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Ausgabe:

1971

Spalte:

151-154

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Wer ist die Kirche? 1971

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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151

Theologische Litcraturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 2

152

der Auswahl der Texte wird jedoch der Wert des Buches
als Informationsquelle nicht gemindert.

Das Anspruchsniveau der „Sachkunde" ist begrüfjenswert
hoch.

Dresden Gertrandis Tietz

Bellerate, Bruno M.: Cristianesimo tra aristotelismo ed
utopia nel pensiero pedagogico comeniano (Salesianum
32, 1970 S. 3-46).

Dürr, Otto: Autorität, Vorbild, Strafe - Hindernisse neuzeitlichen
Erziehens? Stuttgart: Calwer Verlag; Würzburg:
Echter Verlag (1970]. 128 S. 8°. Kart. DM 8,50.

Fraas, Hans-Jürgen, Hausschildt, Karl, Humbser, Gerhard,
Maron-Hahn, lila, u. Wolfgang-Jürgen Stark: Verantwortlicher
Kindergottesdienst. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus G. Mohn [1970]. 96 S. 8° = Handbücherei
für Kindergottesdiensthelfer, hrsg. v. W.-J. Stark, 3.
Kart. DM 4,80.

Kaufmann, Hans-Bernhard [Hrsg.]: Streit um die Christlichkeit
der Schule. Das Normproblem in der Schule für
alle. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G.Mohn. [1970].
150 S. 8°. Kart. DM 12,80.

Meves, Christa: Mut zum Erziehen. Erfahrungen aus der
psychagogischen Praxis. Hamburg: Furche-Verlag [1970].
144 S. 8° = Stundenbücher, 96.

Zilleßen, Dietrich [Hrsg.]: Religionsunterricht und Gesellschaft
. Plädoyer für die Freiheit. Düsseldorf: Patmos-
Verlag, u. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1970].
181 S. 8". Kart. DM 12,80.

MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

Ritter, Adolf Martin, u. Gottfried Leich: Wer ist die Kirche?
Amt und Gemeinde im Neuen Testament in der Kirchengeschichte
und heute. Mit Geleitworten v. H. R. Weber
u. K. v. Bismarck. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1968]. 303 S. 8°. Kart. DM 14,80.

Das Buch ist im Auftrag der Kommission für Laienfragen
des Ökumenischen Rates erarbeitet. Es wird im
Vorwort begrüßt als eine Konfrontation der aus der Praxis
gewonnenen Einsichten und Vorschläge zur Laienfrage mit
den Ergebnissen der neutestamentlichen Forschung, wie
sie im protestantischen Bereich bis jetzt kaum je so
gründlich und ausführlich geschehen sei. Dieses zutreffende
Urteil kann sich darauf stützen, daß das Buch sowohl die
Vorzüge eines Forschungsberichtes besitzt als auch die
profilierte Stellungnahme der Verfasser im Meinungsstreit
nicht vorenthält.

Im ersten der beiden Beiträge behandelt der Göttinger
Kirchenhistoriker A. M. Ritter die Frage nach dem Verhältnis
von Amt und Gemeinde im Neuen Testament und
in der Kirchengeschichte. Zunächst entfaltet er die Vielfalt
des neutestamentlichen Befundes in den literarischen
Schichten des Neuen Testamentes und findet bestimmte
Grundtypen des Verständnisses von Kirche und damit auch
der Zuordnung von Amt und Gemeinde. Jesus hat
danach Kirche in unserem Sinn nicht geschaffen, möglicherweise
nicht einmal gewollt. „Anders gesagt, ist in ihr
zwar seine Wirkung, schwerlich aber seine Stiftung
zu erblicken" (24). Für Paulus geht die „Sache Jesu"
weiter durch die Selbstbekundung des Auferstandenen und
die Ausgießung des Geistes. Das ganze Leben Jesu steht
in allen seinen Bezügen unter der Verheißung des Charismatischen
, woran jeder Christ durch die Taufe Anteil hat.
Durch eine Rangordnung der Charismen ist ein Gegensatz
von Charisma und Ordnung ausgeschlossen. Kirchliche
Ordnung hat den Sinn, dem Wirken des Geistes Raum zu
schaffen, und hat nachträglich anzuerkennen und zu unterstützen
, was der im Geist gegenwärtige Herr bereits in
Diensten und Gaben in der Gemeinde geweckt hat. Der
Gemeindegottesdienst ist dabei die Mitte des christlichen
Lebens. In ihm „vollzieht sich die Scheidung zwischen

