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Ausgabe:

1971

Spalte:

167-175

Autor/Hrsg.:

Heyer, Friedrich

Titel/Untertitel:

Fünf Jahre theologischer Literatur über Herman Schell 1971

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KS7

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

Inn

ten. Eine dreifache Übersetzung erfahrt auch das sinnverwandte
Wort nei^taUiiffS. In Hehr 11,13 lesen wir
hospes, in l.Petr 2,11 peregrinus (neben nifout, =- ad-
vena) und in l.Petr 1,1 advena. Adveiia ist in Eph 2,19
und l .Petr 2,11, aber auch Apg 7,29 Obersetzung für
.•r«o«/xo«,-, während in Apg 7,6 b dafür accola gewälilt
wurde. Dali advena und peregrinus zusammenstehen als
verwandt, bezeugen sclion Plautus Poenulus 1028 (homi-
nem peregrinum atque advenani (|ui invideas) und Cicero
(de orat I, 249 ne in nostra patria peregrini atque advenae
videamur), aber auch Tacitus Dial de orationibus 7,18
(advenae et peregrini iam in municipiis et coloniis suis
auditos oratores cum primum urbein attigerunt, requi-
runt). Derselbe Tacitus (Ann XI, 24) läßt Claudius darlegen
, wie viele Kabiner, Etrusker, Gallier u.a. gute römische
Bürger und Patrioten geworden sind, und läßt ihn
freimütig sagen: advenae in nos regnaverunt. Das tus-
kische Quartier verdanke ja „Ankömmlingen" seinen
Namen (e vocabulo advenarum dictum Ann IV,05). Advena
ist überhaupt, wie ein Blick in den Thesaurus schon
ergibt, der häufigste Begriff. Er stellt in der Reihenfolge
anzuredender Zuhörer an letzter Stelle. (Plautus Aulu-
laria 40 optati cives populäres, incolae accolae advenae
oinnes...). Cicero wendet ihn in einer bezeichnenden
Weise auch auf die Götter an, wenn er de legibus 11,19
schreibt: separatim nemo habessit deos neve novos neve
advenae nisi publice adscitos... Aber ebendort 11,37 berichtet
er vom Kampf des Aristophanes gegen Sabazius et
quidam alii dei peregrini. Dabei weißCicero um einen Wandel
des Sprachgebrauchs, wenn er de off 1,37 sagt: Hostis
apud maiores nostros dicebatur, quem nunc peregrinum
dicimus. Hostis bedeutet also ursprünglich Fremdling,
Gast, nicht „Feind, Gegner" wie später. Die Spannweite
vom Gastfreund zum Feind wird sich aber wohl aus einer
Vergangenheit erklären, wo der Fremde als unheimlich
und gefährlich betrachtet wurde. Die Erfahrung entschied
in concreto, ob er sich als Feind oder Freund entpuppte
. Spätere Differenzierung in hostis und peregrinus
hängt doch wohl mit der Humanisierung zusammen. Und
wenn Cicero auch eine Freiheit als falsch bekämpft, die
das Respektverhältiiis von Vater und Sohn, den Unterschied
von civis und peregrinus mißachtete (de re publica
1,67), wenn er ablehnt, jemanden als civis anzusehen, der
es nicht ist (de off 111,47), so hält er es für falsch, sie von
der Hauptstadt fernzuhalten (wie einst den Remus, jüngst
den Parsius) und folgert: usu vero urbis prohibere pere-
grinos sane inhumanum est. Ja, der peregrinus, privatim-
ne an publice venerit, ist lieb und wert zu achten, kommt
es doch auf eine communis totius generis hominum con-
ciliatio et consociatio an (de off 11,149). Verwiesen sei auf
die exakte Differenzierung der Bedeutung von incola, in-
quilinus, advena und peregrinus bei Isidor IX 4,37-42.
Advenae = incolae adventicii sed permanentes (im Gegensatz
zu inquilini, qui emigrant et non perpetuo permanent
). Peregrini dicti eo quod ignorantur parentes, a
quibus orti existunt, sunt enim de longinqua regione. Diese
„ferne Gegend" in Verbindung mit Unkenntnis der

