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Ausgabe:

1972

Spalte:

351-352

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Preuß, Horst Dietrich

Titel/Untertitel:

Verspottung fremder Religionen im Alten Testament 1972

Rezensent:

Kapelrud, Arvid Schou

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

352

unternommen, so etwas wie eine Totalerkenntnis von der
Welt zu ermitteln.

Das ist nur bei Kohelet anders, der als ein von der Tradition
weithin gelöster Einzelgänger dasteht. Unbeteiligt zuschauend
will er eine letzte zusammenfassende Abstraktion
finden. Statt Ordnungen, die ihm heilsam zugekehrt waren
, fand er bloß ein stummes und abweisendes Draußen.
Der Grund für die resignierend pessimistische Haltung Ko-
hclets liegt nach von Rad nicht, wie man gewöhnlich meint,
an der überlegenen Schärfe und Nüchternheit seiner Beobachtungsgabe
, die ihm von „dogmatischen" Vorurteilen
befreit habe, sondern an einem Verlust an Vertrauen. Die
alten Weisheitslehrer sprachen von einem grundsätzlichen
Vertrauen aus, einer Gewißheit von lebendigen und sinnvollen
Bezügen zu den Widerfahrnissen. „Einem, der in
einem grundsätzlichen Vertrauen geborgen ist, können die
Widerfahrnisse anders erscheinen als einem von der Skepsis
Angefochtenen. Ja, man muß noch einen ganz entscheidenden
Schritt weitergehen: sie .erscheinen' ihm nicht nur anders
, sondern sie sind und werden selbst anders! Der Vertrauende
stößt auch auf Vertrauenswürdiges" (S. 305). Der
Prediger ist eines solchen Vertrauens nicht mächtig. Die
undurchsichtigen Widerfahrnisse und Geheimnisse des Lebens
empfindet er als unerträgliche Unstimmigkeiten, die
sich nicht mehr verrechnen lassen.

Hat sich Kohelet von der Tradition weithin entfernt, kann
man bei Sirach eher von einer Akzentverschiebung im Verhältnis
zu den älteren Weisheitslehrern sprechen. Sirachs
Vertrauen an ein recht praktisches Erkennungsvermögen
ist unerschüttert. Was ihn fasziniert, ist jedoch eigentlich
nicht das Erkenntnissuchen, sondern der Erkenntnissuchende
, und das heißt der Fromme. Eine Konzentration auf
das Religiöse und sogar Pietistische ist in Sirachs Erkenntniswillen
unverkennbar.

Der immer wieder begegnende Versuch, die alttestament-
liche Weisheit, und zwar vor allem ihre späteren Phasen,
als eine lebensferne Weisheitsdogmatik darzustellen, ist
durch von Rads Interpretation sehr fraglich geworden. Ein
dogmatisch versteiftes Lehrsystem ist in der Weisheitsdichtung
nirgends zu finden, statt dessen aber ein Dialog, in
welchem den konkreten Erfahrungen der Vorrang gegen-
ber allen abtrakten Lehren zuerkannt wird. Das Diskusso-
risch-Dialogische tritt in den einzelnen didaktischen Schriften
überall zutage und ist als ein Charakteristikum der Weisheit
Israels überhaupt anzusehen.

Eine erstaunliche Kongenialität mit ihrem Gegenstand
prägt durchaus von Rads Studie. Als Kennzeichen der israelitischen
Humanitas hat er den Ausdruck rohab leb (1 Kön
5,9) herangezogen. Sein Buch über die Weisheit Israels
könnte kaum besser charakterisiert werden: Weite des Herzens
und des Geistes.

Lund Gillis Gerleman

Preufj, Horst Dietrich: Verspottung fremder Religionen im
Alten Testament. Stuttgart—Berlin—Köln—Mainz: Kohlhammer
[1971]. 317 S. gr. 8° = Beiträge zur Wissenschaft
vom Alten und Neuen Testament, 5. Folge, hrsg. v. K. H.
Rengstorf u. L. Rost, 12. Lw. DM 76,—.
Der Vf. fängt mit den Vorfragen an: Verständnis und Abgrenzung
des Themas, und die Eigenart Israels und seines
Gottes innerhalb der Umwelt. Danach geht er auf seine eigentliche
Aufgabe zu: die spottende Religionspolemik aus
der Zeit vor der Schriftprophetie, weiter die vorexilische
Schriftprophetie sowie andere Texte aus dieser Zeit, dann
exilische Texte vor und neben Deuterojesaja, so Deutero-
jesaja und direkt von ihm abhängige spätexilische Texte,
nachexilische Texte und Texte der sogenannten zwischen-
testamentlichen Zeit. Zuletzt sammelt er seine Resultate in
einer Zusammenfassung. Die notwendigen Register folgen
dann.

