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Ausgabe:

1972

Spalte:

368-369

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Clément de Rome, Épître aux Corinthiens. 1972

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

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vielen anderen Zusammenhängen erfolgt eine nachhaltige
Kritik an den Gelehrten, die sich in unfruchtbarem Streit
erschöpfen, statt die einfältige Wahrheit der Schrift glaubend
zu erfassen und dann auch entsprechend zu handeln.
So dient auch die theologische Fachdiskussion und alle Spekulation
nach Rothmann im Grunde nur der Flucht vor dem
schlichten Gehorsam. Die Bibel allein soll deshalb für die
wahren Frommen Norm sein; ihnen wird der Hl. Geist als
rechter Hermeneut dienen, so daß sie der menschlichen Auslegungen
nicht mehr bedürfen. Während die Theologen
Sinnbild stolzer, letztlich gottloser Weltweisheit sind, folgt
die heilige Gemeinde der »wahren Israeliten" der Anweisung
von Joh. 7,17.

Entsprechend wird auch das irdische Reich des Friedens
und der Gerechtigkeit in naher Zukunft von den Einfältigen
und Geringen heraufgeführt werden, die wie schon in der
Urgemeinde Gottes wahre Zeugen und Diener sind. Die
Restitution aller Dinge durch diese wahren Frommen steht
unmittelbar bevor, nachdem die Lutheraner auf halbem
Wege stehenblieben und so im Grunde Gott den ganzen Gehorsam
schuldig blieben. Zweifellos war Münster als Ausgangspunkt
dieser weltumspannenden Restitution gedacht.
Scharf polemisiert Rothmann in diesem Zusammenhang gegen
alle Theologen, die die prophetischen Zukunftsverheißungen
allegorisieren und spiritualisieren. Ein tatsächliches
irdisches Friedensreich, das in chiliastischer Terminologie
mehrmals als „dritte Welt" gekennzeichnet wird, steht vielmehr
bevor, das eine völlige Umkehrung alles Bestehenden
mit sich bringen wird. Schon Christus führte eine Restitution
durch, wie solche auch bereits in der alttestamentlichen
Geschichte erfolgt waren, aber sie war nicht von Dauer:
schon in der apostolischen Zeit begann aufs neue der Abfall
, der um 100 n. Chr. mit der Errichtung der frühkatholischen
Kirche im wesentlichen bereits zum Abschluß kam.
Papsttum und weltliche Herrschaft sind bis in die Gegenwart
„Greuel an heiliger Stätte", weil sie unter Vorspiegelung
christlichen Glaubens und Handelns Christi Werk ins Gegenteil
verkehren. Deshalb muß auch die weltliche Gewalt —
die übrigens als eine aus Machtbesessenheit geborene und
zunehmend depravierte beurteilt wird, obgleich ihr an sich
nach Gottes Willen auch eine die Ordnung erhaltende Funktion
zukommt — vollständig beseitigt werden, damit Christus
neuer König auf Erden werden und allen bisher Unterdrückten
und Verfolgten nach langen Jahrhunderten der
Läuterung im Leiden endlich ihren verdienten Lohn zukommen
lassen kann. War die wahre Taufe die Pforte zum engen
Weg, der allein zum Leben führt, aber nur von wenigen
beschritten wurde, so wird sich für die kleine Schar dieser
Weg jetzt vor aller Augen als der richtige erweisen. Dagegen
werden alle Unbußfertigen, alle Mächtigen und bisherigen
Verfolger einem erbarmungslosen Gericht anheimfallen
: der Tag der Rache naht, an dem ihnen alles Unrecht
zwiefältig vergolten werden soll. Sie hätten sich bekehren
können — Rothmann polemisiert ausdrücklich gegen die
Prädestinationslehre und tritt für die Willensfreiheit des
Menschen ein —, denn Gott hatte lange Zeit Geduld mit ihnen
; nun aber werden sie mit dem Schwert vom Erdboden
vertilgt werden, weil sich ohne ihre Ausrottung Frieden
und Gerechtigkeit auf Erden nicht realisieren können.

Man kann verstehen, daß die Münsterischen Täufer auf
Grund solcher Gedanken und Ziele auch von den Sozialrevolutionären
Kräften unseres Jahrhunderts als Kronzeugen
ihrer eigenen Bestrebungen betrachtet wurden. Entstanden
aber sind diese Gedanken aus innerstem Engagement für
die Sache des Glaubens, und das provoziert auch gerade den
heutigen Theologen zur Stellungnahme.

