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Ausgabe: | 1972 |
Spalte: | 313-315 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Gerber, Uwe |
Titel/Untertitel: | Disputatio als Sprache des Glaubens 1972 |
Rezensent: | Nierth, Wolfram |
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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4
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men. Außerordentlich lehrreich sind weiter die erkenn- stologie als Auslegung der Sprachlichkeit Gottes für den
baren Bemühungen Bonhoeffers um die Gewinnung einer Menschen" (320). Das „Wort" erhebt sich damit über eine
eigenen Denkform zum Gestaltproblem der Kirche. Einem „bloße Selbstmitteilung, vorstellende Entäußerung in
dualen Schema folgt Bonhoeffer nicht. Er hat auch die einen sichtbar-hörbaren Ausdruck" (313), es rückt in die
Soziologie der Kirche theologisch im Griff; der Bezug Wesensbestimmung einer Person ein (Luther). „Die com-
seiner Aussagen auf die empirische Kirche ist unmittelbar, munio f idelium ist als Ecclesia audiens und docens seu
auch dort, wo er die Linien nicht auszieht. Einiges, etwa praedicans... selbst Vollzug der disputatio theologica in
zurn Amtsbegriff und zum Bekenntnis, dürfte gegenwärti- den Strukturen des Verkündigens, Lehrens, Betens,
ge Debatten grundsätzlich berühren. Heutige Ansätze Hörens, Schweigens. Alle diese Strukturen sind Sprach-
und Entwürfe zu einer Lehre von der Kirche werden an weisen, Sprachereignis des einen Rechtsstreites Gottes per
den Bonhoeffer von 1932 anknüpfen können und müssen. verbum praedicationis" (303).
Die Rekonstruktion der Vorlesung ist aktuell bedeutsam. Der 3.Hauptteil eruiert nun die disputatio als Sprache
Ein Schönheitsfehler sei vermerkt. Die Angaben zu des Glaubens bei Luther, die er „in schöpferischer Ori-
Juan de Torquemada sind ungenau. In der Anmerkung ginalität" (Gerhard Ritter) schon bis 1520 zum Um-
zu S.26 erscheint er als Kardinal auf dem Konstanzer und gestaltungsinstrument des Erbes der Scholastik und ihrer
dem Basler Konzil. Er wurde es erst 1439! Zu überprüfen Autoritäten ausgebaut hat (als Beispiel für ihren Aufbau
wäre außerdem die Jahreszahl 1489 auf S.26. und Zweck dient die von 1518 in Heidelberg). Verstehen
Die „Meditationen" hat O.Dudzus mit außerordent- aber heißt in diesen Verfahren, sich selbst unter dem An-
hch kundiger Hand unter der Signatur „Treue zur Welt" spruch des res verstehen - die sich im „forensischen Ge-
aus entsprechenden Texten Bonhoeffers ausgewählt und schehen" des Ausrufens der promissio Dei an den „homo
ln sachlicher - nicht chronologischer - Zuordnung unter semper iustificandus" prädiziert - „um dieses Verstehen
der Markierung durch thematische Überschriften zu- dann disputativ mit der Gegenpartei in sein Recht zu
sammengestellt. Vier Abschnitte untergliedern das eine versetzen" (215). Im testimonium Spiritus sancti fallen
große Thema: „Liebe zur Welt", „Leiden an der Welt", das verbum internum und externum zusammen (222), wo-
>>oterben mit der Welt", „Erneuerung der Welt". Diese bei die dem verbum eigene Logik des Kreuzes das Evan-
»große Konstante" (Dudzus) in Bonhoeffers Leben er- gelium aus etwas scheinbar Selbstverständlichem zu etwas
Just sich als Schürfmeister in seinen Schriften. Die schlechthin Unverständlichem macht (Ebeling, Ev.
