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Ausgabe:

1972

Spalte:

298-300

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Küng, Hans

Titel/Untertitel:

Unfehlbar? 1972

Rezensent:

Gallinat, Reinhold

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

Der Wortlaut der Synodalverhandlungen, mitunter KIRCHEN- UND
A,'f "ii schlechter Akustik nicht vollständig stenographisch _ .. rrcarKicisi mnr
erfaßt, führt das Ringen um eine verantwortliehe Aus- KONhESblONbKUNDE
sage vor Augen, die von allen akzeptiert werden konnte.
W auf der Reichsbekenntnissynode zu Dahlem beschlossenen
Grundsätze einer bekenntnisgebundenen Küng, Hans: Unfehlbar? Eine Anfrage. Zürieh-Einsiedeln-
h-irchenonlinnig wurden in Steglitz auf die neue kirchen- Köln: Benziger Verlag [1970]. 204 S. 8°. Kart. DM 13,80.
politische Situation in Altpreußen bezogen. Der Tendenz lv r/ ,r L-, ■ . w ., „.
«ner „Neutralisierung der kirchlichen Verwaltung", ins- "Die *9f Z™tol}. Vatikan«*«! Konzil gewollte Er-
>*sondere auf dem Gebiet der Finanzen, wurde insofern ■'Gerung der katholischen Kirche und damit auch die
entgegengetreten, als staatlicherseits der Grundsatz der ökumenische Verständigung mit den anderen christlichen
BK, alleinige legitime Vertretung der Kirche, nicht ledig- Kn±en ,und dle neue ö^ung TOT heutigen Welt hin ist
'»eh gleichberechtigte kirchliche „Gruppe" zu sein, nicht '"s Stocken *" «* ^"f Jahre nach Abschluß
«"erkannt wurde. Finanzabteilungen wurden allerdings de« Vatikanum II nicht mehr zu ubersehen (9). K. hat
«»Cht grundsätzlich abgelehnt, nur müßten sie unter be- ?!cQh »cho" ™h? "g* ,se"len7 Buchern Die Kirche
fewntniskirchliche Regie gestellt werden. Ihre staatliche u!ul ...Wahrhaftigkeit. Zur Zukunft der Kirche
Funktion dürfe die Grenze des bekenntniskirchlich durch- <J9f> f+ls em ^geduldiger Mahner und hartnackiger
»*> anerkannten „staatlichen Aufsichtsrechts" nicht Sachwalter der Reformideen des Zweiten Vatikani-
«berschreiten. Weil man eine Änderung in diesem Sinne sc.hen K«nals "nd selne[ Progressivsten Inspiratoren er-
'»cht von vornherein ausschließen wollte, versuchte man, wlese"- Nuu ^mm°lt, Zentenariuin zur Erkla-
d*ni bekenntniskirchlichen Gebot eines Boykotts der rung der päpstlichen Unfehlbarkeit zum Anlaß, dies wie
staatlichen Finanzabteilungen zunächst eine konditionale ?Ltmemt> schwerwiegendste Hindernis für eine weitere
Form zu geben. Der Finanzboykott stieß jedoch durch die Öffnung ,semeru Kl™h.e m em™ aufreizenden
Zerrung des Treuhandkontos im November 1935 auf "nd theologisch eindringenden Fragezeichen zu versehen.
eine Schranke Dabei war er so rücksichtsvoll, das immer noch erforderten
den Verhandlungsprotokollen der Synode sind [iche kirchenamtliche Imprimatur erst gar nicht zu bean-
■Wch die Dokumente zur Vorgeschichte überaus inter- l™fn- Vor den inzwischen angelaufenen Attacken seiner
f«ant. Die bei aller Entschlossenheit des bekenntnis- Kollegen auf den Lehrstühlen wii den ganz amtlichen
kirchlichen Widerstands feststellbaren differenzierten Unmutsbekundungen der Bischöfe hatte es ihn ohnehin
Leitbilder und Ermessensentscheidungen stechen ins nicht bewahren können. K. kennt den Streit, den theo-
A-Uge. Vorlagen und Synodalvorträge bieten einen Ein- logischen, '»^ bejaht ja provoziert ihn, wenn er sich dn-
tock auch in das Bemühen, die «aktuelle Bekenntnis- «■ c>nen Fortschritt verspricht. Nur Fairneß bittet er
Entscheidung mit den reformatorischen Bekenntnis- ^ich aus ugustinus Mahnung an seine Leser in De tnm-
johriften in Beziehung zu setzen. Doch wurde von Pfr. £t^fi ^ Nachw°rteS
- lartin Stallmann in einer Stellungnahme zur Synode An- ' ^ot.).

