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Ausgabe:

1972

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 3

236

Der Anhang enthält eine umfangreiche Bibliographie (Li- Wissenschaft und Ökumenik der Gegenwart gut beraten

teratur zu Werk und Person Martin Kählers) und ein Per- sind, wenn sie Martin Kahler erneute Aufmerksamkeit

sonenregister. Der Herausgeber hat alles in allem — beson- schenken, steht außer Frage.

ders erwähnt sei noch die große Zahl erläuternder Anmer- Leipzig Siegfried Krügel

kungen — eine editorische Leistung vollbracht, die in jeder
Beziehung Anerkennung verdient. Wenn überhaupt ein
Wunsch offen bleibt, so der nach einem Sachregister, das

die systematische Auswertung der missiologischen Konzep- Lehmann, Arno: Bekehrung und Bewährung in den jünge-

tion des großen Hallensers erleichtern würde. Daß Missions- ren Kirchen (Lutherische Blätter 23, 1971 Nr. 104 S. 51-62).

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Folk, Jerry: The Development of the Theology of H. R.
Niebuhr from 1920 to 1962. Diss. Tübingen 1970. 178 S.

Die Dissertation besteht aus sechs Kapiteln. Im ersten
Kapitel wird die Entwicklung der American Social Gospel
Movement auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen Verhältnisse
im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts
dargestellt. Die theologischen Voraussetzungen dieser Bewegung
lieferte Horace Bushnell seit 1876. Die wichtigsten
Vertreter dieser Social Gospel School sind Washington Glad-
den und Walter Rauschenbusch, denen zwei längere Abschnitte
gewidmet sind. Auch werden F. D. Maurice und
Charles Kingsley, zwei englische Social Gospel Theologen,
und andere weniger bedeutende Amerikaner behandelt. Das
erste Kapitel endet mit dem Jahr 1918, in dem Rauschenbusch
und Gladden gestorben sind, und leitet in das zweite
über, in dem die erste Epoche von Niebuhrs Tätigkeit dargestellt
wird.

In seinen ersten Artikeln, die in der Zeitschrift seiner
Denomination erschienen sind, vertritt Niebuhr während
den ersten zehn Jahren seiner Tätigkeit das Interesse der
Social Gospel Schule. Dieser Abschnitt seines Denkens gipfelt
1929 im Buch „The Social Sources of Denomination-
alism in America", das das Anliegen der Social Gospel
Theologie mit Hilfe der Einsichten von Ernst Troeltsch und
Max Weber weiter zu entwickeln versucht.

Schon in einigen Anmerkungen in „The Social Sources
of Denominationalism" macht sich der Einfluß der Theologie
der Krisis in Niebuhrs Denken bemerkbar. Anfangs
stand Niebuhr dieser Theologie ablehnend gegenüber, kam
aber nach 1930 mehr und mehr unter ihren Einfluß, der um
1935 seinen Höhepunkt erreichte. Im Buch „The Church
Against t' e World" und im Artikel „Value Theory and Theology
" stand Niebuhr völlig im Schatten Barths. Diese Entwicklung
von Social Gospel zu Barth hin ist im dritten Kapitel
der Arbeit dargestellt.

Nach 1937, und vor allem nach 1940, wurde Niebuhr
stark vom Existentialismus, der Sozialpsychologie und der
amerikanischen und englischen pragmatischen Philosophie
beeinflußt. In den zehn Jahren zwischen 1940 und 1950 gewann
er aus diesen Quellen Einsichten, die es ihm ermöglichten
, seine Unabhängigkeit von der dialektischen Theologie
zu betonen und eine eigene Theologie zu entwickeln.
Im vierten Kapitel wird dese Bewegung von Barth weg hin
zum eigenen theologischen System erläutert. Grundlegend
für dieses Kapitel ist das Buch „The Meaning of Revelation".

In Kapitel V. wird die vorläufige theologische Synthese
Niebuhrs skizziert. Im ersten Abschnitt ist seine systematische
Theologie Gegenstand der Abhandlung, und wichtigste
Quelle dazu ist das Buch „Radical Monotheism".
Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels wird Niebuhrs ethisches
System dargestellt mit Rücksicht auf das nach seinem
Tod erschienene Buch „The Responsible Seif".

