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Ausgabe:

1972

Spalte:

286-289

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Frühmittelalterliche Studien 1972

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

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jhn als ,sancte imperator' an, wenn er auch feststellt leicht auch aufregend zu erfahren, wie hier die Urteile
|ep. 20,23]: imperatores sacerdotium magis optaverint, über Intoleranz im Festhalten an Überkommenem und
quam sacerdotes imperium). Jedenfalls konnte die Heili- andrerseits im revolutionären Vorwärtsschreiten sich ver-
gung des Reiches auch im Christentum günstige Voraus- teilen. Symmachus und Ambrosius sind wohl eindeutig
Setzungen für das Vorgehen des Senats zugunsten des einzuordnen, und das mag wohl auch von den aumerkungs-
p-ultes der Viktoria schaffen, wie auch die Schwierig- weise genannten Persönlichkeiten der Geschichte gelten,
weiten der Reichspolitik dazu ermuntern konnten. Das Aber enthalten nicht große und umfassende Bewegungen
zweite Kapitel behandelt daher das In- und Miteinander in der Geschichte beide Motive zugleich oder in einer ge-
^jer antiken Kultur und Religion mit dem Christentum, wissen Abwechslung tolerante und intolerante Verhaltensaas
diese selbe Welt durchdringt und in sie hineinwächst weisen? Ist nicht das Christentum und auch die Kirche,
rotz der ständig drohenden Gefahr verderblicher Ver- bzw. die Kirchen, in Synthese und Diastase gegenüber der
niischung. Es finden sich .christliche' Elemente im Hei- Welt tolerant und intolerant, retardierend und progressiv,
uentum und ,heidnische' im Christentum. Allerdings bei traditionsgebunden und zukunftweisend? Sind nicht beide
aller Ähnlichkeit namentlich des volkstümlichen Glau- Elemente notwendige und zusammengehörende Lebeus-
°ensund Aberglaubens bleiben doch Unterschiede: (3.Ka- äußerungen? Die Kirche des 4. Jh.s ist vorwärtssehrei-
pitel) Der Glaube des Symmachus ist ein anderer als der tende Bewegung, und die Kultur der Antike ist für sie der
ues Ambrosius. Der heidnische Glaube ist durch die Stoff, den sie schöpferisch neu gestaltet, so daß sie von
"hilosophie erschüttert und zum Teil der Lächerlichkeit Jahrhundert zu Jahrhundert, von Generation zu Generaausgeliefert
. Nur die Mysterienkulte können ernsthaft mit tion im eigenem Wandel stets neue Impulse empfängt und
uem Christentum konkurrieren. Sie könnten auch auf weitergibt.

»Erträglichkeit und gegenseitige Toleranz eingestellt sein. Anhangsweise sind die Texte der Eingabe des Symma-
An^r ihre Humanität ist begrenzt; sie gilt nicht gegenüber chus und der beiden Briefe des Ambrosius als die wichtig-
adiatoren, Sklaven oder auch gegenüber einer schuldig sten Quellen für das Thema italienisch und lateinisch
gewordenen Vestalin. Den Vertretern eines solchen tole- wiedergegeben und mit textkritischen und historischen
fanten und humanen Heidentums, für das Symmachus Anmerkungen versehen. Die Anmerkungen enthalten
ine gewisse Anerkennung in der Religionspolitik des auch bei den Ausführungen des Vf.s Hinweise und Ausgleiches
forderte, tritt Ambrosius mit seiner im christ- einandersetzung mit der Forschung wie auch sozial-
Uchen Glauben, und zwar in der nicaenischen Orthodoxie geschichtliche und sozial kritische Beispiele,
gegründeten sozialen Gesinnung gegenüber. In der Kirche „, „ ___„ . .

Und rl„.„i i- -v- i i_ • o PO , Gießen Georg Bertram

f uu aurcli die Kirche bringt er diese Gesinnung zur Wir- _

ung unci Anerkennung in einer Zeit schwerster sozialer

Gegensätze und einer schroffen Zerklüftung zwischen Benoit, Andre: Le Saint-Esprit et l'Eghse dans la theologie

arm und reich. Geschult in der Heiligen Schrift und der patristiquegrecque des quatre premiers siecles in: L Esprit

Theolntrio IöRj- j„ t>- v. r a u • j i i'i samt et 1 Eghse, ed. par S.Dockx. Paris 1969. S. 125-141.

