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Ausgabe: | 1972 |
Spalte: | 210-211 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Titel/Untertitel: | Luther in Worms 1972 |
Rezensent: | Kirchner, Hubert |
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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 3
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em praktischen Leben der Kirche gaben." (S. 14f). Er be- durch Gespräche zu beenden. Er hatte ein großes Vertrauen
schränkt seine Untersuchung bewußt auf den 1 u t h e r i - zu solchen Verhandlungen. Hareide sieht in Bucer den ein-
schen Protestantismus, auf die „geographischen Ur- zigen Repräsentanten auf lutherischem Boden, der in die-
sprungsgebiete des Luthertums (Mittel- und Norddeutsch- sen Gesprächen ein „Opfer" gebracht habe: „Durch das
land)", d. h. den Einflußbereich der Wittenberger Theologie. Chrisma wird der Heilige Geist übermittelt (S. 165). Damit
Damit leuchtet bereits das Ziel der Arbeit auf: Hareide will habe nur er die Grundsatzhaltung der Katholiken und der
dle -Selbständigkeit des Gebietes um Wittenberg gegenüber Protestanten überschritten. Die Katholiken hätten entschie-
"er BnwrTmju- » • j- i_- i_ i u „ den an dem sakramentalen Moment der Konfirmation fest-
ou(_er-iradition erweisen, die bisher kaum zu ihrem , . ... . .. _ t . , , _ , .
Recht gekommen ' gehalten, während es die Protestanten verwarfen. Das hat
Im t u,.—u -w ~- i .i ii i r- j .■ nicht ausgeschlossen, daß einzelne Konfirmationsordnungen
™> L Hauptteil („Die katholische Konfirmation und die , . ~ M. , _ ,. „.„ . , .71
lutheriirliQ v i i i r. ™ i t j „r auf lutherischem Boden die Mitte zwischen evangelischer
mensche Kritik nach 1520, S. 22—54) gelangt der Vf. zu , ,. ,. ._____. . , . .. . a _ ..
dem FrnoK„-„ t ii , , , .r.. , ,. , _ Lehre und katholischen Zeremonien einhielten, wie z. B. die
trgebnis, Luther habe nach 1520 nicht „jegliche Form . , . . ' ., ,
der Knnf;™ u , .„ , i i t j j- brandenburgische von 1540. Das Ergebnis dieses Teiles kann
1 ^ontirmation überhaupt" abgelehnt, sondern nur die ,, .. , 3 ., . . ,
„Auflasen,, i c 1 „ ,„ . .. ., Hareide etwa so zusammenfassen: 1. Einig war man sich
uuassung als Sakrament" (S. 44). In einem II. Hauptteil , ... , , c , . , _77__
LDip p„tc i._ , , j i_, ~c in der Ablehnung des Sakramentscharakters der Konfirma-
'-~"e Entfaltung von Katechese und Abendmahlsprufung . ... , . . r . . . . _ ,__„ .. . ,
nach i^m c ..,.„". . , , . • ■ , . tion. 2. Nicht einig war man sich in der Frage der Beibehalten
lb20, S. 55—108 ) wird der Ansatz zu einer ran kate- . ____..TT .. , , „ _.. .
cheti=r-i,~- / „ , . . . _. tung der Konfirmation — sie hatte einen zu festen Sitz in
="scnen Konfirmation dargestellt und interpretiert. Die , °_ .... , „ ., , . , ., _ . ,
luthpric^t, r, • • , „ . . , ^ • • t ta- i der Tradition des Volkes — und in der Frage ihrer Gestalterische
Position wird treffend charakterisiert: „Die lu- . _. . „__. „, „ .. r. .... .
therkrho„ t. c . . .. , ., ,. . , tung. Dies wird vor allem im IV. Hauptteil deutlich („Die
=nscnen Reformatoren lehnten die katholische sakramen- . . , . , . ... ,v „ v
tale K^e , , , , _ . , Konfirmation in der praktisch-kirchlichen Gestaltung nach
c Konfirmation ab _ und betonten starker die Taufe . % . ,. , ,a
(S. r- ■ , , , ii- • t „ t v dem Interim 1552 , S. 274—300). Die unterschiedliche Em-
^ Die im Mittelalter stark vernachlässigte Katechese ' . , . , .
