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Ausgabe:

1972

Spalte:

192-194

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wead, David W.

Titel/Untertitel:

The literary devices in John's Gospel 1972

Rezensent:

Fischer, Karl Martin

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 3

192

Weise untersucht zu haben; sein Ergebnis, daß es sich bei
beiden Texten um redaktionelle Bildungen handelt, ist überzeugend
. Man wird die umfassende Sichtung des sprachlichen
Befundes, die nicht nur mit der Wortstatistik arbeitet,
sondern jedes einzelne Vorkommen eines Wortes auf seine
Herkunft prüft, als vorbildlich bezeichnen können.

Über diese Einzeluntersuchungen hinaus hat der Vf. aber
noch ein größeres Ziel im Auge: Er will die Zwei-Qu.-Th.
modifizieren, und zwar glaubt er nachweisen zu können, daß
Mt und Lk nicht unseren Mk, sondern eine überarbeitete
spätere Fassung desselben benutzt hätten. Die Möglichkeit
eines „Deuteromarkus" ist gelegentlich in der angelsächsischen
Literatur schon erwogen worden (S. 13 mit Anm. 47),
ohne eingehend begründet worden zu sein. Auch Fuchs führt
diese These nicht vollständig durch, behandelt aber ausführlich
mehrere Texte (bes. S. 55—57: Mk 6,32—44 parr.; S.
66-69: Mk 4,35-41 parr.; S. 74-78: Mk 10,23-31 parr.;
104—107: Mk 11,27—32 parr.). In diesen und anderen Fällen
scheinen die schon gelegentlich beobachteten „minor agree-
ments" zwischen Mt und Lk gegen Mk auf die Vorlage einer
„Zweitauflage" des Mk hinzuweisen. Der Vf. sieht zwar die
Möglichkeit, daß derartige oftmals nur in der Zufügung
oder Auslassung einer Partikel, einer Tempusänderung oder
stilistischen Korrektur bestehende Übereinstimmungen nicht
unbedingt einen Rückschluß auf die Quellenbenützung gestatten
, glaubt aber doch bei wiederholtem Auftreten derartiger
Gemeinsamkeiten zwischen Mt und Lk auf Deuteromarkus
schließen zu können (S. 75 u. ö.). Es ergibt sich
die interessante These, daß die Bearbeitung des kanonischen
Mk nicht nur eine sprachliche Verbesserung darstellt, sondern
daß sie auch theologisch einer späteren Stufe angehört,
„in der die christologische Darstellung des Mk verdeutlicht
bzw. verbessert und vertieft wurde" (S. 169).

Trotz der vom Vf. aufgewandten Mühe bekennt Rez., daß
ihn die Deuteromarkus-Theorie noch nicht überzeugt hat.
Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß sich der „primitive"
Mk erhalten haben sollte, während die „zweite, verbesserte
Auflage" verlorenging. Sodann erhebt sich die Frage, ob Vf.
mit Recht annimmt, daß eine Mehrzahl von einzelnen nicht
beweiskräftigen Argumenten durch ihre Summierung beweiskräftig
wird. Dies müßte natürlich an den Texten geprüft
werden.

Wir wollen hier nur die besonders ausführliche Untersuchung
zu Mk 4,35—41 kurz nachprüfen, da dieser Text eine
gewisse forschungsgeschichtliche Bedeutung hat i wurde doch
die neuere redaktionsgeschichtliche Forschung wesentlich
durch G. Bornkamms Untersuchung dieses Textes (Jahrbuch
der Theol. Schule Bethel 1948, S. 49ff) angeregt. Was Bornkamm
als interpretatorische Arbeit des Mt herausgestellt
hatte, glaubt Fuchs z. T. schon auf das Konto des Deuteromarkus
setzen zu müssen, nämlich die Umstilisierung der
Wundergeschichte ins Paränetische.

Fuchs führt 13 Punkte an, in denen Mk II sichtbar werden
soll:

a) Die „wenig ehrfurchtsvolle Formulierung" von Mk
4,36 ("sie nahmen ihn mit im Schiff, wie er war) wird durch
eine „gläubigere" ersetzt. Dies können Mt und Lk unabhängig
voneinander getan haben, wie ja auch der unterschiedliche
Wortlaut der Änderung zeigt.

b) Die „Stilisierung ins Vorbildhafte" geht auch aus der
besonderen Erwähnung der „Jünger" hervor. Dies war freilich
bei Mt wie bei Lk nötig, da sie die Perikope in anderen
Kontexten bringen, mithin das bloße avxoXi des Mk präzisieren
mußten j der Wortlaut der Ergänzung ist recht unterschiedlich
.

c) + d) + j) Aus der „typisierenden Absicht" heraus
habe schon Mk II die „anderen Schiffe" von Mk 4,36, das
Kopfkissen von Mk 4,38 und die „menschlich erscheinende
Schilderung" des Befehls an den Sturm (4,39) weggelassen.