Im abschließenden sechsten Kapitel werden einige kritische
Bemerkungen über die theologische Entwicklung Niebuhrs
geäußert. Die These dieses Kapitels ist, daß sich in
der Entwicklung von Niebuhrs Theologie zwischen 1920

und 1962 die allgemeine theologische Entwicklung widerspiegelt
, wie sie vor allem in Deutschland und Amerika
in diesen Jahren ihren Verlauf genommen hat.

Willi, Thomas: Die Chronik als Auslegung. Untersuchungen
zur literarischen Gestaltung der historischen Überlieferung
Israels. Diss. Tübingen 1969. IX, 307 S.
Ausgangspunkt der Arbeit ist die Untersuchung der
parallelen Abschnitte zwischen den Samuel-Königsbüchern
und der Chronik, die freilich schon immer unter textkritischen
Gesichtspunkten ausgewertet worden sind, noch kaum
je aber in Hinsicht auf Methodik und literaturgeschichtliche
Stellung der Chronik selbst. Obwohl nur am Rande der so
gelagerten Untersuchung liegend, wurden auch orthographische
und grammatische Änderungen sowie kleinere redaktionelle
Retouchen, die der Verfasser der Chronik an
seiner Vorlage (Samuel-Königsbücher) anbrachte, in die
Untersuchung miteinbezogen. Das Hauptinteresse gilt aber
den ins Gebiet einer eigentlichen Interpretation der Vorlage
fallenden Ersetzungen, die der Verfasser der Chronik
vornahm und die daher einer systematischen Betrachtung
Hinweise auf Skopus und Voraussetzungen dieses spätnach-
exilischen Literaturwerks geben können.

Diese Ersetzungen, die weder einer bloß redaktionellen
noch einer eigentlich glossierenden Tätigkeit entspringen,
werden unter den Aspekten der Adaptation des alten Stoffes
an zeitgenössische Vorstellungen, der theologischen Modifikation
, der Rezension und der Typologie betrachtet. Es
ergibt sich, daß das Hauptgewicht keineswegs auf den beiden
erstgenannten, sondern vielmehr auf den beiden letzteren
Kategorien liegt. Die Chronik ist keine „Programmschrift
für das nachexilische Israel"1, sondern Geschichtsschreibung
, die auf den älteren Berichten fußt. Mit ihrem
charakteristischen Musivstil hat sie teil an der gehorsamen
Unbotmäßigkeit jeder Auslegung und gehorcht bestimmten,
die rabbinischen Auslegungsregeln präludierenden Gesetzen
. Die den modernen Historiker irritierenden übergeschichtlichen
Züge der Chronik erklären sich aus ihrer Stellung
innerhalb der Geschichtsschreibung Israels und ihrer
eigenen überlieferungsgeschichtlichen Konzeption. Diese ergibt
sich aus dem Bild der Chronik von den vorexilischen
Propheten, die nicht nur Träger des geschichtswirkenden
Gotteswortes, sondern auch Urheber der göttlich autorisierten
Dokumente der gottgewirkten Geschichte des vorexilischen
Israel waren. So führen äußere Beobachtungen (Interpretationsmethode
) und innere Charakteristik zwingend auf
das Problem der kanonischen Schrift. Sie, nicht zeitgenössische
Bedürfnisse, ist Ursache und Maßstab für die chronistische
Geschichtsschreibung. Jener primären prophetischen
Geschichtsschreibung folgt - immer nach der Sicht der
Chronik — die als Epitome zu verstehende Zusammenstellung
in den Samuel-Königsbüchern, die von der Chronik
als tertiärer Geschichtsschreibung ausgelegt wird. Die Probe
aufs Exempel bildet das Verständnis der chronistischen
Quellen verweise als reiner Auslegungen der deuteronomi-
stischen Verweise, d. h. als Reflexionen des Chronisten über