Verhältnisse in der aufgesuchten Stadt bietet Plautus
schon im Poenulus 175 und 655 (ait sc peregiinuiu esse
huius ignaruni oppidi), wo er auch dem Fremden gegenüber
Zurückhaltung anrät (675 Neque nos hortari neque
dehortari decet honiinem peregrinum...). Zu diesen peregrini
gehören (Augustin de civ 111,12) auch viele zugewanderte
Götter in Rom, die die anfangs geringe Zahl
römischer einheimischer Götter nutzlos (denn sie konnten
Rom nicht schützen) vermehrten. Da ist vor allein die
(aus einem gewiesen Pessinus) zugewanderte Götter-
mutter, der die peregrini, bemerkt Augustin ironisch, Vornehmheit
als einer römischen Bürgerin nicht absprechet)
werden, um dann fortzufahren: quos numerare quis pot-
est indigenas et alienigenas, caelites, terrestros, Infernos,
mar i nos, fontanos, fluviales et, ut Varro dicit, certoa at-
que incertos...? Rom hat nicht nur zahlreiche Völker
assimiliert und deren Götter aufgenommen, es hat auch
allen möglichen Fremden ihren Kult einheimischer Götter
fortzusetzen erlaubt. Und das liegt in der Linie Cice-
ros, der den oben zitierten Satz de leg 11,19 über den Kult
der anerkannten Götter durch den Zusatz ergänzt: privatim
colunto, cpuos rite a patribus cultOB aeeeperint. Was
der Gesetzgeber Plate darüber dachte, wäre ein Kapitel
für sich.

Hat unser bisheriger Überblick hier und da schon erwiesen
, daß die behandelten Begriffe, wie ihre auswechselbare
Übersetzung ins Lateinische zeigt, inhaltlich nicht
sehr verschieden voneinander sind, so mag ein Beispiel
diese begriffliche Skizze abrunden: Wenn Paulus in
Apg 17,21 die Athener und ihre l7itt)uo(ne; £troi anredet
, gibt Vulgata den Text mit advenae hospites korrekt
w ieder. Es handelt sich um vorübergehend in Athen weilende
Fremde, welche die weltbekannte Gastfreundschaft
Athens genießen. Advena bildet die Klammer zwischen
weiteren griechischen Begriffen verwandten Inhaltes,
wenn es l.Petr 1,1 für naqtntttifiot, Eph 2,19 und l.Petr
2,11 für itdqotxot, ja Apg 6,5 und 13,43 für JtpooijÄuror
eingesetzt wird. Wir haben also in dieser Skizze einer
Wechselbeziehung zwischen griechischem und lateinischem
Text hier die Tatsache festzustellen, daß ein
lateinisches Wort für 3 4 griechische stehen kann, während
ebenso 3 lateinische (siehe f^ro?) die Nuancen eines
griechischen auszudrücken haben. Dieser philologische
Dialog zeigt reizvolle Beziehungen auf, die ein griechisch-
deutsches oder lateinisch-deutsches oder nur auf das griechische
Neue Testament abgestelltes theologisches Wörterbuch
so nicht deutlich machen kann. Für das Verhältnis
des hebräischen, griechischen und lateinischen Textes im
Alten Testament ließe sich das ebenso erweisen. Das wäre
ein Anfang für eine hebräisch-griechisch-lateinisch- (und
bei Einbeziehung der Lutherbibel) deutsche Konkordanz
rein innerhalb begrifflich-philologischer Sachbezüge außerhalb
der Anhäufung sogenannter religionsgeschichtlicher
Parallelen, die auf „das Wort" in den Sprachen zielte,
wie sie die wichtigsten grundlegenden Textausgaben der
Bibel, insonderheit des Neuen Testaments, bieten.

Fünf Jahre theologischer Literatur über Herman Schell

Von Friedrich Heyer, Heidelberg

Der Würzburger Fundamentaltheologe Herman Schell,
dessen Werke Rom im Zuge seiner antimodernistischen
Maßnahmen 1898 auf den Index setzte, erlag, in seiner
Gesundheit durch das unverständliche Widerfahrnis erschüttert
, 1906 einem Herzschlag. Es gehört zu den bemerkenswerten
Symptomen katholischer Wandlung, daß
dieser Theologe, der in seiner spekulativen Kraft und

praxisbezogenen Impulsivität in der Vorkriegsgeneration
des deutschen Katholizismus nicht seinesgleichen hat, seit
1953 eine postume Breitenwirkung findet.

Den Anstoß dazu gab der jetzige Inhaber seines Würzburger
Lehrstuhls, Josef Hasenfuß, der sich aus Anlaß des
hundertjährigen Geburtsdatums Schells an die Aufarbeitung
seines Werkes machte. Eine erste Kulmination der