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Ausgabe:

1972

Spalte:

360-361

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Quecke, Hans

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zum koptischen Stundengebet 1972

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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359

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

360

Schärfe bekommt diese Beurteilung der hymnischen Stücke
in der Apc durch J., der man zunächst in gewissem Umfang
zuzustimmen bereit ist, dadurch, daß er offenbar meint, nur
die Hymnen verkündigten in der Apc dieses Evangelium.
Er glaubt feststellen zu können, »daß die Apc ein düsterer
Torso würde, schälte man die Hymnen heraus" (S. 174); etwas
vorsichtiger S. 170: „Schälte man sie (sc. die Hymnen)
heraus, so würden dann die torsoartigen Schilderungen zum
Teil völlig unverständlich, zum Teil einseitig-mißverständ-
lich, der Zusammenhang der Kapitel und Ereignisse fehlte"
(ähnlich S. 168).

Nun ist es natürlich zweifellos richtig, daß die hymnischen
Stücke in der Apc einen festen und wichtigen Platz haben
und nicht ohne Schaden für die Komposition und Aussage
des Gesamtwerkes aus ihm herausgebrochen werden können
. Das ergibt sich schon daraus, dafj sie dem Werk nicht
gleichsam von außen zugesetzt worden sind, sondern mit
ihm zusammen vom gleichen Verfasser geschaffen. Denn
das hat die gründliche formale und inhaltliche Analyse der
fraglichen Stücke durch J. noch einmal bestätigt, dafj sie auf
den Kontext bezogene Schöpfungen des Verfassers der Apc
sind, nicht aber übernommene gottesdienstliche Formulare,
wobei im einzelnen eine Beeinflussung durch liturgische
Praxis freilich durchaus möglich ist. Auch andere Partien
der Apc können nicht ohne Schaden für das Ganze aus ihr
herausgelöst werden!

Daß aber nur die Hymnen und sie ausschließlich das
eigentliche Evangelium verkündigen, ist sicher nicht richtig.
Am deutlichsten wird das etwa 14,lff, wo das „neue Lied"
gar nicht mitgeteilt wird und dieses neue Lied auch kaum
als mit den Hymnen von 19,lff völlig identisch gedacht ist.
Auch die Kap. 5, 7 und 12 sind zwar ohne die Gesänge nicht
vollständig, man kann aber keinesfalls sagen, daß diese
Partien ohne sie düstere Torsos würden. Die Stücke 13,4;
16,5ff und 18,20 lassen sich überdies kaum ohne weiteres
als Evangelium bezeichnen. Im ganzen ist es wohl doch so,
daß die hymnischen Stücke den von Gott gesetzten Sinn des
Geschehens erschließen, dem sie zugeordnet sind, und daß
also die Interpretation G. Dellings im wesentlichen recht behält
, der die Funktion der gottesdienstlichen Stücke darin
sieht, „die apokalyptischen Vorgänge vom Glauben her zu
interpretieren, sie als Ereignisse zu deuten, die das Heilshandeln
Gottes — durch das Gericht an der Welt hindurch —
vollenden" (Ges. Aufsätze, 448).

J. freilich glaubt nachweisen zu können, daß zum mindesten
die Hymnen in 4,8—11 direkt das endzeitliche Handeln
Gottes an einem schlechthin entscheidenden Punkt darstellen
, ohne daß davon sonst Bericht gegeben würde. Zwischen
4,8 und 4,9 soll sich das Ergreifen des Buches von 5,1
durch Gott ereignet haben, d. h. die Gerichtseröffnung durch
Gott. Dieses Ereignis feiert nach J. die Antiphonie 4,9—11,
aus der ich freilich das in keiner Weise herauslesen kann.
Alle anderen Gründe aber, die J. für seine Interpretation
anführt (die Spannung zwischen 4,8 und 9, die unzweifelhaft
besteht, sowie die zwischen der Angabe 4,8', über die
fortgesetzte Darbringung des Trishagion und dem Gottesprädikat
6 Hoyn/iero; V. 8c, die kaum wirklich besteht;
das plötzliche Vorhandensein des Buches in der Rechten
Gottes in 5,1), sind mit den Mitteln einer Logik gewonnen,
die dem Gegenstand unangemessen sein dürfte. Die Gottes-
prädikation „der auf dem Throne sitzt" deutet schwerlich,
wie J. meint, auf Gottes Richteramt; es fehlen denn auch
die Belege dafür. Da für J. die Gerichtseröffnung bereits vor
Kap. 5 erfolgt ist, muß er der Zwischenszene 5,2—5a einen
anderen Sinn geben als den, in Aufnahme einer traditionellen
Darstellungsweise die Bedeutung der im Folgenden
geschilderten Vollmachtsübertragung (zur Eröffnung des
Gerichts) sowie die Bedeutung dessen, der beauftragt wird,
hervorzuheben. J. setzt voraus, daß von vornherein der
Messias, dem die Vollstreckung des Gerichts, nicht aber das
Richteramt selbst übertragen werden soll, gesucht wird, und

findet darin, daß diese Suche zunächst erfolglos ist, die unerfüllte
jüdische Messiaserwartung abgebildet.

