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Ausgabe:

1972

Spalte:

309-312

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Auer, Johann

Titel/Untertitel:

Das Evangelium der Gnade 1972

Rezensent:

Gallinat, Reinhold

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

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70 Bände soll die geplante Gesamtausgabe umfassen - neren von Ratzinger (Bd. II: Das Geheimnis Gottes, und
ist die Auswahl einiger Schriften ein Wagnis. Die Gefahr zusammen mit A. noch VI: Das Mysterium Christi, und
einseitiger Akzentuierung, der Vernachlässigung wich- VIII: Kirche und Eschatologie). Sie will den Theologen
hger, für sein theologisches Denken konstitutiver Ele- als „kurzgefaßtes Lehrbuch" dienen und auf drei Momente
, wie sie sich nur beim Studium vor allem seiner mente besonders achten: 1) auf „die biblische Grund-
weitgespannten Dogmatik entdecken lassen, liegt nahe. legung", 2) auf „die Geschichte einzelner Lehren" und 3)
Aber der hier von der Ev. Verlagsanstalt in Berlin vor- auf „die innere Systematik der Lehre" (13). Dieses Pro-
gelegte, mit Sorgfalt zusammengestellte und mit einem gramm bestimmt schon sehr vorteilhaft den vorliegenden
instruktiven Geleitwort von Günter Jacob eingeleitete 5. Bd. zur Gnadenlehre, mit dem die Reihe eröffnet wird,
pand scheint mir durchaus geglückt. Die Herausgeber A. bietet das Gerippe seiner Vorlesungen (gelegentlich
bringen in fünf chronologisch geordneten Abschnitten sind Kollegverweise auf vorausliegende Traktate stehen-
solche Ausschnitte aus Barths Schrifttum, die wichtige geblieben). Er behandelt nach einem ersten Einführungs-
^tationen seines Weges markieren und auch dem mit kapitel den Stoff in vier Abschnitten: 1. Allgemeiner Heils-
Barths Werk Nichtvertrauten einen Zugang zu seinem wille Gottes und Prädestination (41 ff.), 2. „Der Weg zur
theologischen, kirchlichen und politischen Wollen ver- Rechtfertigung" (71 ff.), 3. „Rechtfertigung und Heili-
rnitteln. Aber auch mancher, der diese Texte kennt, wird gung" (91 ff.), 4. „Das Wirken in der Gnade" (195ff.). Am
dankbar dafür sein, sie in dieser Zusammenstellung griff- Ende findet sich ein Personen- und Sachwortverzeichnis
bereit zu haben. Am unbekanntesten wird der erste Vor- (irrtümlich nur „Personenverzeichnis" genannt). Jeder
trag („Die Gerechtigkeit Gottes") aus dem Jahr 1916 sein, Abschnitt wird untergliedert in Kapitel und Paragraphen,
der noch unbefangen von der „Posaune des Gewissens" Jedem Paragraphen steht eine kurze Auswahl von Lite-
redet, aber bereits für den späteren Barth charakteri- ratur voran.

stische Töne anschlägt. Als für den „frühen Barth" Das Buch unterscheidet sich merklich von anderen

charakteristisch können auch die Vorträge „Not und Ver- Lehrbüchern dieser Art. An die Stelle einer fortlaufenden

heißung der christlichen Verkündigung", „Das Wort Erklärung und Begründung von dogmatischen Sätzen

Rottes als Aufgabe der Theologie", „Kirche und Theo- unterschiedlichsten Gewißheitsgrades ist bei A. eine zu-

Jogie" wie der Aufsatz „Unerledigte Anfragen an die sammenhängende Darstellung getreten, die der inneren

■leutige Theologie" gelten, ganz zu schweigen von den Logik des Stoffes zu folgen versucht. Die gleichwohl

Vorworten zur 1. und 2. Auflage des Römerbriefes. Das unvermeidlichen Sätze werden überwiegend im 4.Ab-

^orwort zur Kirchlichen Dogmatik (1,1) „Theologische schnitt behandelt (18 gegenüber jeweils 2 in den Abschnit-

^xistenz heute!", der „Abschied" von „Zwischen den ten 3 und 1 und einem in Abschnitt 2), der an sich den

Reiten" und einige Vorträge („Das erste Gebot als theo- Eindruck einer Nachlese macht und in mancher Hinsicht

'°gisches Axiom", „Offenbarung, Kirche, Theologie", weniger befriedigt als die Abschnitte 1-3.