Die spottende Religionspolemik hat in Israel keine eigene
Literaturgattung geschaffen, findet sich aber innerhalb des
Alten Testaments nicht selten. Ein religiöses Spottlied oder
eine religiöse Spotterzählung als eigenständige Größen gib'
es nicht. Innerhalb der erzählenden Gattungen treten reh-
gionsverspottende Motive meist in den Sagen auf, zu deren
Eigenart sie auch gut passen.

Bei den Propheten ist bemerkenswert, daß Arnos sich in
seiner Verkündigung mehr gegen das soziale Unrecht Israels
gewendet hat, deshalb kennt er nur wenig explizite Polemik
gegen fremde Gottheiten. Hosea, der auch sonst sprachschöpferisch
tätig war und eine reiche Bildersprache mit
vielen, oft gewagten Vergleichen bringen konnte, hat auch
hier die geprägten Termini des Spottes durchgesetzt und
motivgeschichtlich wirksam gemacht. Es ist nicht das Deu-
teronomium, sondern Hosea, wo der Umschlag von der
stärker noch erzählend-spottenden Polemik zum thematisch
reflektierenden und argumentierend konzentrierten Reh"
gionsspott erfolgt.

Ohne Zweifel bildet die Verkündigung Hoseas den ersten
Schwerpunkt in der geschichtlichen Linie. Jeremia ist durch
Hosea beeinflußt und von ihm abhängig, und er ist es, der
vor Deuterojesaja als dem dritten Schwerpunkt der spottenden
Götzenpolcmik an zweiter Stelle genannt werden
muß.

Wesentlich und typisch für die alttestamentliche spottende
Götzenbildpolemik ist die zu allen Zeiten, in allen einschlägigen
Texten und überall erfolgende Identifizierung von
Götzen und Bild. Wenn die Bilder nicht helfen können,
zeigt das nur, daß ihre Götter ebenfalls nicht können. Bild
und Götze sind identisch. Der Götze ist nicht mehr als sein
Bild, ist nichts als das Bild.

Jahwe dagegen stand der Welt als Schöpfer gegenüber
und war ihr nicht immanent. Er war als der lebendige Gott
nicht darstellbar und auch an kein Bild zu binden. Die Götzen
waren Jahwe gegenüber stets die Ohnmächtigen. Er
dagegen war alles das, was sie nicht waren i der Handelnde,
der Schöpfer, der rettende, hörende, helfende, geleitende
und mitgehende Gott. Erhabenheitsaussagen und Depoten-
zierung, Preis Jahwes und Spott über die Götzen sind zusammengehörige
Gegensätze.

Die Ballung der religionsverspottenden Texte in der Zeit
des Exils mit dem Spott als Trost, als Gewißheit der Hoffnung
und mit der rückblickenden Gerichtsmotivierung gibt
dem Vf. Veranlassung, die Frage zu stellen, wo der letzte
Grund des Religionsspottes liegt. Nach der Auffassung des
Vf.s ist es der Jahweglaube selber in seinem Kern, der die
Basis gibt für die spottende Sicht fremder Religionen und
Götter (S. 278).

Das ist natürlich richtig, aber eigentlich nicht mehr, als
was man ohne weiteres wissen kann. Hier würde man gern
eine tiefgehende Analyse sehen, jedenfalls einen Versuch,
eine solche Analyse durchzuführen. Das tut der Vf. kaum-
Er hat seine Stärke in der deskriptiven Arbeitsweise, und
da hat er gute Arbeit geleistet. Wenn es zu der Analyse
kommt, wird er oft zu allgemein, obwohl er immer wieder
Ansätze macht, Einzelursachen zu finden. Er macht feine
Beobachtungen zu Gen 1 (S. 178—192), aber sie führen ihn
eigentlich nicht zum Ziel.

Das Buch bringt umfangreiches Material, das gut vorgeführt
wird. Es beleuchtet ein bedeutungsvolles Phänomen
in der alttestamentlichen Religion, das sonst nicht allzuviel
behandelt worden ist.

Oslo Arvid S. Kapelrud

Martin-Achard, Robert, Prof. Dr.: Approche des psaume5-

Neuchätel: Delachaux et Niestie [1969). 107 S. gr. 8° =
Cahers Theologiques, 60.

Bis auf den Beitrag „Remarques sur Psaume 8" enthält
der angezeigte Band, für den man dem Verfasser und dem