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Ausgabe:

1972

Spalte:

349-351

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rad, Gerhard von

Titel/Untertitel:

Weisheit in Israel 1972

Rezensent:

Gillis, Gerleman

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 5

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schon in vielen Hinsichten bei einer ersten orientierenden heitsgedichte auf ihren eigenen Aussagegehalt ablauschen.
Lesung einfacher Texte ein zuverlässiger Führer sein. Er will die fundamentalen Erfahrungen der Weisen ernst
Einzelbemerkungen : Bei der schnellen Vorbe- nehmen und den spezifischen Fragestellungen und geistig
reitung und der Zusammenarbeit so vieler Gelehrter ist es religiösen Spannungen, in denen sich die weisheitlichen
kein Wunder, daß die Bearbeitung nicht immer ganz konse- Aussagen bewegen, nachgehen. Das überall gegenwärtige
quent einheitlich durchgeführt ist, z. B. ist bei 3arek,'orek Problem in seinem Buch ist ein theologisches: wie ist die
die Wortverbindung mit ruah nicht aufgenommen, dagegen alttestamentliche Weisheit zu bewerten, wenn man sie in
wohl bei qaser qoser — 'Etmol ist mit Recht auf drei ver- dem Verstehenshorizont sieht, der vom Jahweglauben geschiedene
Weisen buchstabiert, aber ein Hinweis auf temol setzt war? Diese Bemühung, die Wirklichkeit so zu sehen,
fehlt ebenso wie umgekehrt; bei dem ersten Wort würde wie Israel sie sah, d. h. als eine immer wieder aus dem
man die Verbindung mit silSom erwarten (ebenso wie um- Zentrum des Jahweglaubens begründete humanitas, hat
9ekehrt), das zusammen mit -"etmol eine stehende Redens- reiche Früchte eingebracht. Das erstaunliche theologische
art bildet mit der Bedeutung: früher. — Bei 'isai wäre ein Fingerspitzengefühl, das dem Verfasser eigen ist, gibt sich
Hinweis auf Jisai wertvoll gewesen — Bei cat und 3at wird in der Interpretation zahlloser Einzeltexte überall zu er-
mit Recht verwiesen auf die Formen mit dem Endungs-h, kennen und führt zu neuen wichtigen Einsichten.
warum nicht bei 5an auf >anah? — Bei 'ahor fehlt die ad- Gewöhnlich wird die israelitische Wahrheit — und das
Verbiale Bedeutung: zurück. — Bei 'eisun = Zeit würde ein gilt besonders von der älteren sogenannten Erfahrungs-
Hinweis auf Prov. 20üo und ein 1 mit Hinweis auf Prov. 7» Weisheit — als etwas theologisch Neutrales, ja fast als ein
erwünscht sein. — 'oi ist neben Angstruf auch Drohung. — Fremdkörper in der Welt des Alten Testaments betrachtet.
Ist die Erklärung von -ürim und tummin so sicher, daß ein Nicht verwunderlich, denn die Sentenzen beschäftigen sich
Fragezeichen fehlen darf? Ebenso würde dasselbe Zeichen ja hauptsächlich mit den alltäglichen und manchmal trivia-
Passen zu ■'ittim Beschwörer wie auch die Übersetzung To- len Erscheinungen einer durchaus innerweltlichen Erfah-
tengeist (?). — Bei Etanim als Monatsname wäre jerah er- rungswirklichkeit. Es kommt hinzu, daß der Stoff der Sen-
^unscht gewesen; bei 'ophen: 'al; bei 'arak hi. auch die tenzen weitaus gemeinorientalisch ist. Ja, man kann noch

edeutung lang sein; bei 3akal q. auch verzehren. Bei 3Eli- weiter gehen. Selbst der Glaube, daß hinter den Erschei-

sah würde man wohl auch Cypern erwarten, bei -"Arwad: nungen und Abläufen des Lebens gewisse Gesetzlichkeiten

uad. Der Name Sobebah hat in I Chr. 4s noch Ha. Für die erkennbar sind, ist an und für sich weder theologisch qua-

edeutung sll I q beben, wäre ein Hinweis auf Hab. 3,6 an- lifiziert noch exklusiv israelitisch. Daß der Mensch, wenn

gebracht gewesen. Warum bei salmawet nicht: 1. salmut er seinem wahren Nutzen dienen will, sich nach den gege-

(eventuell mit ?)? Ob zarzir Prov. 30 m corr ist bleibt zwei- benen Gesetzen der Natur und des Menschenlebens richten

telhaft. muß und daß diese Gesetze bis zu einem gewissen Grad er-

Ober die Zahl der Wortstämme kann man manchmal ver- kennbar sind, das wußte der antike Mensch auch außerhalb

