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Ausgabe:

1972

Spalte:

279-281

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Marshall, Ian Howard

Titel/Untertitel:

Luke 1972

Rezensent:

Merkel, Helmut

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Seite 1, Seite 2

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27!»

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 4

280

«ine nicht nur umfangreiche, sondern auch methodisch
vorbildliche exegetische Monographie über das Thema
„Jesus und das Kind" in der synoptischen Tradition vorgelegt
. Abgesehen von der Bibliographie und den ausführlichen
Registern besteht die Untersuchung aus vier
Teilen. Teil I analysiert die Haupttexte zum Thema, die
Perikopen über den „Rangstreit der Jünger" (Mk 9,
33-37 Parr.), über die „Segnung der Kinder" (Mk 10,
13-16 Parr.) und das Zeugnis der Kinder im Tempel
(Mt 21,14-16). Teil II untersucht die Begriffe „ei pxpi",
„ot r'Xäytatnt'' und „ot vrfnio" in den diesbezüglichen
Texten (Mk 9, 42 Parr.; Mt 18,12-14 Par.; 18,10; 10, 42;
25, 31-46, bzw. Mt 11, 25-30 Par.). Teil III wendet sich
den aus der Analyse erhobenen Sachproblemen zu und
fragt nach dem Verhältnis von Kindsein und Annahme
bzw. Zugesprochensein der „ßaadsia toü #£oc", wie es
Mich nach der Tradition, besonders bei Mt, darstellt. Diese
Probleme leiten über zu Teil IV. Hier wird zunächst ein
Überblick über die Beurteilung des Kindes in der zeitgenössischen
Um weit des Neuen Testaments gegeben. Daran
schließt sich eine Exegese des Gleichnisses von den
spielenden Kindern (Mt 11, 16-19 Par.). Endlich wird der
Gesamtbefund unter der Frage „Vers une attitude histo-
rique de Jesus" untersucht. Die Stärke der Arbeit liegt
in der sorgfältigen exegetischen Untersuchung jeder in
Frage kommenden Textstelle, wobei der Frage des
historischen „Sitzes im Leben" und der Form- und Redaktionsgeschichte
besondere Beachtung geschenkt wird.
Oberzeugend ist auch der Aufbau der Arbeit im ganzen.
Dem Vf. gelingt es so, den traditionsgeschichtlichen Verlauf
der Entwicklung deutlich zu machen. Die positive,
aber nicht idealisierende Einstellung gegenüber den Kindern
sowie gegenüber den „Kleinen", den „Geringsten"
und den „Unmündigen" (wobei diese Letzteren ursprünglich
nicht mit den Kindern gleichzusetzen sind) führt er
urundsätzlich auf den historischen Jesus zurück, der
gerade denen die Gottesherrschaft zugesprochen hat, die
dafür nach den üblichen Vorstellungen nicht qualifiziert
waren. Die Evangelienverfasser haben dann das ihnen
überlieferte Material paränetisch ausgewertet, d.h. von
ihrer jeweiligen kirchlichen Situation aus aktualisiert
und in ihre theologischen Gesamtkonzeptionen integriert.
Kritisch ist die Frage zu stellen, ob nicht gerade wegen der
traditionsgeschichtlichen Fragen die übrige urchristliche
Literatur hätte stärker berücksichtigt werden sollen. Das
soll jedoch keinen Zweifel daran bedeuten, daß L6gasse
einen sehr wichtigen Beitrag zur Synoptikerforschung geleistet
hat, der bei allen einschlägigen Erörterungen beachtet
zu werden verdient .

Claromont, Cnllf. Hans-Dieter Hetz

Marshall, I. Howard, M.A., D.D., Ph.D.: Luke: Historian and

Theologien. Exoter Devon: Paternoster Press [1970]. 238 S.
8°. Lw.L 1.75.

Das lukanische Schrifttum steht seit 20 Jahren im
Brennpunkt der Kritik. Man hat frühkatholische Theolo-
gumena bei Lk erkennen wollen, ihm vorgeworfen, er habe
die Heilsbedeutung des Kreuzes zurückgedrängt und die
Naherwartung durch eine konstruierte Heilsgeschichte ersetzt
, was letztlich die Einführung einer theologia gloriae
bedeute. Der Geschichtswert der Apg wurde zunehmend
geringer veranschlagt. Ist dies alles auch nicht unwidersprochen
geblieben, so fehlte doch den Kritikern der Lk-
Kritik bisher ein Gegenentwurf. Diesen will Marshall vorlegen
. Er faßt sein Ziel in 4 Thesen zusammen (S. 18ff.):

1) Lk war Historiker und Theologe.