ta'ig Oktober kritisch betont, in der BK sei der „Asmus- K. setzt ein mit einer gleich reihenweisen Aufzählung
sensche Bekenntnisbegriff" maßgebend geworden, für den v011 Irrtümern des kirchlichen Lehramtes und demon-
8e'te, „daß die Auseinandersetzungen mit den gerade auf- striert dann am Beispiel der Enzyklika Humanae vitae
tretenden Häresien das Bekenntnis zustande kommen die Problematik der Unfehlbarkeit. Mit allen Kritikern
lasse", während der „Begründungszusammenhang mit der Enzyklika weiß er sich einig, daß dieses Werk ein
f'er Transzendenz der Offenbarung Gottes lediglich for- unglückliches Produkt ist. Aber darin unterscheidet er
mal berücksichtigt" sei (S. 151 f.). Was die in der dahle- sich auch von ihnen, daß er die innere Stringenz der Argu-
"ntisch orientierten Bekenntnisfront übliche Gleich- mentation, die Autorität der Enzyklika, den Unfehlbarsetzung
der theologischen Dignität von Bekenntnis- und keitscharakter dieser Lehre unter den bisher gültigen
^rdnungsfragen betraf, so war für die Differenziertheit Prämissen nicht in Zweifel zieht. Der Papst mußte in die-
f,er Aussagen im altpreußischen BK-Synodalbcreich be- sem Sinne entscheiden, so meint K., weil das Verbot der
kennend, daß H.-J.Iwand gelegentlich davon sprach, es Empfängnisverhütung in der katholischen Tradition
8abe „kein Dogma, daß Inneres und Äußeres nicht zu immer in Geltung stand, mehrfach bestätigt wurde und
trennen" seien (S. 110), sei doch äußere Kirchenordnung nach 1930 (Casti connubn) keine prinzipiell neue Situation
..niemals für das Seelenheil verbindlich" (S.117). Theo- eingetreten sei. Humanae vitae bezieht also ihre Autori-
Iogische Entscheidungen seien keinesfalls kirchenregi- tat aus dem „alltäglichen Lehrkonsens des Papstes und
["entlieh durchzusetzen: „Was sich nicht durch Ver- der Bischöfe", „dem sogenannten ordentlichen, all-
küiuligung und Gottes Wort durchsetzt, ist vom Übel. täglichen Lehramt (magisterium ordinarium)" (S.45).
wir dürfen unsere Gemeinden nicht dahin kommen lassen, Eine Entscheidung des außerordentlichen Lehramtes
uaß sie Taufe und Abendmahl von DC-Pfarrern ablehnen. brauchte gar nicht bemüht zu werden. Ihre Bestreitung
teilweise ist das heut der Fall" (S. 122).-Eine vom sonsti- stößt also auch ins Leere. Diese Auffassung der Sache
Sen dahlemitischen Beurteilungshintergrund kontrast- läßt sich schwer von der Hand weisen, wenngleich sich
reitli abstechende Äußerung! jene unbefriedigt fühlen müssen, die im Sinne des Mehr-
So bietet die Veröffentlichung die für die historische heitsgutachtens den moraltheologischen Aspekten ein
Erfassung des Kirchenkampfes wichtige konkrete Schil- größeres Gewicht beimessen. Sie können darauf hinweisen,
'lerung über Vorgeschichte, Verlauf und Ergebnis einer daß schon Pius XI. mit der Zulassung der Empfängnis-
^tpreußischen BK-Synode in Gestalt des erreichbaren Verhütung durch Zeitwahl von der bis dahin einheitlichen
Vuellenmaterials und hilft insofern ein detailliertes Bild Tradition abgewichen ist und ein Element ms Spiel ge-
v°n den Vorgängen an der Schwelle der Kirchenausschuß- bracht hat, das gar nicht mehr so weit ab hegt von der
2eit zu gewinnen. Den Text der Beschlüsse sämtlicher Empfängnisverhütung durch künstliche Mittel. Für K.s
z^'°lf altpreußischen BK-Synoden von 1934 bis 1943 hatte Anliegen ist es jedoch von Nutzen, sich mit den Befür-
i*'nerzeit bereits Wilhelm Niesei herausgegeben (Um wortern der Unfehlbarkeit wenigstens in der Beurteilung
J> erkündigung und Ordnung. Die Bekenntnissynoden der des Demonstrationsobjekts einig zu wissen. So braucht
«-yangelischen Kirche der Altpreußischen Union. Biele- er keine Randgefechte zu führen. Sein Vorstoß muß ins
•eld 1949). Zentrum führen. Vielleicht ist dies der Grund, warum
Leipng Kurt Meier ihm manche seiner Kritiker die Bestreitung des Unfehl-