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Ausgabe:

1972

Spalte:

188-190

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Die symbolischen Handlungen der Propheten 1972

Rezensent:

Jepsen, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 3

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gleich Neh 8 folgen läßt und offensichtlich mit dem jetzt
verlorenen Schluß Neh 8,13—18 zu Ende ging.

Dem Beweis dieser These dient zunächst (Kap. II, 32—73)
eine Prüfung des Verhältnisses zwischen 3. Esra und der
kanonischen Fassung des chronistischen Geschichtswerkes.
Wichtigste Ergebnisse sind hier, daß der Einschub der Pagenerzählung
3. Esra 3,1—5,6 nicht vom Übersetzer selbst,
sondern von einem späteren Ergänzer vorgenommen wurde
(der deshalb Esra 4,6—24 in 3. Esra 2,12-26 vorwegnahm,
vgl. 37), daß außerdem die Verknüpfung von Esra- und Ne-
hemia-Geschichte dem Übersetzer noch nicht vorlag (ein Exkurs
, 150—1), behandelt die sprachlichen Unterschiede zwischen
3. Esra 3,1—5,6 und seinem Kontext). Es schließt sich
an (Kap. III, 74—126) eine ausführliche Untersuchung des
Verhältnisses zwischen der Darstellung der Esra-Geschichte
bei Josephus (Ant. XI,1—158) zu seiner Vorlage 3. Esra (74—
114) und der Darstellung der Nehemia-Geschichte (Ant. XI,
159—183) zu Neh. 1-13. Vor allem der Nachweis starker Abhängigkeit
im Sprachgebrauch bei Josephus von 3. Esra
gibt für die Annahme den Ausschlag, daß ihm 3. Esra als
Vorlage gedient hat; außer 3. Esra 2—9,55 hat Josephus anscheinend
noch den Neh. 8,13—18 entsprechenden verlorenen
Schluß des Werkes gekannt, nicht jedoch eine Fortsetzung
mit Neh. 9 (113). Vom Neh.-Buch kannte Josephus Kap.
1—7 wohl in der kanonischen Form; nicht jedoch die jetzige
Komposition Kap. 8—12, in der ein Zusammenwirken Esras
und Nehemias vorausgesetzt wird (123—126).

Schließlich wird (Kap. IV, 127—148) die ursprüngliche Abfolge
der chronistischen Esra-Erzählung behandelt. Wichtigster
Punkt ist dabei die Frage nach der Stellung von Neh. 8.
Die Auffassung, daß Neh. 8 ursprünglich direkt an Esra 10
anschließt, wird sachlich begründet: das Fest kann nur gefeiert
werden, wenn alle Teilnehmer kultfähig sind; das
war erst nach Erledigung der Mischehenfrage (Esra 10) der
Fall (139). Außerdem ergibt sich diese Reihenfolge aus der
Stellung der Feste in der Geschichtsdarstellung des Chronisten
, der sie jeweils an geschichtlichen Höhepunkten anordnet
(140-142). Neh. 8 charakterisiert das Ziel des chronistischen
Werkes: es will in der Schilderung des idealen Gottesdienstes
am Neujahrstag und eines paradigmatischen Laubhüttenfestes
(13(5—138) die Legitimation der nachexilischen
Kultgemeinde verklären (146). Die Nehemia-Denkschrift hat
der Chronist dagegen noch nicht in seinem Werk verarbeitet
; nicht nur, daß er sich von ihrem Thema (Mauerbau)
eher distanziert hätte — er hätte auch wenig günstige Einzelzüge
retuschiert, vor allem die seinem Idealbild von Sa-
lomo widersprechende Notiz Neh. 13,26 (143—145). Einwände
Rudolphs gegen die gottesdienstliche Deutung von
Neh. 8,1—12 (das Wassertor als Ortsangabe, das Fehlen von
Opfern) widerlegt Exkurs II (151—154).

Daß das Verhältnis von 3. Esra und Josephus seit langem
eine erneute Untersuchung verlangte, muß unterstrichen
werden1. Der Vf. hat Entsprechungen vor allem im Wortlaut
der „Dokumente" aufgezeigt; Abweichungen, Sondergut des
Josephus usw. erklärt er mit dessen (hellenistischer) Leserschaft
und stilistischen und inhaltlichen Zielsetzungen. Vermutlich
wird hier die Diskussion weitergehen. Zwar scheint
bewiesen, daß Josephus tatsächlich 3. Esra als Hauptvorlage
benutzt hat; offensichtlich standen ihm jedoch noch andere
Quellen zur Verfügung: bessere weltgeschichtliche Nachrichten
über die Regierungszeiten der persischen Könige usw.
(vgl. 91), und sein schriftstellerischer Ehrgeiz gebot ihm
freie Handhabung seiner Vorlagen. Dazu hätte man gern
einen eingehenden Vergleich mit dem Text von Eadnagß'
(dem kanonischen Text) gesehen, ob nicht Josephus gelegentlich
doch mit diesem verglichen hat (Beispiel: das „Dokument
" 7,12 beginnt gleich mit dem Titel ßaatievt ßaailkov
wie auch Josephus 123, danach hat er sofort in Einh]? verbessert
). Vor allem aber sind starke Zweifel angebracht, ob
zur Zeit des Josephus die kanonische Form des Esra-Neh.-
Textes noch gar nicht existiert haben sollte (Abschluß des

Kanons ca. 100 n. Chr.), wenn sie aber existierte, ob sie Josephus
hätte unbekannt bleiben können. Manchmal, wie zu
Ant. 18—19 (95), wirkt das Ableugnen einer solchen Kenntnis
fast wie ein Ausweichen.

