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Ausgabe:

1972

Spalte:

308-309

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Barth, Karl

Titel/Untertitel:

Gottes Freiheit für den Menschen 1972

Rezensent:

Kreck, Walter

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307

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

308

stanz in der aristotelischen Kategorienschrift erscheint ihr
als nicht genuin aristotelisch, d.h. nicht direkt von Aristoteles
selber stammend.

Im Unterschied dazu nimmt J.Moreau den Ausgangspunkt
von der Definition des sinnlichen, bestimmten
konkreten Einzelwesens als erster Substanz im Gegensatz
zu den Gattungen und Arten (als zweiten Substanzen) und
Akzidentien (als Nichtsubstanziellem) in der Kategorienschrift
... Daher sucht Aristoteles nach einem Individuum
oder mehreren Individuen, bei welchen substanzielle
Individualität und substanzielles allgemeines Wesen zusammenfallen
, und findet dies bei den immateriellen Substanzen
verwirklicht, hauptsächlich aber bei der absolut
ersten Substanz, dem göttlichen Geist als dem ersten
unbewegten Beweger, welcher auch die Substanzialität
aller anderen Substanzen begründet.

Auch P.Wilpert kommt anhand eines Einzelproblems
noch einmal auf diese grundsätzliche Problematik zurück,
wenn er als Hauptthema von Metaphysik Z,15 entgegen
den Ansichten früherer Forscher (etwa von Bonitz) nicht
die seinsmäßige Substanzialität des Individuums (welche
für Aristoteles nach Wilpert selbstverständlich ist), sondern
vielmehr das Problem der Def inierbarkeit des Individuums
sowohl auf der Ebene der sinnlich wahrnehmbaren
Substanzen als auch auf der Ebene der von Aristoteles
verworfenen Ideen Piatons erweist" (ebd., S.XIII-XV).

Ganz ohne Zweifel muß die Problematik dieser Substanz
(S.) für T.s 0. von entscheidendem Belang sein.

Zugleich zeigt sich aber deutlich, daß die bei T. damit
verbundene „Methode der Korrelation" (vgl. dazu etwa
S.Th. Bd.I, S.73ff.) hinsichtlich des von T. selbst dafür
gewählten Bildes der Ellipse (vgl. ebd., Bd.II, S.21)
immer unbefriedigend bleiben muß, insofern in einer
Ellipse das Verhältnis der beiden Brennpunkte zueinander
als das einer paradoxen Identität verstanden werden
muß: d. h. die Antwort ist immer schon in der Frage.

So müssen wir uns aber zur Position Gollwitzers (G.)
zurückgedrängt sehen, wenn dieser in unserem Zusammenhang
hinsichtlich der Frage nach „Gottes Existenz
als Gegenstand biblischer Verkündigung" (Die Existenz
Gottes im Bekenntnis des Glaubens, München 1964*,
S.162) zugleich festhält: ,,a) Die Untauglichkeit von Ist-
Sätzen" (ebd.) sowie ,,b) Die Notwendigkeit von Ist-
Sätzen" (ebd., S.169).

Das ist deutlicher aufgeschlüsselt, aber nichts anderes
als die Problematik, vor der T. selbst gestanden hat, ohne
ihr jedoch in seiner Fassung des Symbol-Begriffs wirklich
gerecht geworden zu sein (vgl. zum Symbol-Begriff T.s
z.B. G.W. Bd.V, S.196ff.).

