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Ausgabe:

1971

Spalte:

155-156

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Kandler, Karl-Hermann

Titel/Untertitel:

Studien zur gegenwärtigen lutherischen Abendmahlslehre 1971

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 2

156

seinen Pfarrern zu kämpfen, die wie etwa der Naumburger
Stadtpfarrer Nikolaus Medier die Oberhoheit des in Zeitz
lebenden Bischofs durchaus nicht anerkennen wollten.

Auf Grund der Briefe erhebt sich die Frage, ob der
Kurfürst mit der Person des Magdeburger Superintendenten
Amsdorf gut beraten war, erstmalig ein evangelisches
Bischofsamt gegen den ausdrücklichen Willen des Kaisers
und des Domkapitels zu begründen. Als Amsdorf bereits
Ende Juli 1546 - nicht wie man bisher annahm, erst am
3. Dezember - seine Diözese verlieft und sich unter den
Schutz der kurfürstlichen Kanonen begab, war der Versuch
eines evangelischen Bischofsamtes wohl nicht an der Person
des Eingesetzten allein gescheitert - dabei sind die anklingenden
Faktoren zu vielschichtig -, aber neben der
Schwerfälligkeit und der mangelnden Entschlußfreudigkeit
des Kurfürsten spielt doch die Person des Bischofs in dieser
überaus exponierten Stellung eine Rolle. Endgültiges wird
hierzu erst dann gesagt werden können, wenn die hier
vorgelegten Briefe von kundigerer Hand entsprechend
verarbeitet wurden.

Kandier, Karl-Hermann: Studien zur gegenwärtigen lutherischen
Abendmahlslehre, Habil.-Schrift Leipzig 1970. 213 S.

Auch nach der Erstellung der sog. „Arnoldshainer Abendmahlsthesen
" von 1957 mu5 das Abendmahlsgespräch zwischen
den deutschen reformatorischen Kirchen weitergehen,
da die Thesen nicht zu einer befriedigenden Lehrkonkordie
geführt haben. Inzwischen sind jedoch weitgehende Ver
cinbarungen in Richtung auf eine Abendmahlsgemeinschaft
getroffen worden, ohne daß dazu die ausreichende Lehrgrundlage
vorhanden ist (A).

Auf diesem Hintergrund ist die Arbeit zu sehen, die
einmal Luthers Abendmahlslehre (B), Umformungen der
lutherischen Abendmahlslehre (C), die lutherische Kritik
an den Arnoldshainer Abendmahlsthesen (D), die lutherische
Abendmahlslehre nach den Arnoldshainer Abendmahlsthesen
(E) und schließlich die Bedeutung der Abendmahlsgespräche
für die lutherische Kirche (F) untersucht.

Eine Besprechung von jüngeren Darstellungen der
Abendmahlslehre Luthers muß die verschiedenen Richtungen
der Lutherforschung berücksichtigen. Sommerlath hat am
positivsten Luthers Gedanken aufgenommen und die
Abendmahlslehre von der Inkarnation her entfaltet, ohne
dabei den trinitarischen Bezug zu vernachlässigen, und
dabei wie kein anderer die Bedeutung der Objektivität
der Gabe, das Proprium des Abendmahls und seine eschato-
logische Beziehung herausgestellt. Dagegen hat Gollwitzer
(als Schüler K. Barths) eher kritisch über Luthers Abendmahlslehre
referiert, wobei er als ihr Thema die „Gegenwart
des Mysteriums" und ihre wahre Begründung in der
Kontingenz der Einsetzung sieht. Graß hat die Bedeutung
der Realpräsenz für Luthers Abendmahlslehre hervorgehoben
und ihren Weg vom Rande zum Zentrum der
Abendmahlsauffassung Luthers verfolgt, wobei er mehr
deren christologische als deren schriftgemäße Begründung
hervorhebt. Am ehesten hat Peters eine umfassende Darstellung
der Abendmahlslehre Luthers gegeben, in der er
als Ziel „die Wirkung der Gemeinde des Herrn" erkennt,
wobei er vermerkt, daß die dinglich-leibliche Gegenwart
nicht die geistig-personale ausschließt. Zusammenfassend
muß hervorgehoben werden, daß die Abendmahlslehre
Luthers und der lutherischen Bekenntnisschriften sich allein
auf die Exegese der Einsetzungsworte gründen will, wobei
die Betonung der Realpräsenz eindeutig der virtus, dem
„Für-euch-Gegebensein", dienen soll.