.altem' und ,neuem' Äon, deren Grenzen sich im Alltag ...
zu verwischen drohen" (33). - Verschiebungen von diesem
Bild zeichnen Lukas und die Pastoralbriefe. Im Suchen
nach einer „verläßlichen Garantie für die Rechtmäßigkeit
der eigenen Lehrtradition wie nach dem Schutz einer
festen äußeren Ordnung" (34) übernehmen sie die Presby-
terialverfassung und die Ordination nach dem Muster der
Diaspora-Synagoge. Es läßt sich daraus aber kein Frühkatholizismus
ableiten, da „der Geist dem Amt zwar
zu-, aber nicht untergeordnet" bleibt (38) und das Abhängigkeitsverhältnis
von Amt und apostolischem Zeugnis unumkehrbar
bleibt. - Aus dem Schweigen der Johannäischen
Schriften zur Frage der Kirchenordnung folgert Vf., daß es
ihnen nur auf das „Daß" der Sendung und Verkündigung
ankomme, und ihnen am „Wie" offenbar nichts gelegen
sei. - Ein Exkurs über Matth. 16,17-19 weist die Entstehung
der Stelle einer Petruspartei zu.

Hinsichtlich der Einheit seines Zeugnisses muß das
Neue Testament als ein vielstimmiges Zeugnis verstanden
werden. Dabei kann aber nicht die Position eines formalen
Schriftverständnisses eingenommen werden, „nach der allen
Schriftaussagen ein und dieselbe Verbindlichkeit zukäme",
sondern die einer Sachkritik, „die jeweils nach der Sachgemäßheit
der mannigfaltigen Bezeugungen der in Christus
geschehenen eschatologischen Tat Gottes als der Sache der
Schrift fragt, also auch mit der Möglichkeit rechnet, daß
das vor aller schriftlichen Fixierung in Christus ergangene
Wort Gottes im neutestamentlichen Kanon stellenweise
mißverstanden und verdunkelt worden ist" (59).

Bei der Beschreibung der Gemeinde als priesterliches
Gottesvolk leitet Vf. das evangelische Verständnis des
allgemeinen Priestertums von Christi Priestertum ab. Dieses
dauert fort in der Weise des Glaubens als des Hineingezogenwerdens
in Weg und Werk Christi, welcher Prozeß
mit der Taufe beginnt. Von der Taufe her ist dieses
Priestertum ekklesiologisch zu verstehen. Das ganze Gottesvolk
ist zum priesterlichen Dienst, zu geistlichem Opfer,
Wohltun und Mitteilen geordnet. Sein Zentrum hat dieser
Dienst im Gottesdienst der Gemeinde und in der Anbetung;
darüber hinaus aber ist seine Bestimmung auf Zeugendienst
für die Menschheit hingeordnet.

Ein Abschnitt über Begründung und Funktion des Amtes
beschreibt das Amt als „nur eine der Formen, in der
der von Gott gestiftete Dienst der Versöhnung Gestalt
gewinnen kann" (74). Vf. vertritt vom Neuen Testament
her die These, daß das „Daß" des Verkündigungsauftrages
allezeit geschehen müsse. „Die Frage nach der konkreten
Gestalt und den Trägern dieses ,kirchengründenden' Dienstes
" sei „allem Anschein nach von untergeordnetem Interesse
". Von hier aus fordert er eine offene Amtslehre,
verneint die Past. als Basis eines biblisch orientierten
Amtsverständnisses und weist hinsichtlich der Funktionen
einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Amt und allgemeinem
Priestertum zurück. Gleichzeitig warnt er vor
dem verbreiteten Fehler, die Gleichheit aller Christen und
die Existenz eines besonderen Amtes zur Alternativfrage
zu machen, als sei die Existenz des Amtes eine Beeinträchtigung
des Priestertums der Gläubigen. Vielmehr kann die
Gemeinde als das priesterliche Gottesvolk je des besonderen
Dienstes des Wortes nicht entraten, den „das Amt,
freilich nicht ausschließlich, sondern stellvertretend für die
Gemeinde und in ihr wahrnimmt" (77). Dieser Standpunkt
wird im umfänglichen Anmerkungsteil in der Diskussion
mit der theologischen Forschung verteidigt. Dal)
dabei bei der erdrückenden Fülle des Materials keine
Vollständigkeit erzielt ist. darf nicht als Mangel bezeichne:!:
werden. Ein repräsentativer Querschnitt liegt vor.

Das Verhältnis von allgemeinem und besonderem
Priestertum wird sodann durch die Kirchengeschichte
hindurch verfolgt. Der plurale Ansatz im Neuen Testament
wird lukanisch vereinseitigt, der Gottesdienst wieder Opferhandlung
, die Ordination hyperstrophiert. Gleichwohl ging