Entsprechend müssen wir uns also vor allem gegen T.,
noch deutlicher aber gegen Braun (und damit zugleich
wenigstens z.T. auch gegen Bultmann) wenden, insofern
G. vor allem Braun den veruneigentlichenden „Chiffre"-
Charakter (a.a.O., S.29) seiner rein „existentialen Interpretation
" (ebd., S.26, vgl. S.26ff.) vorhält - wobei die
Massivität der Angriffe G.s zu recht durchaus verschieden
ist; während Ebeling (vgl. ebd., unter anderem S.138ff.,
184ff.) sich kaum attackiert sehen muß, wird auch T.
(vgl. ebd., vor allem S.34ff., 131 ff.) noch immer die Möglichkeit
eines falschen Verständnisses von Seiten G.s eingeräumt
, muß sich dagegen Braun (vgl. unter anderem
S.26ff., 63ff.)hart angegangen sehen, während Bultmanns
Beurteilung nicht zu unrecht wieder unentschieden bleibt,
obwohl er S.22ff. richtig unmittelbar für die Position
Brauns (ebd., S.26 ff.) mitverantwortlich gemacht wird:
alles in allem eine für uns akzeptable Graduierung
müssen wir uns schließlich aber, und zwar: in umgekehrter
Richtung (die wiederum nicht die gleiche ist, in der sich
z.B. auch Holm, Mythos und Symbol, in: ThLZ 1968,
Sp. 561-572 ansiedeln könnte), auch gegen G. selbst wenden
, wenn wir das Symbol hier in einer nur ganz grob zu

umreißenden Neu-Fassung wenn nicht zu retten, so doch
wenigstens noch einmal: neu zur Diskussion zu stellen versuchen
, indem wir es zugleich zwischen S. und Funktion
ansiedeln, und zwar in der „Form" eines transzendentalen
„Relationalismus", in die die in sich versandende Korrelation
also neu aufgebrochen werden müßte.

Denn die ungebrochene S. muß in dieser ihrer Problematik
alles weitere erdrücken, während eine in sich leere
und sich so also veruneigentlichende Funktion unmöglich
werden muß.

Daß wir so aber in einer Art globaler Aktion auf die
Position sich zutiefst entgegengesetzter Theologen eingehen
mußten, ohne doch irgendwo bereits eine wirkliche
Lösung finden zu können, ist einfach in der Schwierigkeit
des hier zu verhandelnden Problems begründet; gleichzeitig
kann man aber, wenn eine bestimmte Problematik
noch nicht gelöst ist, auch niemandem wesentlichen Abbruch
tun, auch wenn man sich die Freiheit nimmt, bestimmte
Akzente u. U. bereits zu verschieben.

Zugleich kann mit alledem die wesentlichste Problematik
des A.-Buchs aber gerade so niemals unterschlagen
und vor allem auch nicht als auf ihr völlig fremde Gebiete
hinübergezogen verstanden werden, was bei T. die ständigen
Verweisungen auf Plato, A. und in geringerem Umfang
auch auf Plotin in einem ersten Blick in das Generalregister
der S.Th. in Bd.III zeigen.

Daß wir diese Verweisungen tatsächlich lieber auf Plotin
hingezogen sähen, mag man für eine Sache der persönlichen
Einstellung halten, auch wenn wir meinen, in der
Lage zu sein, diesen Wunsch begründen zu können.

A. soll damit nicht Abbruch getan werden: Die Problemstellungen
aus der M. werden nie zu umgehen sein,
entsprechend auch der spekulative Denker A. im - eben
noch keineswegs erschlossenen - Detail, das wir allerdings
in einem völlig anderen Rahmen als bei A. selbst angesiedelt
sehen müssen, ständig neu für Anregung sorgen
können.

Leipzig Peter Schwani

Bentue, Antonio: Nietzsche, Feuerbach y el „cristianismo no

religioso" (Teologia y Vida 12, 1971 S. 47-57).
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Schaerer, Rene: De l'engagement philosophique (RThPh 104,
1971 S. 289-302).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Barth, Karl: Gottes Freiheit für den Menschen. Eine Auswahl
der Vorträge, Vorreden und kleinen Schriften. Mit einem
Geleitwort von G.Jacob. Hrsg. v. G.Kulicke, K.Matthiae u.
P.-P.Sänger. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1970]. 424 S.,
1 Porträt gr. 8°. Lw. M 19,—.

Angesichts des riesigen Opus, das K.Barth im Laufe
seines langen Lebens und Wirkens veröffentlicht hat und
das z.T. noch in seinem Nachlaß schlummert - ca.