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1972

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

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den Mittelpunkt stellt. Er läßt aber außer acht, daß der
Trost in der gleichfalls mündlichen und gewiß machenden
Predigt von der Auferstehung gründet. Vielleicht hätte
der Galaterbriefkommentar 1519 oder Luthers gedruckte
Psalmenauslegung (Operationes in Psalmos) den Vf. darauf
aufmerksam machen können, in welcher Weise die
Schulformeln von Gesetz und Evangelium auch noch nach
1518 in der Meditationschristologie gründen. Daß er nicht
selbst in dieser Richtung weitersuchte, ist um so verwunderlicher
, als er durch einige der von ihm behandelten
Texte zu Einschränkungen seiner These gezwungen wird:
noch 1519 folgte Luther dem vorreformatorischen Typus
der Christologie (283,301) und in der Weihnachtspredigt
des Jahres 1520 stehe seine frühe Theologie „noch ungebrochen
in Geltung" (285)!

In eine Auseinandersetzung mit den Selbstzeugnissen
Luthers tritt der Vf. nicht ein. Da in ihnen Luthers
eigene Sicht zu Wort kommt, sind ihre Angaben für das
Kriterium des Reformatorischen und für die Datierung
wichtiger als das modern-dogmatische Kriterium des
Vf.s.

Eine letzte Frage an das Buch, dessen zweiter Teil ja
eine Habilitationsschrift für das Fach Systematische
Theologie darstellt, bleibt ohne Antwort: Welchen Nutzen
stiftet eine Bestimmung des Reformatorischen, die das
„heilige Recht" des Evangeliums zur Kern Vorstellung erhebt
? Da für jede heutige Dogmatik, auch wenn sie der
Reformation verpflichtet ist, die historische Bibelkritik
eine unübersteigbare Grenze zum alten Biblizismus geschaffen
hat, und da ferner das „Deus dixit" der dialektischen
Theologie sich als Gewaltlösung erwiesen hat, wird
man an der Durchführbarkeit des Programms zweifeln.

Oldenburg i. Oltlb. Roll SchMur

Meyer, Carl S. [Ed.]: Sixteenth Century Essays and Studios,

II. Saint Louis, Miss.: The Foundation for Reformation

Research [1971]. VII, 118 S. 8°.
Stauffer, Richard: Was weiß ich über die Reformation? Übers.

v. E.Steck. Zürich: Theologischer Verlag [1971]. 146 S. 8°.

DM 13,80.

Stella, Pietro: Senault e il giansenismo. Derivnzioni o coin-
cidenze? (Salesianum 33, 1971 S.263-334).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Niemöller, Wilhelm [Hrsg.]: Die Synode zu Steglitz. Die dritte
Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen
Union. Geschichte - Dokumente - Berichte.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1970. 382 S. 8° = Arbeiten
zur Geschichte des Kirchenkampfes, hrsg. v. H.Bru-
notte u. E.Wolf, 23. Kart. DM 43,—.

Neben den Verhandlungsprotokollen der vier großen
Bekenntnissynoden der Deutschen Evang. Kirche
(= DEK), die bereits des längeren ediert sind, hat der
Herausgeber nach Kriegsende auch die Stenogramme von
drei altpreußischen BK-Synoden (Dahlem, Steglitz, Halle)
sicherstellen können. Während die vor allem für die Problematik
des Bekenntnisstandes und der Abendmahlsgemeinschaft
interessante Hallische Synode von 1937
bereits 1963 ediert wurde (Hrsg. Gerhard Niemöller), die
Veröffentlichung von Preußisch Dahlem noch aussteht,
legt Wilhelm Niemöller hier die dokumentarische Vorgeschichte
, die Verhandlungen und Beschlüsse der dritten
Bekenntnissynode der APU vor, die vom 23. bis 20. Sept.
1935 in Berlin-Steglitz tagte. Eine kurze geschichtliche
Einleitung, die Zusammenstellung der staatlichen Gesetzgebung
zur Kirchenfrage von März bis Sept. 1935, zahlreiche
Vorlagen für die Synode (darunter auch die Denkschrift
Marga Meusels „Zur Lage der deutschen Nicht-
arier") erhöhen den Informationswert des Buches.

