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Ausgabe:

1972

Spalte:

227-229

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Voigt, Gottfried

Titel/Untertitel:

Der zerrissene Vorhang 1972

Rezensent:

Wintzer, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 3

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ziell alle diejenigen, die nicht zur „neuen" Hermeneutik gerechnet
werden, freundlich genug beurteilt worden sind,
läßt sich fragen. K. Barth (S. 27 u, ö.) und H. Braun (S. 78)
jedenfalls werden nicht ausreichend gewürdigt, ebensowenig
wie die Hermeneutik der Orthodoxie (S. 51). Daß J. C.
K. von Hofmann nicht erwähnt wird, ist schade. Manche
Praktische Theologen sind auch wohl kaum richtig verstanden
(z. B. O. Haendler, S. 106; Müller-Schwefe, S. 110; H.
H. Jenssen, S. 142).

Corrigenda halten sich in Grenzen. Nicht immer sind
letzte Auflagen von Büchern zitiert worden. — S. 29, Zitat 31:
Es ist nicht zu finden. — S. 77: Das Bonhoeffer-Zitat ist nicht
belegt. — S. 79, Z. 15: „Dadurch kommen ..." — S. 80: Die
sprachphilosophischen Beziehungen zwischen E. Fuchs und
M. Heidegger sind nicht eindeutig angegeben. — S. 99: Souveränität
. — S. 100, 1. Z. fehlt ein „sich". — S. 101: Es handelt
sich um A. Niebergall. — S. 109, Z. 2: Thcologia crucis.
— S. 110, Anm. 99: Müller-Schwefe schrieb eine Homiletik
I und II. — S. 117, Z. 17: „sind". — S. 130, Z. 23: Hertzberg. —
S. 148: Eine Quellenangabe zu Gogarten wäre erwünscht.

2. Vf. will „Pfarrern, Katecheten und Teilnehmern am
kirchlichen Fernunterricht... eine Hilfe bieten". Auch „der
kirchlich interessierte Laie" soll sich „über Inhalt, Gang und
Ziel dieses Gesprächs informieren" (S. 7). Ist die Absicht,
für Theologen und Laien verständlich zu reden, gelungen?
Man wird nicht sagen können, daß Vf. unverständlich
spricht. Im Gegenteil, man wundert sich, wie er in der Lage
ist, viele Autoren leichter zugänglich zu machen, als man es
von ihnen selbst oder aus anderen Darstellungen kennt.
Die manchmal etwas naiv wirkenden und eklektisch gegebenen
bibliographischen Notizen (S. 80f, 83, 92, 104) bauen
gewiß manche falschen Vorverständnisse ab. Freilich leidet
die Arbeit aufs Ganze gesehen nun doch unter einem Übermaß
des Angebotes. Wiederholungen, die sich häufiger ergeben
, vertiefen zwar bereits gebotene Angaben; aber wer
kann die Fülle von Kurzdarstellungen letztlich verarbeiten?
Nur ein Beispiel: Was trägt der Hinweis auf E. Fuchs' Sakramentsverständnis
(S. 82) in drei Zeilen aus? Eine übersichtlichere
Themen- und nicht so starke Autorenbehandlung,
die Typisches noch unter deutlicheren Ordnungsprinzipien
referierend zusammengefaßt hätte, wäre bestimmt noch
hilfreicher gewesen: Non multa, sed multum. Der Mut, mit
dem sich Vf. an seine schwere Aufgabe gewagt hat, verdient
Anerkennung.

Rüdersdorf b. Berlin Friedrich Winter

Voigt, Gottfried: Der zerrissene Vorhang. I II. Homiletische
Auslegung der Predigttexte der Reihe IV. Berlin: Evangelische
Ver,lagsanstalt [1969]. 470 S. gr. 8°.
Gottfried Voigt hat seine Predigthilfen, schon bei dem
Erscheinen des ersten Bandes („Der helle Morgenstern")
.homiletische Auslegung' und nicht .Meditationen' genannt.
Dafür gibt es Vorbilder und die Nuance mag gering sein.
Dennoch hat diese Bezeichnung immer ein besonderes Charakteristikum
von Voigts Predigthilfen signalisiert, nämlich
die Nähe zur Predigt. Voigts homiletische Auslegungen enthalten
gleichsam ein teleologisches Moment. Sie sind durch
ein zielstrebiges Voranschreiten zur Predigt charakterisiert.
Die Abfassung einer homiletischen Auslegung soll in dieser
Hinsicht ja einen kreativen Akt darstellen und sich nicht in
einer Reproduktion des Textes erschöpfen. Der gegenüber
gedruckten Meditationen oft und gern geäufjerte Vorwurf,
die Predigt komme direkt oder indirekt nicht genügend in
den Blick, läßt sich hinsichtlich der homiletischen Auslegungen
von Voigt nicht rezitieren.