^hiedener Ansicht sein, aber daß 'aiiil als Tiername und Israels.

aurnname auf eine Wurzel zurückgeht, ist m.E. sehr frag- Aber gerade in dieser Vorstellung von der Selbstoffenba-

• rung der Schöpfung hat von Rad ein wichtiges und über-
Bei aramäischen, persischen und anderen Lehnworten aus hilfreiches Mittel gefunden, um das Spezifische der is-

wurde eine ständige Verweisung auf ihre sprachliche Her- raelitischen Weisheit zu ermitteln. Alles hängt ja davon ab,

unft besonders wervoll sein für das Verständnis, auch des wie die Weisen die „Ordnungen" verstanden haben. Sie sind

hschen Wortschatzes. in Israel Gegenstand einer fortschreitenden Reflexion und

Utrecht Th. C. Vriezen Weiterentwicklung gewesen, und es läßt sich auf dem langen
Weg von der Schulweisheit der frühen Königszeit an
bis Sirach eine bestimmte Stufenfolge des Erkenntnispro-

p zesses beobachten. Als konstitutives und überall wiederzu-

M Cerhard von: Weisheit in Israel. Neukirchen-Vluyn: findendes Merkmal erscheint aber bei allen Schattierungen

Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins [1970). 427 S. der Glaube an eine dem Menschen zugekehrte Urordnung,

• Lw. DM 28,—. m £er Jahwe ordnend und richtend am Werk war. In der
°ie didaktische Literatur Israels gehört heutzutage keines- späteren Weisheitsdichtung wird diese Ordnung in perso-

We9s zu den versäumten Forschungsgebieten der alttesta- nifizierter Gestalt als „Weisheit" dargestellt, die sich den

^entliehen Wissenschaft. Vor allem sind Formwelt und Menschen spielerisch und liebend zuwendet (Prov. 8, Sir.24).

. erlieferungsgeschichte in zahlreichen Monographien und Von einer Identität mit den Schöpfungswerken ist keine

lnzelstudien gründlich untersucht worden. Ein wachsendes Rede. Und ebenso klar hebt sich die Weisheit von Jahwe ab.

außerisraelitisches Vergleichsmaterial hat auf die Vorge- Sie ist die von Jahwe bei der Schöpfung in die Welt dele-

Sc"ichte und die Überlieferungszusammenhänge der altte- gierte Weisheit.

Namentlichen Weisheitsthemata neues Licht geworfen. Was Mit dem Glauben an einen persönlichen Existentialbezug
J"ns a°er bis jetzt gefehlt hat, ist etwas viel Einfacheres und zwischen dem Menschen und seiner Umwelt hängt es zuerliegendes
: em entschlossener Versuch, die alttesta- sammen, daß die Weisheitsichrer kein Interesse daran ha-
mentliche Weisheit aus ihrem eigenen Vorstellungshorizont ben, ihr Welt- und Menschenverständnis mit Hilfe von be-
d von ihrer eigenen Intention her zu verstehen. Fast nie- grifflichen Abstraktionen und Sammelbegriffen zu ermit-
and hat sich ernstlich darum bemüht, die spezielle Denk- teln. Ein verläßliches Wissen um die umgebende Wirklichen
umj yertWelt, die den israelitischen Weisheitslehrern keit ist auf dem Wege eines kühl neutralen Betrachtens
9en ist, in ihren Grundtendenzen und als Elemente einer oder pauschalen Abstrahierens nicht zu gewinnen, sondern
J'ezifiseh israelitischen Bewältigung der Wirklichkeit zu nur im vertrauensvollen Umgang mit den Dingen. Uns ge-
er9egenwärtigen. läufige Begriffe, wie Natur, Welt, Geschichte usw., sind für
„ ^en diese Aufgabe hat sich Gerhard von Rad in seiner die Wirklichkeitschau der Weisheitslehrer wenig zutreffend.
. "die über die Weisheit in Israel gestellt, und das unbe- Mit den begrifflichen Abstraktionen fehlen auch große, über-
lrrte Festhalten an dieser Zielsetzung gibt seinem Buch greifende Erklärungsversuche. Während das Streben der
^"e Sonderstellung in der unübersehbaren Literatur über Griechen von Anfang an auf eine universale Erkenntnis der
Ie Weisheit. Von Überlieferungszusammenhängen, forma- Welt gerichtet war, mühen sich die alttestamentlichen Weisen
und inhaltlichen Abhängigkeiten, die die alttestament- heitslehrer um die Erkenntnis des jeweils Richtigen und
che Weisheit mit der altorientalischen verbinden, wird begnügen sich mit von Mal zu Mal sich darbietenden Erfah-
eni9 gesprochen. Von Rad will die Sentenzen und Weis- rungen. Auch die spätere Weisheit hat nicht den Versuch