Unmittelbarer Anlaß für die Einberufung der BK-
Synode war diesmal die Tatsache gewesen, (laß der altpreußische
Bruderrat die Verantwortung für seine ablehnende
Stellungnahme gegenüber Vorschlägen nicht
allein tragen wollte, die Beauftragte der Finanzabteilung
beim Evangelischen Oberkirchenrat im Einverständnis
mit dem Kirchenminister Kerrl der BK gemacht hatten.
Es erschien dem Bruderrat nicht möglich, Gliedern der
BK die Erlaubnis zu erteilen, das Amt eines Unilage-
beauftragten zu übernehmen, weil darin die Anerkennung
der staatlichen Finanzabteilungen, die dem dahleini-
tischen Kurs zu widersprechen schienen, enthalten war.
Die bekenntniskirchliche Beteiligung an einer staatlich
geordneten Kirchensteuerverwaltung galt auch darum als
unannehmbar, weil die Finanzkommissare beim Ev. Oberkirchenrat
den Erfolg ihrer Bemühungen nur dann garantiert
sahen, wenn gleichzeitig BK-Treuhandstellen ihre
Arbeit aufgaben und Organe der Bekenntnisfront als
Zwischenglieder zwischen Gemeinden und Finanzabteilungen
ausgeschaltet würden.

Die Bekenntnissynode war ursprünglich für Königsberg
vorgesehen, wurde aber kurzfristig nach Steglitz
einberufen, da der Präses der ostpreußischen Provinzial-
bekenntnissynode, Pfr. Th. Küßner, der organisierte BK-
Synoden Ende 1935 als eine überlebte Sache ansah und
sich der Kirchenausschußpolitik zur Verfügung stellte,
sich einer Tagung in Königsberg widersetzt hatte. Starke
Bedenken gegen die überhitzte Atmosphäre der hektischen
Vorbereitung erhoben sich auch in der Provinz Brandenburg
(G.Jacob, Weschke, Goltzen).

Nicht nur die Landesbischöfe Meiser und Marahrens
bekundeten ihre Abneigung gegen eine bekenntnissynodale
Behandlung der wegen der Nürnberger Rassengesetze
vom 15. Sept. 1935 höchst aktuellen Judenfrage; auch altpreußische
Synodale, vorab Präses Koch, hielten dies für
inopportun (S.120, 129, 132, 304). Dieses Problem gehöre
ebenso wie die Frage der aus ihren Gemeinden ausgewiesenen
Geistlichen auf eine Bekenntnissynode der DEK-
Trotzdem hat die altpreußische BK-Synode in Steglitz
nicht nur zu der als staatliche Überfremdung der Kirche
empfundenen und darum als bekenntniswidrig abgelehnten
staatlichen Verwaltung des Kirchenvermögens, sondern
auch zur Frage der Ausgewiesenen und der Judentaufe
ein deutliches Wort gesprochen. Was die Judenfrage
indes selbst betraf, so begnügte man sich damit,
zum Ausdruck zu bringen, „die derzeitige Art der öffentlichen
Behandlung der Judenfrage" sei „weithin verbunden
mit einer Bestreitung des Evangeliums und der
christlichen Kirche". Im Interesse einer möglichst einheitlichen
Stellungnahme wurde dieses Anliegen den'
Reichsbruderrat zugewiesen. Zu einer kritischen Beurteilung
der politischen Judengesetzgebung stieß man nicht
vor; lediglich die Verweigerung der Judentaufe wurde als
widerchristlich beklagt. W.Niemöller bestreitet (S. 15.
Anm.9), daß bei der Vorbereitung der Synode der schließlich
nicht realisierte Gedanke aufgetaucht sei, dem NS-
Regime angesichts der Nürnberger Rassengesetze das
Recht zu einer gesetzlichen Regelung der Judenfrage für
den staatlichen Bereich ausdrücklich zuzugestehen (so
E.Bethge: Dietrich Bonhoeffer. München 1907, S.555ff.)-
Indes waren bei der Synodalvorarbeit durchaus Stimmen
vernehmbar (S. 123f.), die befürchteten, daß durch
das „Verschweigen der Wahrheitsmomente" im weltlichen
Bereich die „Gefahr politischer Mißverständnisse hervorgerufen
" werde, „als beruhe solches Verschweigen auf
einer Vergleichgültigung oder gar Bekämpfung der staatspolitischen
Arbeit" oder sei als eine „Verurteilung jenes
.Wahrheitsgehaltes der modernen Rassenlehre...' zu be •
werten.