Dieses Urteil trifft auch für den vorliegenden Band zu,
der die IV. Reihe der .Ordnung der Predigttexte', also eine
mit alttestamentlichen Texten vermischte E p i s t e 1 reihe
behandelt. Wie M. Doerne gibt Voigt zunächst knappe exegetische
Einzelerläuterungen, an die sich die homiletische

Auslegung des Textes anschließt. Sprachlich vermeidet Voigt
möglichst die wissenschaftliche Terminologie. Ein Akzent
liegt auf der Anschaulichkeit, u. zw. in bewußter Unterscheidung
von der Bildhaftigkeit. Nicht selten gelingen Voigt
einprägsame Formulierungen. Abgeschliffene Formeln der
Predigtsprache werden zwar nicht völlig aufgegeben, doch
versucht Voigt, sie zu interpretieren. Als Leser und Benutzer
des vorliegenden Bandes kann man sich nicht nur akademisch
gebildete Theologen, sondern auch Prädikanten
oder theologisch interessierte .Laien' vorstellen.

öfters äußert sich Voigt en passant zu wichtigen homiletischen
Problemen oder er gibt Anweisungen für das homiletische
Verfahren, so wenn er, um nur ein Beispiel zu nennen
, in der homiletischen Auslegung des Textes Kol. 1,15»
zunächst eine begriffliche .Aufräumarbeit' fordert (229).

Die Themen der homiletischen Auslegungen entsprechen
der Vielfalt der Texte. Dennoch lassen sich, besonders unter
dem Gesichtspunkt der heutigen Predigt, verschiedene
Schwerpunkte erkennen. Dazu zählt der Auftrag der Kirche
in der heutigen Welt bzw. die „Unterwegs-Situation" der
christlichen Gemeinde und „die Verborgenheit des göttlichen
Handelns ins Unscheinbare und Unansehnliche hinein
(vgl. S. 157). Diese Erkenntnis habe ihre Probe darin, daß
die Kirche der Weltflucht entsage. Sie sei Kirche in der und
für die Welt. „Wir werden darum nicht aus der Welt erlöst
, sondern mit ihr" (231).

Im Vordergrund steht sodann in dem hier angezeigten
Band der homiletischen Auslegung der IV. Reihe ein lehrhaftes
Moment. Vf. verweist immer wieder auf dogmatische
Zusammenhänge und läßt in diesem Zusammenhang die
theologische Tradition zu Wort kommen. Die reformatorische
Theologie wird dabei bevorzugt. Anregend sind auch
manche Hinweise auf Lieder des EKG.

Einer Diskussion bedürftig ist die Frage, cb die Reihen
der Ordnung der Predigttexte unter einem pragmatischen
Gesichtspunkt, wie Voigt meint, möglichst unverändert übernommen
werden sollen, oder ob manche Texte nicht auszuwechseln
oder anders abzugrenzen (bzw. zu verkürzen) wären
[vgl. z. B. den Text für Reminiszere: Hebr. 11,1—2.6.8.—
10 (17—19)]. Die Tatsache, daß nicht alle Texte der ,Ordnung
der Predigttexte' als homiletisch dienliche Texte zu bezeichnen
sind, müßte freilich zu einer allgemeinen Überprüfung
der .Ordnung der Predigttexte' führen.

Es wurde eingangs bereits darauf verwiesen, daß Voigts
homiletische Auslegungen nachdrücklich auf das Predigen
hin ausgerichtet sind; ja, manche Einzelabschnitte sind bereits
predigtartig formuliert. Darüberhinaus gibt Voigt
recht einfache Gliederungen. Diese Form der Ausrichtung
auf die Predigt kann allerdings auch die Gefahr einer gewissen
Einengung enthalten. Die festgefügten, weithin aus
einer homiletischen Integration des Textes erwachsenen
Gliederungsschemata können die Grunderkenntnis verdek-
ken, daß über einen Text sehr verschieden gepredigt werden
kann. Voigt selber versteht seine Gliederungen allerdings
nur als Vorschläge. Eine akzentuierende und aktualisierende
Auslegung eines Textes wird im Einzelfall andere
Wege gehen müssen.

Damit ist aber ein Grundproblem der Predigthilfen selber
angeschnitten. Es handelt sich um das Faktum, daß homiletische
Konkretionen innerhalb einer Predigthilfe nur
exemplarisch gegeben werden können. Auch aus diesem
Grunde bedarf es heute wohl eines Angebotes verschieden
angelegter homiletischer Auslegungen. G. Voigt hat in diesem
Zusammenhang geurteilt, „die schon vielerorts geübte
und dringlich zu empfehlende gemeinsame Vorbereitung
der Predigt" vollziehe „sich auf literarischer Ebene eben so,
daß man sich nicht nur an einen Gewährsmann" halte, da
die unterschiedlichen Predigthilfen einander ergänzen können
(ThLZ 96, 1971, Sp. 543). Die homiletischen Auslegungen
Voigts haben in diesem heute vorliegenden Angebot längst
ihren festen Platz und werden ihn nicht zuletzt deshalb, weil