Richtig sagt der Vf. in seiner Zusammenfassung (S. 167),
„daß die Hymnen Responsionen auf ein Handeln Gottes bzw.
des Christus sind". Nur ist das Handeln, dem die Hymnen
respondieren, auch im Kontext selbst jeweils geschildert. Daher
sind die Hymnen denn auch nur von ihrem Kontext her
zu verstehen, den sie ihrerseits tiefer erschließen.

Im übrigen ist die Untersuchung der einzelnen hymnischen
Stücke durch J. umfassend und gründlich und trägt
wesentlich zu ihrem formalen und inhaltlichen Verständnis
bei. Da sie eng auf den Kontext bezogen sind, fällt auch auf
diesen z. T. neues Licht.

In einem Anhang setzt sich der Vf. zusammenhängend
mit einer Frage auseinander, die bereits in dem ganzen
Hauptteil des Buches eine bestimmte Rolle spielte, nämlich
ob in der Apc eine Gottesdienststruktur erkennbar würde.
Diese Frage wird entschieden und, wie mir scheint, zu Recht
verneint.

Halle/Saale Traugott Holtz

Quecke, Hans: Untersuchungen zum koptischen Stundengebet
. Louvain: Universite Catholique de Louvain, Institut
Orientaliste 1970. XL, 552 S., 1 Taf. 8° = Publica-
tions de l'Institut Orientaliste de Louvain, 3. bfr. 1100.—-
Der Vf., der sich bereits durch zahlreiche Spezialuntersuchungen
zu Texten und Problemen der koptischen Liturgie
einen Namen gemacht hat, legt hier nun ein von imponierender
Materaikenntnis und äußerster Akribie zeugendes
umfangreiches Werk zu einem besonders schwierigen und
dunklen Komplex aus diesem Bereich vor. Es kann geradezu
als beispielhaft dafür gelten, was ein Text hergibt, wenn
bei dem Editor die Kenntnis der Sache, von der der Text
handelt, genauso vorzüglich ist wie die Beherrschung von
dessen Sprache. Q.s Werk ist im wesentlichen eine Edition
(S. 349—445) und liturgiegeschichtliche Auswertung (S. 91
bis 348) eines Teiles (nämlich p. 127—149 und p. 176—178)
der Handschrift M 574 aus der Pierpont Morgan Library-
Ergänzend tritt hinzu die Edition bzw. Neu-Edition kleinerer
, verwandter Texte, die schon bei der vorhergehenden
Analyse des Haupttextes eine wichtige Rolle gespielt haben.
Es sind dies: (P. 8115 und 8099 der Staatlichen Museen zu
Berlin) (S. 446—448); MS. Or. 5297 (4) des Britischen Museums
(S. 449—453); P. 488 Yale (Vorderseite, Zeile 1—3) (&
454-^57); Perg. Heid. Kopt. Nr. 35 (S. 458-^67); die Handschrift
924.68.2 des Royal Ontario Museum (f. 2'—22' und
f. 32) (S. 468—487); die koptische Handschrift Nr. 68 der
Bibliotheque Nationale zu Paris (S. 488—505); MS. Clarendon
Press b. 3, Nr. 17 (S. 506—511); die Schreibtafel Nr.
037 des Britischen Museums (S. 512—515); das Ostrakon
E. 370 der Königlichen Museen für Kunst und Geschichte zu
Brüssel (Außenseite, Zeile 21ff) (S. 516—518); das koptische
Blatt 129 (20), fol. 147 der Bibliotheque Nationale zu Paris
(Rückseite, Zeile 4ff) (S. 519—525).

Der Haupttext, M 574 (p. 127-149. 176-178), im letzten
Jahrzehnt des 9. Jh. geschrieben, stammt aus dem Fayum.
ist teils griechisch, teils in einem Sahidisch mit fayumischen
Einschlägen abgefaßt und spiegelt (schon) ein komplettes,
sieben (?) Hören (Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, [Komplet,]
Nachtgebet) umfassendes Offizium wider. Demgegenüber
waren die bisher bekannten direkten Zeugen für das koP"
tische Stundengebet, das Horologion und die Psalmodie,
samt und sonders bohairisch und reichten nicht über das
14. Jh. zurück. Schon darin zeigt sich der liturgiegeschichtliche
Wert von M 574, den Q. nun in diffizilster Feinarbeit
auf Grund seiner unerreichbaren Kenntnis der Liturgie und
liturgiegeschichtlichen Probleme — nicht nur der koptischen
Kirche, sondern der orientalischen Kirchen überhaupt
des näheren bestimmt, wovon in diesem Rahmen einen Eindruck
zu vermitteln allerdings unmöglich ist. Q. versteht