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Ausgabe:

1972

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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299

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

300

barkeitsdogmas in Verbindung mit Humanae vitae so
übelgenommen liaben.

Im zweiten Hauptteil des Buches befragt K. das Unfehlbarkeitsdogma
auf seine Grundlagen: Schultheologie,
Vatikanum II und I. Dabei geht es ihm nicht allein um die
1870 definierte päpstliche Unfehlbarkeit, sondern ebensosehr
, wie schon bei Behandlung von Humanae vitae,
um das ordentliche Lehramt, das vom Vatikanum II erneut
bestätigt wurde. Dazu stellt er unmißverständlich
fest: „Die Aussagen über eine Unfehlbarkeit des Bi-
schofskollegiums stehen exegetisch, historisch, theologisch
auf tönernen Füßen" (68). Dasselbe gilt auch von der
Unfehlbarkeit des Papstes. In der historischen Ahnenreihe
, die von den pseudoisidorischen Dekretalen über die
Gregorianische Reform bis zum Vatikanum II führt, fällt
ein Name besonders auf: Thomas von Aquin. Er war es,
„der die neue politisch-juristische Entwicklung in der
zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts in das
dogmatische System einbaute" (94) und damit „die
Grundlagen für die Unfehlbarkeitslehre des Vatikanum I"
legte (86).

Insgesamt urteilt K. im Hinblick auf die geschichtliche
Wirklichkeit scharf und sarkastisch: „Die papalistischen
Zuspitzungen der Lehrgewalt in Theorie und Praxis können
sich zwar auf heute erwiesene Fälschungen und darauf
gründende Dekretalen sowie wiederum auf die jene
Dekretalen beweisenden' Theologen, aber weder auf die
Heilige Schrift noch auf die gemeinsame ökumenische
Tradition der Kirche des ersten Jahrtausends gründen"
(97).

Dennoch: all dies und noch einiges mehr, wovon im
dritten Hauptteil zu lesen ist, umschließt für K. noch
nicht das Zentralproblem des Unfehlbarkeitsdogmas. Einen
„Petrusdienst in der Kirche" hält er für gegeben, und
selbst die Primatsfrage liegt für ihn nicht außerhalb jeder
Verständigungsmöglichkeit (106). Seine Anfrage an die
Unfehlbarkeitslehre betrifft also nicht die Träger dieser
Unfehlbarkeit, sondern bezieht sich auf den Modus ihrer
Inanspruchnahme: „Ist die Infallibilität der Kirche angewiesen
auf infallible Sätze?" (116). Damit greift K.
nun in der Tat ein Problem auf, das für die katholische
Theologie von eminenter Bedeutung ist. War es doch bisher
eine ausgemachte Sache im interkonfessionellen Gespräch
, daß katholische Theologie darin ihre Eigentümlichkeit
hat, daß sie die Wahrheit einer Sache in die
Wahrheit von Sätzen und Begriffen einfangen will (vgl.
H.-G.Fritzsche. Strukturtypen der Theologie. Berlin
1960). K.Rahner hat dies in Auseinandersetzung mit K.
unlängst noch einmal deutlich unterstrichen. Darin wird
man K. allerdings nicht zustimmen können, daß die
dogmatische Behauptung von Satzwahrheiten erst eine
Frucht des Rationalismus sei (132ff.). Hat nicht schon
die Scholastik im Rückgriff auf die Sprachlogik eines
Aristoteles kräftig an den späteren Denkstrukturen mitgebaut
?

Nun lehnt auch K. gemeinsam verbindliche Glaubenssätze
nicht ab, wenngleich .Verbindlichkeit' für ihn nicht
,Unfehlbarkeit' bedeutet, nur möchte er sie beschränkt
sehen auf zwei Gruppen: „abbreviativ-rekapitulierende
Sätze (Glaubensbekenntnisse und Glaubenssymbole)"
(117) und „defensiv-definierende Sätze (Glaubensdefinitionen
oder Glaubensdogmata)" (118). Der Glaube ist
hingegen „nicht angewiesen auf bewußt intendierte
Dogmen-Entwicklung: auf tendenziös-explizierende Sätze
" (120). K. sieht sehr deutlich die situationeile, geschichtliche
Bedingtheit menschlicher Rede. Sätze können
wahr und falsch zugleich sein. Sie unterliegen dem
Irrtum. Das gilt auch für dogmatische Rede. Wie aber
läßt sich dann noch die Lehre von der Unfehlbarkeit
festhalten? K. antwortet im 5.Hauptteil.

„Die Kirche wird in der Wahrheit erhalten, trotz aller

immer möglichen Irrtümer!" (143). „Infallibilität, Untrüglichkeit
in diesem radikalen Sinn besagt somit ein
grundlegendes Bleiben der Kirche in der Wahrheit, das
auch von Irrtümern im einzelnen nicht aufgehoben wird
(148). Hier fügen sich Aussagen an über den Glauben und
Glaubensgewißheit, über den Heiligen Geist und über die
Kirche als wanderndes Gottesvolk, die in reformatorischer
Tradition wohlvertraut sind. Schließlich möchte K., um
künftigen Irrtümern vorzubeugen, Infallibilität der
Kirche verstanden wissen als „Indefektibilität" (Unzer-
rüttbarkeit, Beständigkeit) und „Perennität in der Wahrheit
" (Unzerstörbarkeit, Fortdauer) (148).

Dies alles hat ökumenische Bedeutung. Insofern möchte
man dem Buch eine breite Beachtung wünschen. K-
selbst ist so optimistisch, seiner hier vorgetragenen Auffassung
nicht nur Chancen in der katholischen Kirche
einzuräumen, er bietet sie auch als Grundlage für eine
katholisch-evangelische Verständigung an (161 f.). Beim
Lesen des Buches hat man jedoch den Eindruck, als würde
er sich mit evangelischen Theologen mitunter leichter ins
Einvernehmen setzen können als mit den Kollegen seiner
eigenen Kirche. Dies gilt ganz gewiß für seine Bestreitung
der Unfehlbarkeit von dogmatischen Sätzen, aber doch
wohl auch für seinen Versuch, die Verheißung des Bleibens
in der Wahrheit auf die Kirche Jesu Christi als ganzer
zurückzubeziehen. Indessen bleibt es fraglich, ob damit
schon die wesentlichsten Differenzen ausgeräumt
sind. Ungeklärt bleibt auch weiterhin - diese Frage hat K-
auch nur am Rande gestreift -, wie sich die so beschriebene
Unverirrlichkeit der Kirche zum päpstlichen Primat
verhält. Denn offensichtlich stützt hier eines das andere.
Im Vatikanum I hat das Infallibilitätsdogma sogar die
Lehre vom päpstlichen Primat zur Voraussetzung.

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Gaht das auch unser heutiges Mönchtum an? (Geist und
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Die Monographie über den Barockbaumeister Giovanni
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