Im Grunde ist die wichtigste These des Buches hiervon
jedoch gar nicht berührt: daß die älteste Form der chronistischen
Darstellung die Nehemia-Memoiren noch nicht gekannt
hat. Dies, und die ursprüngliche Reihenfolge Era 7—
10; Neh. 8 scheint einleuchtend begründet, vor allem durch
die treffende Charakterisierung von Neh. 8. Der Wert von
3. Esra wäre erheblich gestiegen, wenn sich in diesem eine
recht alte Übersetzung einer Frühform des chronistischen
Werkes erhalten hat. Hiermit ist nun freilich keine ganz
neue Einsicht gewonnen j man wird aber sagen können, daß
die Arbeit Pohlmanns einer der schon bestehenden Positionen
einige neue Stützen geliefert und damit die Diskussion
ein Stück weiter geführt hat. Am wichtigsten erscheint dabei
die genauere Beschäftigung mit dem Charakter der Quellen
: auch an dieser Stelle wird man von der redaktionsgeschichtlichen
Sicht größere Möglichkeiten gegenüber der
vorwiegend historisch orientierten litcrarkritischen (Rudolph
, der zur Annahme mehrfacher redaktioneller Umstellungen
gezwungen ist) erwerten können.

Bochum Henning Graf Reventlow

1 Die letzte eingehende Untersuchung dieses Verhältnisses stammt
von A. Treuenfels, in: Der Orient, 1849-51, vgl. das Lit-Verz., 163.

Fohrer, Georg, Prof. Dr. theol. Dr. phil.: Die symbolischen
Handlungen der Propheten. 2., Überarb. u. erweit. Aufl.
Zürich-Stuttgart: Zwingli Verlag (1968). 126 S. 8° = Ab-
handlgn. zur Theologie des Alten und Neuen Testaments,
hrsg. v. W. Eichrodt u. O. Cullmann, 54. Kart. DM 18,—.
G. Fohrer hat 1968 seine Abhandlung über die symbolischen
Handlungen der Propheten in 2., „überarbeiteter und
erweiterter" Auflage erscheinen zu lassen, ein Zeichen dafür,
daß die zuerst 1953 erschienene Arbeit immer noch verlangt
wird. Die Erweiterung gegenüber der ersten Auflage besteht
vor allem im Abdruck aller in Frage kommender Texte, die
Überarbeitung in der Aufnahme der seit 1953 erschienenen
Arbeiten in die Anmerkungen. Am Text und damit an
den Thesen des Buches hat F. nichts Wesentliches geändert.

Seine erste These ist, daß die symbolischen Handlungen
der Propheten fast immer in entsprechenden magischen Riten
ihre Analogie haben. Zum Erweis dessen fügt er den
abgedruckten Texten Parallelen aus den magischen Praktiken
der ganzen Welt bei (S. 20—71). Dann behandelt er
die vielfach umstrittene Frage, ob die Handlungen von den
Propheten auch wirklich ausgeführt worden sind, und beantwortet
sie mit einem glatten Ja. Nach Klärung dieser
Fragen stellt sich ihm das Problem, wie das Verhältnis der
prophetischen Handlungen zu den analogen magischen
Praktiken zu beurteilen ist. F. betont nun, daß das magische
Element wohl weithin nachwirke, aber im wesentlichen völlig
überwunden sei. Denn die Propheten handelten immer
direkt oder indirekt in Auftrag und Vollmacht ihres Gottes
und damit sei jede Magie überwunden, trotz mancher Ähnlichkeit
in der Form. Das bedeutet aber, daß die prophetischen
Handlungen einmal als bedeutsames Glied ihrer Verkündigung
zu beurteilen sind, darüber hinaus aber auch den
Propheten selbst in das Geschehen der Handlung, oft stellvertretend
, einbeziehen, und zuletzt, da im Auftrag Gottes
geschehend, auch unmittelbar wirksam werden, indem sie
Gericht oder Heil heraufführen. Daraus zieht F. dann einige
Folgerungen, besonders in der Richtung, daß die Propheten
die Magie überwunden und damit sich auch von den Traditionen
des Alten Orients gelöst haben. Sie sind „weder Reformatoren
noch Revolutionäre, wohl aber... neu schöpferische
Gestalten, die die Traditionen, an die sie anknüpfen,
umbildeten und umwandelten". F. legt großes Gewicht auf