Auf dem Boden der lutherischen Theologie ist vielfach
der Versuch unternommen worden, die lutherische Abendmahlslehre
umzuformen. Althaus sieht das Abendmahl als
Gleichnishandlung an, wobei er Luthers Interesse an der
himmlischen Leiblichkeit Christi im Abendmahl kritisiert

und dagegen die Hingabe seines Lebens als das Eigentliche
des Abendmahls hervorhebt. Ebeling kann das Abendmahl
nur innerhalb des Wortgeschehens sehen, indem es „bestimmte
Aspekte des Wortgeschehens in besonderer Schärfe
zur Geltung bringt", wobei aber offensichtlich das Abendmahl
als Sakrament verlorengeht Bei P. Brunner und
Prenter wird das Abendmahl als Repräsentation des
Heilsgeschehens angesehen, wobei Brunner stärker die
Gegenwart des für uns dahingegebenen Leibes und Blutes
Jesu als seine Opfertat in endzeitlicher Heilsmächtigkeit,
Prenter aber neben dem Opfer Christi an Gott auch
unser Lobopfer, mit dem wir Christus Gott opfern, hervorhebt
; wir meinen aber, daß es nicht notwendig ist, von
einer Repräsentation des Heilsgeschehens zu reden. Tillxh
fordert, weil er gegen das heute zu beobachtende Stei'ben
der Sakramente keine Gegenkräfte erkennen zu können
glaubt, die Natur mit in die Heilsgeschichte hineinzunehmen
, denn Sakramente entstünden, „wenn die Mächtigkeit
eines Natürlichen für den Glauben zum Träger
sakramentaler Mächtigkeit wird", wobei dem Wort keine
entscheidende Bedeutung für das Sakrament mehr zukommt.
Alle diese „Umformungen der lutherischen Abendmahlslehre
" heben wohl jeweils wichtige Gedanken hervor,
doch haben sie, jeweils aus anderen Gründen und in
unterschiedlichem Maße, die lutherische Abendmahlslehre
stark verändert oder gar aufgehoben.

Die lutherische Kritik an den Arnoldshainer Abendmahlsthesen
hat in ihnen weithin eine Verkürzung der
Abendmahlsaussagen der Schrift und der Bekenntnisse
gesehen. Es ist den Thesen nicht gelungen, den alten luthe-
risch-reformierten Geqensatz zu überwinden, weil sie - in
der typischen Form des Kompromisses - nicht zu eindeu-
tioen Aussagen, etwa über die Realnräsenz des Leibes und
Rlutes Christi, kommen. Darum können sie auch nicht zu
einer richtigen personalen wie ekklpsiolocrisch-e'-hischen
und esehatologischen Deutung des Abendmahls kommen.
So bleibt es der lutherischen Theologie aufgetragen, angesichts
der Fülle von Umformunaen der lutherischen Abendmahlslehre
als Ausdruck der Kritik an ihr und angesichts
des I.ehrgesnrächs über das Abendmahl innerhalb der
deutschen reformatorischen Kirchen nach einer Klärung
der strittigen Punkte zu suchen. Als solche strittiaen Punkte
müssen neben der neutestamentlichen Problematik (etwa
das Verhältnis von Exeoese und Doomatik anaes'chts der
neutestamentlichen Texte), den Problemen der Konsekration
, der manducatio oralis und impiorum besonders die
Fragen des rechten Verstehens der Gegenwart Christi
(Realnräsenz seines Leibes und Blutes oder Präsenz seiner
Person) und der Heilsbcdeutuncr des Altarsakraments genannt
werden. Da es nicht möalich ist, sich auf „gesicherte
Eroebnisse der histori^h-kritischen Forschung an den
Abendmahlstexten" zu berufen, müssen diese Texte, u. E.
in mehr Ehrfurcht dem Text geaenüber als bisher, immer
neu befragt und in einem weiteren exeaetischen Rahmen
untersucht werden. Wir meinen, daß dabei die vielfältige
Kritik an der lutherischen Abendmahlslehre positiv aufgenommen
und mit Schrift und Bekenntnis konfrontiert
werden muß. Dabei sollte es der lutherischen Theoloaic
besonders darum gehen, das Greifbar-, Nehmbarwerden
Christi bzw. seines Leibes und Blutes zu betonen: Christus
bindet sich an, er ist im Sakrament uns zum Heil gegenwärtig
, hier emnfanaen wir mit dem Munde, was er uns
reicht, um damit den Nutzen des Abendmahls als das
Wesentliche hervorzuheben, das Christi Leib und Blut
kraft des Glauben schaffenden Heilioen Geisas Vergebung
und damit ewiges Leben gibt. Dabei wird auch die escha-
tologische wie die ekklesiologisch-ethische Komponente des
Abendmahls klar erkannt.

Die „Einheit im Glauben, Lehren, Leben und Bekennen"
ist zwischen den reformatorischen Kirchen noch nicht
erreicht. Zu ihr kann uns Jesus Christus allein durch
seinen Heiligen Geist in der rechten Erkenntnis des Wortes
Gottes führen.