Rostock Gert Wendelborn

Allmen, J.-J. von: Reforme de L'Eglise et schisme dans
l'Eglise (Revue Theologique de Louvain 2, 1971 S. 451-458).

Alter, James P.: Anglicans in Meerut 1815-1915 (Indian
Church History Review 4, 1970 S. 93—145).

Bornkamm, Heinrich: Zeittafeln zur Kirchengeschichte. Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn (1971).
55 S. 8°. Kart. DM 7,80.

Butler, John F.: Further Thoughts an the South Indian
Crosses (Indian Church History Review 4, 1970 S. 73—78).

Cambell, Jacques: Glanes franciscaines: La Collection d'
Upsal (FS 53, 1971 S. 89—107).

Catao, Gomes F. X.: The Reformed Franciscans and the
Friary of Our Lady of the Cape, in Goa (Indian Church
History Review 4, 1970 S. 79—92).

Chenu, Marie-Dominique: Kontestationsphänomene in der
Geschichte der Kirche (Concilium 7, 1971 S. 575—579).

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Das Phänomen der Ent-
kirchlichung als Problem kirchengeschichtlicher Forschung
und theologischer Interpretation (NZSTh 13, 1971 S. 58-87).

Sieben, Hermann-Josef: Zur Entwicklung der Konzilsidee
(III) (Theologie und Philosophie 46, 1971 S. 364—386).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Clement de Rome: tpitre aux Corinthiens. Introduction,
Texte, Traduction, Notes et Index par A. Jaubcrt. Paris:
Les tditions du Cerf 1971. 276 S. 8° = Sources Chretien-
nes, dir. par. C. Mondesert, 167.

Die Reihe Sources Chretiennes ist eine Frucht der theologischen
Erneuerung im französichen Katholizismus, für
die der Rückgriff auf Theologie und Spiritualität der Alten
Kirche von bestimmender Bedeutung war. 1941 von den beiden
aus dem Jesuitenorden hervorgegangenen Gelehrten
Jean Danielou und Henri de Lubac gegründet, hat sie seither
in fast 170 Bänden patristische und mittelalterliche
Werke in zumeist hervorragend kommentierten zweisprachigen
Ausgaben einem größeren Leserkreis erschlossen.
Daß der 1. Clemensbrief erst zu so später Zeit Aufnahme
fand, erlaubte es, die Forschung des letzten Jahrzehnts, die
sich verstärkt diesem Schreiben zugewandt hat, in der Einleitung
und in den Anmerkungen zu berücksichtigen. D'e
Herausgabe ist Annie Jaubert übertragen worden, die durch
ihre Forschungen auf dem Gebiete des Spätjudentums und
als Oumranologin weithin bekannt ist und schon vor einigen
Jahren mit Arbeiten zum 1 Clem hervortrat1.

Sie hat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, den von J-
A. Fischer erarbeiteten Text2 übernommen. Die Ausgabe ist
leicht erschließbar durch den vorbildlichen, von Marie-
Louise Guillaumin erstellten Registerteil (S. 206—274), der
in fünf Abteilungen Personennamen, alt- und neutestament-
liche Zitate und Anspielungen, Parallelen aus Apokalyptf4
und verwandter Literatur, Bezüge zu antiken und frühchristlichen
Autoren und alle wesentlichen Vokabeln des
Briefes selbst ausweist.

Die ausführliche Einleitung (S. 13—96) geht in ihrem ersten
, literarisch-historischen Teil (S. 15—58) den klassischen
Einleitungsfragen nach, die in den Bahnen der Traditio0
entschieden werden: Entstehungszeit 95—98 n. Chr., der Autor
ein Apostelschüler, dessen Herkunft nicht sicher bestimmt
werden kann (S. 21), die Überlieferung über seine
bischöfliche Funktion in Rom kann als zuverlässig gelten
(S. 23). Wichtiger ist die Darstellung des zeit- und religionsgeschichtlichen
Hintergrunds. Die in der deutschen F°r"
schung von Knopf über A. v. Harnack bis zu Knoclv1 und K-
Beyschlag' immer stärker betonte jüdische Komponente
Denken des Clemens kommt den Intentionen der Herausgeberin
entgegen, die diesen aus einem von der hellenistischen
Kultur zwar berührten, aber nicht wesenhaft bestimmten
Diasporajudentum hervorgegangen sein läßt. Die kurze
differenzierte Darstellung des jüdischen Erbes im frühen
Christentum am Beispiel des 1 Clem erlaubt es ihr, die g€1"
stige Herkunft des Autors noch schärfer zu profilieren. Sie