2) Lk war weniger an der Heilsgeschichte als an der
Frage nach dem Heil interessiert.

3) Lk war in den wesentlichen Punkten seiner Theologie
kein Neuerer.

4) Die Lk-Theologie unterscheidet sich nicht sehr von
der ihrer Vorgänger.

Zunächst erörtert Vf. die Frage „History or Theology'
(S.21-52). Er lehnt, an Gedanken v.Campenhausens
und Pannenbergs anknüpfend, die oft postulierte Trennung
beider Gebiete ab. "Our point is that the events
which faith interprets as divine acts must be real, histo-
rical events, or otherwise they cannot be interpreted at
all" (52). Damit hat Vf. dem Lk-Programm ein eindeutig
positives Vorzeichen gegeben.

Wenn nun alles an der Geschichte Jesu und der Kirch'1
liegt, dann muß Lk als Historiker überprüft werden
(S. 53-76). Da ein Vergleich mit antiken Historikern nicht
zu festen Ergebnissen führt (57), wird die Quellenfrage
wichtig. Mit Vorbehalt wird die Zweiquellentheorie bejaht
(59ff.) und die Zuverlässigkeit der Lk-Quellen behauptet
(63f.). Vf. sieht zwar, daß das Bild Jesu und seiner
Lehre bei Lk sich von dem bei Mk unterscheidet (66),
glaubt aber doch schließen zu können, "that the editorül
work of Luke on his sources should not be unduly ex-
aggerated" (67). Die Quellen der Apg bleiben im Dunklen
(68). Zur Unterstützung der behaupteten Zuverlässigkeit
derselben verweist Vf. auf die Beobachtungen
von Ramsey, Sherwin-White u.a. "In matters of detail
his historical stature is high" (69). Zur Kritik an der
Historizität der Reden bemerkt Vf.: ... "it is one-sided to
look at the Speeches in Acts purely as evidence for Luke's
theology, they have a claim to be based on the practice
of the early church" (73). Lk hat das Bild der Urkirche
nicht idealisiert, vielmehr hat er eine Auswahl des Darzustellenden
getroffen (73f.). Das Pls-Bild der Apg weicht
von dem der Briefe ab, doch können beide harmonisiert
werden. Die Ansicht, Lk hätte die Theologie des P's
verzeichnet, hält Vf. für übertrieben (75).

Auf dieser Grundlage folgt die Darlegung der 2. These
(S.77-102), wobei die Einseitigkeit der bisherigen Stand-
ortbestimmung aufgezeigt wird. Die These, daß Lk primär
am Heil, nicht an der Heilsgeschichte interessiert sei, wird
im Anschluß an v.Unnik am speziell luk. Gebrauch der
Wortgruppe oy'jCco htX und einer Untersuchung der Vorgeschichte
verifiziert.

Kap.V (S. 103-115) stellt das Werk Jesu im Kontext
des göttlichen Heilsplanes dar. Die These von S. Schuld
Lk habe die römische fatum-Ideologie übernommen, wird
widerlegt.

Jesus als Bringer des Heils in der Sicht des Lk is*
Gegenstand des 6.Kap. (S. 116-156). Lk hat eine Tradition
aufgenommen, die Jesus als den endzeitlichen Propheten
, als Gottesknecht und Messias auffaßte, obgleich
diese Titel im Ev. nicht hervortreten (128). Die Gottesherrschaft
habe schon Jesus präsentisch und futurisch
zugleich verstanden, Lk habe diese Spannung durchgehalten
(128ff.). Freilich steht die Hoffnung auf das
künftige Kommen nicht im Zentrum. Gegen Conzelniann
wird gezeigt, daß die Zeit Jesu nicht satansfrei war, sondern
daß die Bekämpfung der Mächte des Bösen wesentlich
zur Tätigkeit Jesu gehörte (137 ff.). In einem Exkurs
wird gezeigt, daß Lk den Stationen des Weges Jesu keine
symbolische oder theologische Bedeutung beigelegt hat
(144 ff.).

Das 7. Kap. (S. 157-187) geht zur Apg über. Zur Bedeutung
des Kreuzes bei Lk stellt Vf. fest "that in Act-5
Luke has preserved one form of the early preaching i'1
which particular stress was iaid on the resurrection both
as the certification of the Lordship of Jesus and as the
tokeu that through him God offered to men. The atoning
significance of the death of Jesus is not altogether abseut
from Acts, but it is not the aspect which Luke has chosen
to stress" (175). Gegen Conzelmann und Haenchen wird