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Ausgabe:

1972

Spalte:

358-360

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jörns, Klaus-Peter

Titel/Untertitel:

Das hymnische Evangelium 1972

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

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historische Aspekte nicht ganz beiseite bleiben, doch müsse 4. Schließlich wird für die innere Kohärenz des Abschnit-

über Art und Maß ihrer Verwendung jeweils von der Natur tes auch auf die formale Entsprechung der bei Mt von den

des zu untersuchenden Materials her entschieden werden Leidenankündigungen eingeleiteten Abschnitte verwiesen:

(S- 5)- sowohl in 16.21-28 als auch in 20,17-28 und 17,22-18,35

Der Abschnitt Mt 17,22—18,35, mit dem sich Thompson liege das Schema „prediction-instruetion" vor, wobei die

beschäftigt, kommt diesem Ansatz insofern entgegen, als er Instructions jeweils nach dein Schema „Dialogue—Sayings

der Literarkritik nur beschränkte Möglichkeiten läßt: von to the Disciples—Dialogue" gegliedert seien (S. 94). Aber

den 41 Versen haben nur 11 bzw. 7 eine Parallele bei Mk, kann man dieses Gliederungsschema uneingeschränkt als

bzw- Lk, während 23 matthäisches Sondergut darstellen. matthäische Eigentümlichkeit gelten lassen, wenn man er-

Auch der Umstand, daß es sich vorwiegend um Redenmate- kennt, daß es bereits bei Mk vorliegt? Wird man nicht eher

f'al handelt, legt von vornherein die Vermutung nahe, daß im Gegenteil Mt 18,1—7 als Dialog anzusehen haben und

■er ein sehr stark von den schriftstellerischen Intentionen von da aus folgern müssen, dafj Mt durch Einfügung von

des Redaktors bestimmter Abschnitt vorliegt. Thompson 17,24—27 das markinische Schema durchbrochen hat?

0l9t in seiner Analyse einem Zweitakt-Verfahren i zunächst Die größten Meriten dieser Untersuchung scheinen mir

untersucht er jede Sinneinheit „vertikal", d. h., er geht dem darin zu liegen, daß sie in geduldiger Kleinarbeit wesent-

ext Vers für Vers nach, um matthäische Stileigenheiten und liehe Merkmale der matthäischen Kompositionstechnik auf-

"edaktionstechniken zu erheben. Es folgt dann eine „hori- deckt, z. B. Wiederholungen von Stichworten und -wendun-

z°ntale" Untersuchung, d. h. ein Vergleich mit den markini- gen in paralleler oder schematischer Anordnung, Chiasmen,

d n UnC* m^an'scnen Parallelen, durch den entschieden wer- Echowirkungen, d. h. bewußt herbeigeführte Anklänge an

en soll, ob literarische Verbindungen zwischen ihnen und Vorhergegangenes. Nur erhalten diese an sich stichhaltigen

. attr>äus bestehen und welche Fassung die ursprünglichere Beobachtungen ein zu einseitiges Gewicht, weil sie nicht von

'st (S. 6f). Wobei es dem methodischen Ansatz entspricht, daß traditionsgeschichtlichen Überlegungen flankiert werden.

