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1972

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

362

Jj» sein umfangreiches Werk selber als „kleine Anregung"
™r die Erforschung des koptischen Stundengebets (S. XXXIX).
Und entsprechend kommt Q. weniger zu festen Ergebnissen
, als dafj er Probleme erkennt, aufgreift und definiert.
Das Hauptproblem ist der Ursprung und die Entwicklung
«es koptischen Stundengebets. Es besteht bisher eine tabula
rasa zwischen den Zeugnissen über das gemeinschaft-
Khe Abend- und Morgengebet des frühen ägyptischen
Mönchtums und dem heutigen, aus sieben Hören bestehenden
Offizium, dessen älteste Belege, wie gesagt, bis ins 14.
Jh. zurückgehen. Ist das koptische Stundengebet überhaupt
•n den Klöstern entstanden (und nicht in den Gemeinden)?
Und wie haben sich im Prozeß der Entwicklung das Offi-
z'um der Mönche und das Offizium der Gemeinde gegenseitig
beeinflußt? Zu den Problemen, mit denen sich Q.
erumschlagen muri, gehört ferner der byzantinische Ein-
'u5 auf das koptische Stundengebet und dessen Relevanz.
~- versteht nun aber das durdi M 574 bezeugte Offizium
keineswegs einfach als Stufe einer gradlinigen Entwickjung
fischen den genannten Punkten, sondern als einen zeit-
llch und örtlich begrenzten Seitentrieb (S. 346). Gleichwohl
Erweist es sich als fruchtbar für vorsichtige Rückschlüsse
auf die Gesamtentwicklung. Von Q.s diesbezüglichen Hypothesen
fallen zwei besonders ins Auge: Q. erschließt hinter
er späteren und jetzigen Mitternachts- und der Morgende
eine ältere Vigil (S. 184-186) und sieht die Wurzel der
ur die koptische Liturgie so typischen Gattung der Theo-
okie in dem Troparion des neutestamentlichen Canticum
tLk i und 2) ß 205-219).

ßerlin Hans-Martin Schenke

Jewett, Robert: Paul's Anthropological Terms. A Study of
Their Use in Conflict Settings. Leiden: Brill 1971. XVI,
499 S. 8° = Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums
und des Urchristentums, hrsg. v. O. Michel und M.
Hengel, X. Lw. hfl. 80.-.

Dieses umfangreiche Buch ist die im Sommer 1969 revidierte
Fassung einer 1964 fertiggestelten und 1966 von der

ubinger ev.-theol. Fakultät angenommenen Dissertation.
~J caP- I (S. 1—10) gibt J. Auskunft über Einsatzpunkt,
Methode und Ziel der Untersuchung: Ausgehend von Bult-
■flanns Paulusdcutung — nach Meinung J.s besagt sie, für

aulus sei Theologie Anthropologie —, will J. durch eine
erneute und neuartige Untersuchung der anthropologischen
Begriffe die Paulusdiskussion ausweiten und zur historischen
Analyse der paulinischen Theologie beitragen.
fcine erneute Untersuchung sei notwendig, da man bisher
^eder der unterschiedlichen Verwendung und Häufigkeit

er anthropologischen Begriffe in den einzelnen Paulusbrie-

en gerecht geworden sei, noch die gegenseitige Beziehung
^on Begriffen aus hebräischer und hellenistischer Tradition

efriedigend erklärt habe. Das aber könne nur durch eine
Neuartige Methode geschehen, nämlich durch eine Kontextanalyse
(contextual analysis), die sowohl von der historisch-
Kritischen, genetischen und literarkritischen Methode des

etzten Jahrhunderts als auch von der religionsgeschicht-

'ehen und theologischen Methode neuerer Zeit Gebrauch
mache. Mit J. Barr sei bei Begriffsanalysen der engere und
^eitere Kontext ernst zu nehmen. Ziel der Untersuchung
sei. die anthropologischen Begriffe innerhalb ihres literari-

cnen Kontextes und in Beziehung zu ihrer jeweiligen historischen
Situation umfassend zu überprüfen. — Cap. II
11—48) gibt an, welche Voraussetzungen J. in bezug auf