"Die Botschaft von der freien Gnade Gottes") kenn- Die theologischen Gewißheitsgrade sind erheblich redu-

^eichnen die christologische Konzentration B.s und sein ziert: Lehre der Offenbarung, Lehre der Kirche und Lehre

» erhalten im beginnenden Kirchenkampf. Einige Auf- der Theologie (letzteres auch nur in einem einzigen Para-

satze und Vorträge aus den späten Kriegsjahren und der graphen). Auf theologische Zensuren wird verzichtet.

•Nachkriegszeit („Die Kirche und die Kirchen", „Die Ketzerkataloge, mitunter bis in die Gegenwart fortgesetzt,

Protestantischen Kirchen in Europa - ihre Gegenwart finden sich in diesem Buch nicht.

uiid ihre Zukunft", „Verheißung und Verantwortung der Was zunächst auffällt, ist der Versuch, das Schrift-
christlichen Gemeinde im heutigen Zeitgeschehen", „Die Zeugnis nicht nur in der historischen Darstellung als Vor-
^Uordnung der Welt und Gottes Heilsplan") zeigen spann zur kirchlichen Tradition zu berücksichtigen, son-
ßarths Stellungnahme zum Zeitgeschehen und seine dern auch schon für die Beurteilung von Schulmeinungen
ökumenische Verantwortung. Die kleine Schrift „Rudolf und als Richtmaß für die Wahrheitsfindung auf unsiche-
"Ultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen" und der Vor- rem Gelände. Auch die Erkenntnisse moderner Exegese
j*ag „Das Geschenk der Freiheit" (eine knappe Grund- sind zugegen. Dies verhindert nicht, daß an anderer Stelle
legung der Ethik) dürften für den späteren Barth typische dann doch wieder Schriftzitate sehr unterschiedlicher Art
Äußerungen sein. Der abschließende Vortrag über „Die und Qualität (Joh 14,23 neben Hohes Lied 5,2 auf S.205)
Menschlichkeit Gottes" kann für den Leser ein Leitfaden nach der Konkordanzmethode aneinandergereiht werden
ftir das Ganze sein, der zeigt, wie Barth bei aller tief- und gelegentlich in massiver Häufung die Paragraphen
greifenden Wandlung dem eigentlichen Thema seiner füllen.

J-heologie treu geblieben ist, es freilich immer klarer for- Als Vorzug des Buches darf die meist sachkundige und

'iiulierte. Der Titel des Bandes „Gottes Freiheit für den verständnisvolle Behandlung der reformatorischen Posi-

-"enschen" bringt das treffend zum Ausdruck. tionen gelten, die bei der Gnadenlehre notwendig einen

Dieser Band mit seinen ausführlichen Erläuterungen, breiten Raum einnehmen muß. Dabei stellt sich A. er-

•^it Daten aus Barths Leben und der Übersetzung fremd- freulicherweise auf den jüngsten und sympathischsten

sprachlicher Stellen kann eine gute Einführung in Barths Zweig katholischer Lutherdeutung ein. O.Peschs große

y erk sein und Theologen wie Nichttheologen einen Ein- Monographie, Die Theologie der Rechtfertigung bei Mar-

^ruck davon geben, daß Theologie, die zur „Sache" und tin Luther und Thomas von Aquin (Mainz 1967), er-

2ugleich zur „Lage" redet, eine aufregende, aggressive scheint nicht nur in der Literatur zu bestimmten Para-

Und befreiende Angelegenheit ist, die der Resignation graphen, sondern schon im Index abkürzungswürdiger

«einen Raum läßt. Standardwerke.

Bonn Walter Kreck Mit besonderem Interesse liest man die Ausführungen

zur Rechtfertigung. A. behandelt im 2. Abschnitt „Die
absolute Unverdienbarkeit (Gratuität) der Gnade" und

* die „Vorbereitung auf die Gnade" und im 3. Abschnitt

Ue*j Johann: Das Evangelium der Gnade. Die neue Heils- die einzelnen Aspekte von Rechtfertigung und Heiligung.

Ordnung durch die Gnade Christi in seiner Kirche. Regens- 61 ; h ein„ang3 steht der eindeutige Satz: „Gnade ist in

bürg:f Pu8tet [1970]. 264 S. 8° => Kieme Katholische Dog- F J ^ Hmd freies Gnadengeschenk Qottes»

•Batik, hrsg. v. J.Auer u. J.Ratzinger, V. Kart. DM 12,80. j?3) Allerding3 kommen dann die %ekannteu Eiu.

ßie auf acht Bände berechnete Kleine katholische Dog- schränkungen, vorzugsweise unterbaut von Zitaten aus

^atik wird zum größeren Teil von A. besorgt, zum klei- dem Jakobusbrief. Vom Glauben wird gesagt, daß Luther