Es ist aber zu bedenken, daß Mt und Lk auch unabhängig
voneinander derartige ausmalende, kerygmatisch unerhebliche
Details streichen (vgl. Mk 2,4 parr.: Mt streicht
ersatzlos, Lk kürzt; Mk 5,2—5: Mt und Lk kürzen, aber unterschiedlich
; das Befehlswort Mk 5,41 wird von Mt gestrichen
, von Lk nur in Übersetzung gebracht). Vgl. auch Haw-
kins, Horae synopticae, 1909, S. 128ff.

e) + f) + 1) Der Ersatz des histor. Präsens und der parataktischen
Ausdrucksweise ist auch sonst bei Mt und Lk unabhängig
voneinander zu finden (s. die Tabelle bei Hawkins,
S. 144ff).

g) Die Umgestaltung des Vorwurfs der Jünger (Mk 4,38)
zu einem Hilferuf entspricht der bei Mt und Lk gleichermaßen
anzutreffenden Tendenz, das Bild der Jünger zu
idealisieren. Daß nicht Mk II, sondern Mt und Lk unabhängig
voneinander geändert haben, verrät sich in der für den
jeweiligen Evangelisten charakteristischen Anrede Jesu
(xvatE'ijiiotdza).

h) Die Auslassung des eher (Mk 4,39) hängt ganz einfach
mit der Streichung des Befehlswortes (j) zusammen.

k) Die Einfügung des „Wunderns" ist bei einer Wundergeschichte
stilgemäß; Mt hat dieses Motiv auch in der
zweifellos redaktionellen Heilungsgeschichte 9,32ff, bei Lk
kommt es noch öfter vor.

m) Die Verbesserung des Singulars inaxovst (Mk 4,41)
ist mehr als naheliegend. Für alle „minor agreements" ist
es also unnötig, eine Sonderquelle zu bemühen.

Vf. betont selbst, daß seine Beobachtungen zu Deuteromarkus
noch der umfassenden Darlegung bedürften (S. 17);
es ist zu hoffen, daß er diese Untersuchung mit der gleichen
Umsicht und Gründlichkeit wie bei den beiden Perikopen
Mt 9,27ff und Lk 21,14f vornimmt.

Dabei müßte untersucht werden, ob etwaige gleichlautende
Änderungen einer Mk-Stelle einer auch anderwärts
zu beobachtenden sprachlichen oder theologischen Tendenz
beider Evangelisten entsprechen; ist dies der Fall, dann
kann keine Quelle für die Änderung verantwortlich gemacht
werden. Es ist jedenfalls erfreulich, daß der Vf. „die
.niederen' Probleme, bei denen Kärrnerarbeit zu leisten und
Staub zu schlucken ist" (Harnack), nicht umgangen hat.

Erlangen Helmut Merkel

Wead, David W.: The Literary Devices in John's Gospel. A

Dissertation for the Acquirement of the Degree of Doctor
of Theology submitted to the Faculty of Theology of the
University of Basel, Switzerland. Basel: F. Reinhardt i.
Komm. 1970. VIII, 130 S. 8° = Theologische Dissertationen
, hrsg. v. Bo Reicke, IV. Kart. sfr. 14.80.
Die Untersuchung beginnt mit der zweifellos richtigen
Feststellung, daß Joh. wesentlich konsequenter als die Synoptiker
die Geschichte Jesu vom nachösterlichen Standpunkt
aus schreibt. Ob darüber hinaus auch ein wesentlicher theologischer
Unterschied besteht, fragt W. nicht. Alle sachkritischen
und sogar literarkritischen Überlegungen ausklammernd
stellt W. sich allein die Aufgabe, die verschiedenen
literarischen Stilmittel darzustellen, durch die Joh. das nachösterliche
Verständnis (für W. eine anscheinend prinzipiell
einheitliche Größe) in dieGeschichte Jesu zurückträgt. Richtig
ist die grundsätzliche Beobachtung, daß die literarischen
Stilmittel des Joh. darauf bauen, daß der Leser von dem Verständnis
der Ereignisse mehr als die einst an ihnen unmittelbar
Beteiligten weiß.

Kap. 1 (1—11) erläutert den nachösterlichen Standpunkt
näher. Der Erzähler der Geschichte sei nach Joh. 21,24 der
Lieblingsjünger. Er ist ein Augenzeuge oder ist bekannt mit
einem Augenzeugen aller Geschehnisse. Zwar gibt W. zu,
daß ein Augenzeuge nicht bei allen Geschehnissen selbst
dabei gewesen sein kann „but we can see in all these figu-
res the witness to the events who relates them to us and
assume the author intended to infer the beloved disciple
had acquaintance with them all" (3). Obwohl der Vf. also