>e literarkritischen Fragen und die konkreten historischen

mstände der einzelnen Paulusbriefe macht: Hier sei lediglich
erwähnt, dafj J. auch EL Thess. für echt hält und dafj
er bei den Korintherbriefen Schmithals' literarkritischen
■"■ypothesen und Georgis Bestimmung der Gegner (Gnosti-

er und judenchristliche Wanderprediger) übernimmt. —
en Hauptteil des Buches bilden detaillierte Untersuchungen
der Begriffe sarx (S. 49—166), pneuma tou anthröpou
(S 167-200), söma (S. 201-304), kardia (S. 305-333), psyche
(S. 334-357), nous (S. 358—390), esö'exö anthröpos (S. 391
bis 401) und syneidesis (S. 402-^*60). J. beginnt jeweils mit
einer ausführlichen Forschungsgeschichte zu jedem Begriff
(die forschungsgeschichtlichen Abschnitte umfassen mehr als
ein Drittel des ganzen Buches) und analysiert dann ihre
Verwendung in den einzelnen Briefen. — In einem Schluß-
kapitel (S. 447—460) faßt J, die wesentlichen Ergebnisse für
jeden Begriff zusammen und stellt allgemein fest: Paulus
habe kein Interesse an einer konsistenten Anthropologie,
sondern er benutze die anthropologischen Begriffe je nach
Situation verschieden, um auf die eine oder andere häretische
Tendenz oder Bewegung in seinen Gemeinden zu reagieren
; die anthropologischen Begriffe seien nicht der Kern
der paulinischen Verkündigung, dienten vielmehr zu seiner
Verteidigung. — Eine ausführliche Bibliographie, Autoren-
und Stellenregistcr beschließen das Buch. Leider ist es gespickt
mit Fehlern, besonders bei den griechischen Akzenten
und in den deutschsprachigen Zitaten.

Die Besonderheit von J.s Buch ist in den ausführlichen
Forschungsberichten und in dem vor allem historisch interessierten
Einzelanalysen zu sehen. Deshalb ist eine ins Detail
gehende Würdigung dieses Buches schwerlich möglich,
so wünschenswert sie wäre. Ganz allgemein gilt: Zu bewundern
ist der stupende Fleiß des Autors, anzuerkennen, daß
er sich müht, gegen alle abstrakte Systematisierung und die
Eintragung eigener Konzeptionen in die paulinischen Gedanken
deren historische Bedingtheit und Eigenart zu erfassen
. Doch J. steht in der Gefahr, das Gewicht der Forschungsberichte
und der historischen Rekonstruktionen für
das Verstehen der paulinischen Theologie zu überschätzen.
So meint J. z. B., der Forschungsbericht zu kardia zeige,
wie schwer es sei, im Verständnis eines Begriffs Fortschritte
zu machen, wenn nicht Beträchtliches an Sekundärliteratur
über ihn geschrieben sei (S. 312) — als hinge das Erkennen
von Gedanken des Paulus an der Menge der Sekundärliteratur
und nicht am Verstehen der Primärliteratur, also der
Briefe des Paulus. Man mag J. noch darin zustimmen, daß
ohne den Versuch einer Rekonstruktion der historischen
Umstände eine „wahrhaft historische Exegese der anthropologischen
Begriffe" nicht zu erreichen sei (S. 7); aber daß
die wahrscheinlichsten historischen Annahmen so etwas wie
eine objektive und verifizierbare Grundlage der Exegese
liefern sollen (S. 10), das schreibt historischer Rekonstruktion
eine Objektivität zu, die sie nicht besitzt. Der Vorrang
theologischer Interpretation der Texte vor aller historischen
Rekonstruktion kommt bei J. offensichtlich zu kurz.

Münster Martin Rese

Beauchamp, Paul: La figure dans Tun et l'autre Testament

(RechSR 59, 1971 S. 209-224).
Bring, Ragnar: Paul and the Old Testament (StTh 25, 1971

S. 21-60).

Czerski, Janusz: Christozentrische Ekklesiologic im Matthäusevangelium
(Bibel und Leben 12, 1971 S. 55—66).

Dahl, Nils Alstrup: Widersprüche in der Bibel, ein altes
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Dupont, J.: Renoncer ä tous ses biens (Luc 14,33) (NRTh
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Gnilka, Joachim: Neue Jesus-Literatur (ThRv 67, 1971 S.
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— : War Jesus Revolutionär? (Bibel und Leben 12, 1971
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— : Das Kirchenmodell des Epheserbriefes (BZ 15, 1971
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Gross, Ulfried: Die biblische Hermeneutik (FS 53, 1971 S.
71-88).

Haufe, Günter: Exegese als Provokation — Zum 65. Geburtstag
von D. Ernst Käsemann (ZdZ 25, 197*1 S. 258—264).