BUÄ A der,Bls,chof Ambrosius, der von der antiken Marie-Joseph le: Reflexions BOT la theologie des Peres

wung und von den herrschenden Gesellschaftsschichten grecs en rapport avec le Fiiioque, in: L'Esprit saint et

'Kommt, die ganze Kraft der brüderlichen, hilfsbereiten l'Eglise, ed. par S.Dockx. Paris 1969 S. 195-219.

lebe im Dienste der Armen ausstrahlen und wird so zum Martin, Jose Pablo: La pneumatologia en Ignacio de Antioquia

eonsthehen Führer im Geiste der alttestamentlichen Pro- (Salesianum 33, 1971 S.379-454).

Pheten mit ihrer radikalen Botschaft. So wird der Bischof Rondet, Henri: L'Esprit saint et l'ßglise dans saint Augustin

aus Glaubensüberzeugung zum Vorkämpfer eines sozial et dans raugustinisme, in: L'Esprit saint et I'figlise, ed. par

ausgerichteten Christentums. Darin ist auch die Kompro- S.Dockx Paris 1969 S. 153-178.

nußlosigkeit seiner Haltung begründet, seine Unversöhn- Sa^,z' A-: f rai8tpn° Ia l^^T™ S&n

hchl-oi'f „„ - l j i. ' j i i i. u • Mäximo do Turin (Stromata 27, 1971 s.61-103).
•>-uKeit gegenüber der ,humanen und toleranten, aber im

kern doch unmenschlichen Einstellung der herrschenden

preise. Kompromißlos handelt Ambrosius nicht nur in der

S^ÄÄ^ÄÄrÄ KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

ft . *St m** den Beg"ffen Toleranz und Intoleranz die

Sachlage überhaupt erschöpfend erfaßt? Die Intoleranz Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Früh-
aes Ambrosius zielt auf die menschliche Freiheit und dient mittelalterforschung der Universität Münster. In Zusani-
dem Fortschritt. Symmachus aber möchte reaktionär menarb.ro.H. Beitrag.H.Borger, W Foerste (f), D. Hof-
verkommene Privilegien, die seiner eigenen philoso- v^B*U^
PWhen Überzeugungen der Gleichheit liier Menschen ^ ™ ^ * Abb" 33 Taf" 2 4 '
y?dersprechen, unangetastet bewahren. Die Toleranz, die

j?6 Christen in der Zeit der Verfolgung forderten, sollte Gleich der erste Beitrag stellt ein Wort von theolo-

V v,1n •<*'e Möglichkeit geben, eine neue, höhere Mensch- gischer Bedeutung in den Mittelpunkt. Otto Hiltbrunner
Jchkeit durchzusetzen. Die Toleranz aber, die die Heiden geht dem Begriff „sacer" nach: „Die Heiligkeit des Kaierlangten
, als sie unterlegen waren, sollte die Änderung sers" (S. 1-30). Das Wort „sacratissimus" wird erstmalig
er gesellschaftlichen Verhältnisse verhindern. Dagegen von Domitian beansprucht, von Diocletian restauriert,
oüte die heidnische Intoleranz gegenüber den Christen von Konstantin übernommen. Es war „möglich, sacra-
!e freie Entfaltung der neuen revolutionären Bewegung tissimus zu verstehen als den in besonders bevorzugter
uterdrücken. Die Intoleranz der Christen aber sollte den Weise mit einer göttlichen Weihe Versehenen. Der gott-
ngehemmten, eigenständigen Aufbau einer neuen geweihte König, das war eine für Christen durch die Bibel
lenschlichen Gemeinschaft möglich machen. sanktionierte Vorstellung" (S.5). Wendungen wie sacra
Diese sozialethische Betrachtung der Auseinander- urbs und sacrum imperium werden beleuchtet. Die ma-
etzung zwischen Heidentum und Christentum, hinter der gische Wurzel des Wortes sacer und die ethische Färbung
ut "er einen Seite stagnierende Kultübung, auf der ande- des Wortes sanetissimus werden herausgearbeitet. J. M.

ren aktivistischer Glaube und vorwärtstreibende Hoff- Wallace-Hadrill untersucht das Thema "Gregory of

uog stehen, ist nach des Vf.s Überzeugung von grund- Tours and Bede: theirs view on the personal qualities of

egender Bedeutung für das Verständnis der Geschichte kings" (S.31-44). Der Unterschied zwischen jenen Ge-

18 m unsere Gegenwart, und es ist anregend und viel- Schichtsschreibern liegt weithin an dem Kontrast zwischen