Hufi npii „„ir it , , «• j- o i t Stellung zur Ritenfrage fuhrt dazu, daß sich zwei verschie-
"ij neu entfaltet werden, um dem Taufimg die Sakraments- ,._ ^ ~f .' ' .. ,, ,.
9nad° n=u„ t- • , .. ,. , dene Konfirmationstypen ausbreiten: die rituelle und die
= u- nahezubringen, weil bei Luther der personliche Glau- . . ..... , . . . .. _ ... . , . . . ,
°e eine „„i. l ... _ ,, . ,t „ t „f , .- £ rein katechetische. Prinzipielle Gegensatze sind nicht mehr
"ne entscheidende Rolle spielt. Getaufte Kinder dürfen , , * . rtt i j
"'*t langer ohne Taufunterweisung - Katechese - bleiben, erkennbar, prak isch-theo^gische Überlegungen werden
dai»it sie die Taufgnade nicht verspielen. Ähnliche Gedan- ausschlaggebend (vgl S. 299).
ken h^i-ro r t, i_ ^ /c o<u: Die Monographie Hareides füllt in der Tat eine Lücke aus,
1 natte vor Luther schon Erasmus erwogen (S. 62ff). ... 7° f. , . , , , . .„ . . , „ (.
Sem Voro^i • . .. . „ ^ , • , b___i. weil sie sehr viel bisher unbekanntes Material zur Konfir-
2u schall ^ w emen ai e = h 1 s m " s a,s mationsgeschichte auswertet und kritisch interpretiert. Dabei
*i sneln /'T V°,rleSf V°r d^ ?ememdeerfolgtineinigenPunkteneineKorrekturfrühererForschungs-
*e S Vr Knabu"' die Jugendalter erreicht haben ^ T^ wesentiichen Punkten jedoch werden schon
als V0ra , mm(t.berCltS 3 6 Jruf™9fauf' bekannte Erkenntnisse vom Entstehen und Wachstum luthe-
sPrechea f r!1"9 VT "andlung' m ^J^-J^ Tl rischer Konfirmation nur bestätigt. (Ablehnung des Sakra-
4 SJfr fZu eLneUGrt Wl HareldW*rt mentsverständnisses, Maßstab der praktisch-theologischen
ewte SSh ^en <lie These Maurers Erasmus habe die Zweckmä6i keit bei Wiedereinführung der Konfirmation
le Protestantische Konfirmation lanciert. Erasmus hielt u • j • a „ a„„ c.f, ,-,1,»™=!,™.,
vielmp>,^ j , i r t ii t. u. a.) Auch wird nicht jeder Forscher den Satz ubernehmen,
c"nenr an der romischen Sakramentslehre fest, „allzusehr " , ' „. ' . .. .__- . . ,
an dip .ii r i . .. , 1- v „• u » u j„« daß Bucers Konfirmationshandlung einmutig von der
U1e alte Lehre und die katholische Kirche gebunden > , . 3 =
(S. 7ni , , . „ ,. ,. »,„j-r. Forschung - gemeint ist das umstrittene Kasseler Formu-
iu). er denke an eine selbständige Handlung, verstanden M ■ _
a-s Tanfo«: , , ,, j ^- t j..__ lar — sakramental gedeutet werde (S. 145f). Man vergleiche
iauterinnerung, und betone vor allem den Katechismus- 3 »-__e„ i „ v incn
SedanVp^ u • , , ^...... _u • dazu W. Nagel (Probleme der Konfirmation, Berlin 1959,
"iKen. Bei Luther fanden sich dagegen von vornherein „.„._, a , . „__. . _ ,
Ansät7« , , , c- » j- j- S. 12f), der sich für ein Verständnis der Bucerschen Einseg-
Steife LT eincr -Ka^het,schen Konfirmation die an die ^ sinne Fürbitte rinsetzt _ Wer skh heute mit
er üLr H r°TchT, Sakfmentes tretf S0,lte, Damit gmge der Problematik einer Neuordnung der Konfirmation aus-
s*laaenp^ V°rschla9 des Erf ™us hmaus' desse" vorge- einanderzusetzen hat, wird auf jeden Fall gern zu diesem
