten, sondern „die Kirche bzw.
das Kloster oder Stift" (S. 524). Zusammenhänge mit eigen-
kirchenrechtlichen Vorstellungen sind „für das Verhältnis
zwischen Kaiser und Reichskirchen nur mehr von sekundärer
Bedeutung; an ihre Stelle ist die Auffassung vom Regaliencharakter
der Herrschaftsrechte getreten ..." (S. 522).

Es wird eine immense Kenntnis an Quellen und Literatur

ausgebreitet. Wiederholungen einzelner Tatbestände waren
wohl kaum zu vermeiden. Den Herausgebern der neuen
Reihe „Monographien zur Geschichte des Mittelalters" kann
man zu dieser ersten Erscheinung nur gratulieren.

Rostock Gert Hoendler

Arnou, Rene: La critique de la connaissance intellectuelle
de l'homme dans la philosophie de saint Thomas (Gre-
gorianum 52, 1971 S. 273—297).

Blum, Wilhelm: Das Wesen Gottes und das Wesen der Menschen
nach Salvian von Marseille (MThZ 21, 1970 S. 327
bis 341).

Clasen, Sophronius: Die Aufgabe Konstantinopels in der
Geschichte der Kirche Christi (Wissenschaft und Weisheit
34, 1971 S. 72—89).

Eßer, Kajetan: Gehorsam und Autorität in der frühfranziskanischen
Gemeinschaft (Wissenschaft und Weisheit 34,
1971 S. 1—18).

Flood, David: Ketzerei im Spätmittelalter (Wissenschaft und
Weisheit 34, 1971 S. 42-47).

Hoff mann, Fritz: Einige Bemerkungen zu den Aufgaben
einer „künftigen Mediaevistik" des 14. Jahrhunderts
(Theologie und Philosophie 46, 1971 S. 256—265).

Horst, Ulrich: Das Verhältnis von Heiliger Schrift und Kirche
nach Johannes Dietenberger (Theologie und Philosophie
46, 1971 S. 223-247).

Müller Gotthold: Über den Begriff der „Mystik" (NZSTh 13,
1971 S. 88-98).

Rogge, Joachim: Zur Entstehung und Geschichte des Paro-
chialsystems (ZdZ 25, 1971 S. 379—384).

Roßmann, Heribert: Die Sentenzenkommentare des Franz
von Meyronnes OFM (FS 53, 1971 S. 129—227).

Siedl, H.: Thomas von Aquin und die moderne Exegese
(ZKTh 93, 1971 S. 29—44).

Steer, Georg: Germanistische Scholastikforschung (II) (The'
ologie und Philosophie 46, 1971 S. 195—222).

Wagner, Raynald Franz: Relation und Wissen. Der Einfluß
der Relationslehre auf die Deutung des Wissens und des
Erkennens bei Wilhelm von Alnwick (FS 53, 1971 S. 228
bis 274).

Weiß, Bardo: „Gott ist anders" nach Meister Eckhart (Theologie
und Philosophie 46, 1971 S. 387—396).

Zacherl, M.: Die vita communis als Lebensform des Klerus
in der Zeit zwischen Augustinus und Karl dem Großen
(ZKTh 92, 1970 S. 385—424).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Pesch, Otto Herrmann; Ketzerfürst und Kirchenlehrer. We3e
katholischer Begegnung mit Martin Luther. Stuttgart:
Calwer Verlag [1971). 47 S. 8° = Calwer Hefte zur Förderung
biblischen Glaubens u. christl. Lebens, hrsg. v-
T. Schlatter, 114. Kart. DM 2,50.

Aus langjährigen Untersuchungen über Luthers Theologie
entstand außer den bekannten Arbeiten Peschs zu Thomas
und Luther auch diese „katholische" Berichterstattung
über den Wandel der Beurteilung Luthers in der katholischen
Kirche. Pesch verbindet den Bericht mit einer speziellen
Studie zu Luthers These „Gerecht und Sünder zugleich •
Informativ und aktuell gibt Pesch zunächst die Hauptstationen
des katholischen Lutherbildes wieder. Er führt Texte
an aus dem Wormser Edikt, aus Cochläus, Denifle, Merkle,
Lortz, Pfürtner und Willebrands. Dann fragt er, wie es zu
so verschiedenen Urteilen und insbesondere zum Durchbruch
bei Lortz und dem Wandel seither kam. Die Antwort beschäftigt
uns hernach. Anerkennenswert ist der Versuch,
mit eigener theologischer Bemühung um das Verständnis des