Sammlung erfüllt vollauf ihre Absicht, „Hilfe zur Medi- Evangelienauslegung. Darmstadt 1962, 380). „Darum ist
tation (zu) sein, beim Nachdenken über Gottes Treue das Wort hier nicht sokratisches (sc. thomistisch inter-
unsere eigene zu Gesicht zu bekommen..." (Vorwort, pretiertes) Verständigungsmittel, das als Hinweis auf ein
^;12). Das zeigt die Probe schon bei erster Lektüre. Diese potentiell Einsehbares an den geistigen Mitvollzug appel-
Weise der Wiedergabe ist Bonhoeffer adäquat. liert, sondern schlechthin autoritative Bezeugung: nicht
Halle Saale Rudolf Schulze ostensio, sondern testimonium. Dem entspricht, daß der
Mensch in die Stellung des schlechthin Hörenden verwiesen
wird." (Wilfried Joest, Ontologie der Person bei
Luther, Göttingen 1967, 288f.). Im Gegensatz zu dieser
Situation des Menschen coram Deo bei Luther stehen
Gerber, Uwe: Disputatio als Sprache des Glaubens. Eine Ein- nun bei Thomas Gott und Mensch als Subjekt und Ob-
führung in das theologische Verständnis der Sprache an jekt hinsichtlich der ordinatio hominis ad finem Deum
Hand einer entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung der gegenüber (229). Damit fallen auch die von Thomas her
Ä^atiS,u2d JareS Sprachvollzuges. Zürich: EVZ-Verlag ge3tuften modi essendi, intelligendi und significandi (lo-
8vtl]" ? 8™T ,Basler, Stud,en h'8ton8chf" und * di) bei Luther zusammenbDieses „existentielle Ver-
systematischen Theologie, hrsg. v. Max Geiger, lo, Lw. ^ . ' (l . ,,, , . , , * , t> j j
ßjj 33_ e. » e antworten fehlt aber in der theologischen Rede der
scholastici. Allerdings erhält der eschatologisclie Vor-
In die Vielzahl der hermeneutischen Bemühungen um behalt aller theologischen Sprache bei Uwe Gerber zu
Sprache unter theologischem Blickwinkel reiht sich wenig Gewicht und klingt einzig in dem Zitat von Peter
•08 Habilitationsschrift von Uwe Gerber ein, indem sie Meinhold (Luthers Sprachphilosophie, Berlin 1958, 13)
einen speziellen Aspekt aus diesem Problemfeld, den der an: „Die Bibel selbst ist ein Zeugnis für die in der Zu-
•^sputatio bei Thomas von Aquin und Luther, heraus- kunft erst ganz zu enthüllende Wahrheit, aber noch nicht
greift. Dieser ihr spezieller Charakter macht sie zu einem die volle Wahrheit selbst" (235). Die Wahrheit ist eben
trotz seines dankbaren Bezuges auf die bekannten Anre- eine erst in der Zukunft sich voll herausstellende Größe,
?er Heinrich Ott, Gerhard Ebeling, H.-G. Gadamer und keine sapienta speculativa noch scientia conclusionum aus
" alter Schulz (Wittgenstein. Die Negation der Philo- vorsprachlich gewußten articuli fidei heraus (gegen Tho-
sophie, Pfullingen 1967) nicht leicht lesbaren Buch, das mas). In diese Richtung weist schon die tentatio, die von
*J*n am besten von hinten liest, um von den heutigen Aus- der Verborgenheit der revelatio in verbo „selbst in der
Gerungen der Fragestellung ausgehend auf ihre theologie- Maske und Larve des Teufels" (288) ausgeht und die
geschichtlichen Wurzeln zurückzugreifen. Luther trotz aller Situationsdifferenz unserer „Grund-
, In dem sehr kurz geratenen 4.Hauptteil wird die glo- fraglichkeit" immer noch am Nächsten stehen läßt (gegen
Dale Bedeutung der Disputation gegenüber der „Ein- G. 279).
^'ttiensionalität der Sprache für die echt disputative Im 2. Hauptteil wird uns die Gegensatzfolie zu Luther
Prachlichkeit menschlichen Existierens" (319) im Rin- in Thomas von Aquins Position vorgeführt. Wahrend
gen zwischen der „verantwortlichen Vernunft" und der Luther den Menschen als Wort-Sein vom Verbum Dei
•.vernunftlosen Rationalität" (Georg Picht) aufgezeigt. praedicatum her versteht, begreift Thomas den Menschen
Aber auch die „res Dei" bedarf des inhaltlichen Verant- in seinem Sprachgebrauch und Sprache ontologisch als
Kortens „zwischen totaler Fraglichkeit und gewisser Ant- instrumentum coniunetum (246). Die discursiv-disputativ
*°rt" (G. 319) inmitten der Strittigkeit menschlichen verfahrende sacra doctrina - als einer scientia specula-
^ebens. Die „Wiedergewinnung des Wortes ,Gott' aus tiva auf dem Grund des liberum arbitrium - vermag die
em Worte Gottes" vollzieht sich in dem „Verstummen akzeptierten übervernünftigen Wahrheiten dennoch als
Und Sprechen von dem kontingenten Sprachgeschehen: nicht-widervernünftig darzulegen. Die aristotelische Lo-
esus^Christus", oder anders gesagt: „zwischen Gott und gik regelt das Begründen und Widerlegen, das Finden tritt
«ott" (Gerhard Ebeling). Damit erweist sich „die Chri- demgegenüber zurück. Die Sprache wird von der Christo-