Entfall Handlun9 in der Luft h.nge. Luthers Motive zur ßuch ^ ^ ^ ;hm deutlich ^
s^h a««*? ?" Katechese und Abendmahlsverhor hatten artigen Fragestellungen zum Teil schon in der Refor-
°is der m klrchlichen ^e ergeben. Wegen der Unkennt- mationszeit zur Debatte gestanden haben: Die Frage, ob die
Visitation SS6n mÜSSCn Sakramcnte 9eschutzt werden: Konfinnation überhaupt durch ein „Konfirmierendes Han-
als KatPrl? Ze'9Cn ihm' d^ df gröliic a V0ltenW dein" = Katechese zu ersetzen sei, Überlegungen zur Not-
^htHchen r6anzUSprtCheVel' v°a dÜST Z wendigkeit eines Konfirmationsaktes, die Problematik der
hör her TJZ T fKateC^6Se und Abendmahlsver- ^ insbesonderc der Handauflegung und schließlich das
Viele. ,edoS *f T Konf.rmationsverstandnis, daß s^h Admissioprob]cm. Das Wcrk hat vor allem informatorischen
***** haben r fa ' Iuthcrlsche", Kirchen zu e'9en„9'" und meinungsbildenden Wert, auch dann, wenn man sich
l08) GdtJn ir"^" a°A zuAd"llssl° geworden. (S. ^ aUen Interpretaüonen Hareides voU anschlie6en kann.
li<v,i , n Ratchese und Admissio als Hauptmotive, dann , :„r_,_,_f„:„v,__ •,, . £ . •• .
egt k^in u-j. . . ^.-11 Um des mtormatoraschen Wertes willen, der auf der grundein
n entscheidendes Interesse an der Entwicklung .. . „ 4„..,„w,,__. ■ . _ , , ^__. , £ ,.
ner litnnpii^t, ,^ <■■ j n • liehen Auswertung bisher unbekannten Materials beruht,
P:_ ucurgischen Konfirmation vor. Hareide will nun in , . „ . - . .
einem itt tl ■ , ^ • „ • i wäre neben dem Personenregister ein Sachregister wun-
fa) "i. Hauptteil zeigen, daß auch rituell, ja sakramen- , !° .3 ,
WI orienHort« ^ "T „ f , , . , „ sehenswert gewesen. Zur weiteren Klarung der noch lm-
den ent^tanH on[irnlat:lons^ormen auf lutherischem Bo- mer fes fahren£n Konfirmationsproblematik gibt das
im lutheriset" « (l Tien f° ?™ 7f vorgelegte Werk in vieler Hinsicht wertvolle Impulse.
Djsv lnenschen Bereich in den Jahren 1530—1540 und die 3 a
BucerSS1°n darübcr- s- 109-273). Der Vermittlungstheologe Berlin Klaus Kozi01
hin= 9e^lt ^ber den Katechismus- und Admissiogedanken
Hin tUnd ^t den S a k ra m e n t s a s p e k t hinzu. Diese R°99e. Joachim [Hrsg.], Luther in Worms 1521-1971. Ein
9ip n 9Ung wird erklärt durch Bucers Sakramentstheolo- Quellenbuch. Berlin: Evang. Verlagsanstalt u. Witten:
Sa f !, Kindertaufe (= Wassertaufe) gibt nicht alles, sie Luther-Verlag (1971). 160 S„ 16 Taf. 8».
werd der Ergänzung. Der Getaufte muß zur Reife geführt Gerade rechtzeitig zum 450. Jahrestag von Luthers Be-
gjj en- °ie wirkliche Einverleibung in die Kirche ge- kenntnis vor dem Reichstag zu Worms, welches für den wei-
hatt durch Taufe und Konfirmation. Bucer teren Fortgang der Reformation so entscheidende Weichen
Ansatnach Hareide nicht nur einen anderen theologischen stellte, erschien diese kleine Quellenpublikation, gleichsam
bereit ^ Luther' er stand auch anders zu den Versuchen, als eine Festschrift eigener Art. „Einer nüchterner und das
1 in der Reformation die theologischen Gegensätze heißt vornehmlich sachlicher gewordenen Kirche sollte es