c ei9entlichcn Entscheidungen schon jeweils in der „verti- Das so entstehende Bild des Evangelisten und seiner Gc-
V k ^nalyse fallen; die »horizontale", die schon räum- meinde bleibt flächig, weil es die Möglichkeit nicht in Rechungleich
knapper ausgefallen ist, hat lediglich ergän- nung stellt, daß hier bereits eine Auseinandersetzung mit
den Charakter; sie will die vorab gewonnenen redak- überkommenen, in unterschiedlichem Maße rezipierten Transgeschichtlichen
Ergebnisse nicht mehr in Frage stellen, ditionen ihren Niederschlag gefunden hat. Dabei hätte der
d'fi ■ um9ekenrt von ihnen her Argumente für eine Mo- behandelte Abschnitt mindestens an zwei Stellen die Frage
Gerung der Zweiquellentheorie gewinnen. nach dem Verhältnis des Mt zu der von ihm wiedergegebe-
Thornpson möchte nachweisen, daß die Gemeindeordnung nen Tradition nahegelegt: Kann z. B. 17,24—27 noch, wie
Icnt erst mit 18,1 einsetzt, sondern bereits mit der zweiten Thompson das möchte, als Spiegelung der realen Verhält-
,°idensankündigung (17,22f), die auf diese Weise die Be- nisse der matthäischen Gemeinde verstanden werden? Er
eutung eines theologischen Leitmotivs erhält. Die Begrün- erkennt mit Recht, daß der Skopos, den Mt dieser Perikope
^n3 dafür will er aus stilistischen und kompositionstechni- unterlegt, die Freiheit der „Söhne" über den Tempel ist, die
^c en Beobachtungen gewinnen, von den die wichtigsten sich in der Überlegenheit Jesu über das Jerusalemer Heilig-
kurz diskutiert seien: tum gründet. Das aber widerspricht seiner historischen Er-
J- Matthäus habe eine deutliche geographische Verklam- klärung, wonach Mt mit dieser Perikope die Frage seiner
j^rurig vorgenommen, indem er in 17,22 Galiläa und in judenchristlichen Gemeinde, ob sie sich an der Steuer zum
•24 Kapernaum einführe und in 19,1 den Abschied Jesu aus Unterhalt des Synedriums von Jabneh beteiligen sollten,
srKi 3 crwänne- Er wolle damit diesen Abschnitt als Ab- habe beantworten wollen (S. 68). Denn abgesehen von allen
■ mß dcs rnessianischen Wirkens Jesu an Israel charakte- damit verbundenen Unwahrscheinlichkeiten würde diese
Sleren. Dieses Argument ist aber nur dann tragfähig, wenn Situation von dem matthäischen Skopos doch schwerlich ge-
^acngewiesen werden kann, daß Mt hier nicht abhängig ist troffen! Auch das widersprüchliche Nebeneinander von 18,
930 entsprechenden geographischen Angaben in Mk 18—20 und 16,17—19 verlangt m. E. zwingend nach einer
st vUnd 33a' Zu diesem Nachweis bedürfte es aber eines traditionsgeschichtlichen Erklärung. Die Notwendigkeit dazu
9 30 C" Indizes- als es die leichte Differenz zwischen Mk scheint Thompson zwar erkannt zu haben (S. 194), aber sein
TT* xaQcxonevorro dm r>/» lahlalac;) und Mt 17,22 (ovoiQe- methodischer Ansatz gibt nicht die Möglichkeit, ihr gerecht
22**»» &* aötär er tfj ra).dam) darstellt, die sich m. E. im zu werden.

läßt"10" der Zwei1ue"enthe°rie relativ einfach erklären Homburg Jürgen Roloff

an H'Im übrigen fehlt das Galiläa-Motiv in 18,1; zumindest

le f if|SCr für dic HyPotnese Thompsons entscheidenden Stel-

'ehlt also die geographische Verklammerung! Jörns, Klaus-Peter: Das hymnische Evangelium. Untersu-

jj '^tthäus habe die Zusammengehörigkeit des Abschnitts chungen zu Aufbau, Funktion und Herkunft der hymni-

r«i die weitgehende Parallelität der Zeitangaben in den sehen Stücke in der Johannesoffenbarung. Gütersloh i Gü-

"'eitungssätzen 17,22a, 17,24a, 17,25b und 18,1 zum Aus- tersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1971]. 206 S. gr. 8" =

™U* bringen wollen. Als Begründung dafür zieht Thomp- Studien zum Neuen Testament, hrsg. v. G. Klein, W. Marx-

säb anal°9e Parallelität der redaktionellen Einleitungs- sen- W. Schräge, 5. Lw. DM 44,-.

redu Wundel'zyklus 8,lff heran (8,1a; 5a; 14a; 16a). Aber Der Titel des Buches faßt sein Ergebnis prägnant zusam-

tun Z!ert S'cl1 diese Beobachtung nicht bei näherer Betrach- men. Die hymnischen Stücke der Apc haben die Funktion,

Und9 auf d'e simple Tatsache, daß Mt mit Vorliebe die Zeit- „die frohe Botschaft von der bei Gott beschlossenen und

Kon . san9aDen seiner Vorlagen in Genitivus-absolutus- bereits angehobenen Vollendung zu verkünden. Mitten

ruktionen umschmilzt? in der schon im Fluß befindlichen Auseinandersetzung zwi-

j f Fra9Hch erscheint mir auch der Versuch, die Wendung sehen Kirche und dem im Antichrist verkörperten, gestürzten

ieajv" T/' m a^S erzan'cr'sche Verknüpfung mit Satan blicken die Hymnen auf das Ende, das den Sieg Gottes

^ell V°rller9e9an9enen zu deuten. Thompson will jene Mt- und die Hochzeit des Lammes bringen wird. Gott kommt

tj, an denen diese oder ähnliche Wendungen Zäsuren (4,8). .. . Die Botschaft der Hymnen können wir also als

Weis n B' 11,25; 13,1; 22-23 ; 26,55) durch den Ver- das .Hymnische Evangelium' bezeichnen... Entsprechend

let^l au^ 26,47.50.55 relativieren. Er übersieht dabei, daß die der Ambivalenz des Kommens Gottes und seines Christus

tr, enannten Stellen als Bestandteil der Passionsgeschichte in Heil für dic Gläubigen und Unheil für die Widergöttli-

tier ' 10ns9cscnichtlich eine völlig andere Ebene repräsen- chen ist das ,Hymnische Evangelium' Tröstung und Aufruf

zum Jubel und Paränese zugleich" (S. 174). Die eigentliche