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Ausgabe:

1971

Spalte:

100-102

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Bowker, John

Titel/Untertitel:

The Targums and rabbinic literature 1971

Rezensent:

Schäfer, Peter

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99

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 2

100

Der zweite Herausgeber, Siegfried von Kortzfleisch,
steuert das 13. Kapitel, Juden und Christen in Rumänien,
bei (S, 606-638). Russische Christenheit und Ostjudentum
ist das Thema des 14. Kapitels, das aus der Feder von
Peter Hauptmann stammt (S. 639-667).

Abgesehen von wenigen Ausnahmen, erscheinen die
Juden in den Kapiteln 7-14 durchweg als Objekt christlicher
bzw. nichtjüdischer Judenpolitik oder Judenmission,
als Gegenstand der Verachtung und Verfolgung oder
philosemitischer Toleranz. Es kam unter dem Druck einer
feindlichen oder verständnislosen Umwelt zu einer Neubesinnung
des jüdischen Bewußtseins, zu einer „jüdischen
Renaissance" im 19. und 20. Jahrhundert, der das fchluß-
kapitel des vorliegenden Buches gewidmet ist (15. Kapitel,
S. 668-705). In ihm behandelt Hans Tram er die Vorgeschichte
und Entwicklung des Zionismus bis zur
Schicksalswende 1933.

Daß bei einer so weitgespannten Materie, wie sie das
Verhältnis von Christen und Juden in den letzten drei
Jahrhunderten nun einmal darstellt, der Rezensent stets
mancherlei vermissen wird, versteht sich fast von selbst.
So hat der Unterzeichnete die Namen bedeutender jüdischer
Konvertiten des 19. Jh.s vergeblich gesucht, beispielsweise
J. A. W. Neander (1789-1850) und F. J. Stahl (1802-1861);
aber auch ein für die Rechte der englischen Juden offen
eintretender Politiker wie B. Disraeli (1804-1881), 1817
getauft und seit 1848 Führer der englischen Konservativen,
bleibt in dem betr. Abschnitt über Großbritannien nach
1848 (S. 343-345) unerwähnt. In einer Dokumentation
über Christen und Juden sollte doch auch erwähnt werden
dürfen, wo Juden durch Konversion zum Christentum diese
Spannung glaubten überwinden zu können.

Die meisten Flüchtigkeiten und Lücken finden sich in
dem Beitrag von Wolfcrang Philipp (S. 23-86), was zum
Teil - etwa was unrichtige Transkriptionen (z. B. S. 48)
betrifft - damit zusammenhängen mag, daß der Tod den
Autor an einer letzten Durchsicht gehindert hat. Auf S. 24
hätte unter den verschiedenen Städten, die dem Judentum
als „neues Jerusalem* galten (Livorno, Amsterdam), unbedingt
auch Worms genannt werden müssen. Das über
Rembrandts „jüdische" Kunst Gesagte (S. 26) ist zu schematisch
und im Detail nicht korrekt. Der „judenzende" Wiesbadener
Bürger von 1708 war doch wohl kein Hesse (S. 46),
sondern ein Nassauer. Ansonsten fehlen die deutschen
Territorien außer Preußen und Hamburg (S. 51-54) so gut
wie völlig (Reichsstädte? Kurpfalz? Sachsen?). Die auf
christlichen Mystizismus (etwa: Chr. Knorr von Rosenroth,
1636-1689) stark und unmittelbar einwirkende jüdische
Kabbala (Isaak Luria, gest. 1572; Elia Loanz, gest. 1636)
kommt S. 54 ff. überhaupt nicht zur Sprache.

Bei der Lektüre der übrigen Aufsätze sind dem Rezensenten
keine nennenswerten Gravamina aufgefallen. Durchweg
wird das verwirrend reiche und vielschichtige Material
gut gegliedert und gedeutet; geschickte Beschränkung auf
die wesentlichen Gestalten und Probleme zeichnet besonders
die Abhandlungen von Martin Schmidt, Karl Heinrich
Rengstorf, Wilhelm Dantine und Willehad Paul Eckert aus.
Daß in den übrigen, geographisch orientierten Beiträgen
die Akzente jeweils recht verschieden gesetzt werden, kann
bei der Ungleichartigkeit des historischen Materials (vgl.
etwa Ungarn mit Frankreich!) nicht verwundern. Lediglich
das über Ursprung und Geschichte der Karäer Gesagte
(S. 643) ist unzureichend.

Höchster Dank gebührt den beiden Herausgebern für
die geduldige Leitung und instruktive Disposition eines
so schwierigen Unternehmens. Ihrem „Nachwort" (S. 706 bis
715) sollte der künftige Dialog zwischen Kirche und1 Synagoge
Anregungen und Fragestellungen entnehmen. Auch
der zweite Band des Rengstorf-v. Kortzfleischschen Handbuchs
liefert für solchen Dialog vorzügliche Informationen.

Mainz Otto Bücher

Bowker, John: The Targums and Rabbinic Literature. An
Introduction to Jewish Interpretations of Scripture. London
: Cambridge University Press 1969. XXI, 379 S. gr. 8".
Lw. 75 s.

Das Buch von B. ist der erste Versuch einer Einleitung
in die gesamte rabbinische Literatur seit der berühmten
„Einleitung in Talmud und Midrasch" von H. L. Strack
(letzte bearbeitete Auflage 1921). Die Notwendigkeit einer
solchen umfassenden Einleitung ergab sich aus den neuen
Entdeckungen an bisher unbekanntem Material (z. B. in der
Wüste Juda) und (vor allem) aus der Tatsache, daß die
Targumim - die Strack in seiner „Einleitung" nicht berücksichtigt
hatte - erst in letzter Zeit in ihrer Bedeutung für
das frühe Judentum und für das NT voll erkannt und
gewürdigt wurden (S. IX f.).

B. versucht - und auch darin geht er über Stracks
„Einleitung" hinaus -, seinem Thema von zwei Seiten her
gerecht zu werden: In einem 1. Teil gibt er eine generelle
Einleitung in die wichtigsten exegetischen Werke des
Judentums, und in einem 2. Teil demonstriert er die in
den Targumim angewandte exegetische Methode an Hand
von verschiedenen Beispielen. Dieser (umfassendere) 2. Teil
enthält eine Übersetzung langer Passagen des Targtim
Pseudo-Jonathan zur Genesis, eine Auswahl anderer Targumim
zu den betreffenden Versen, ebenfalls in Obersetzung
, sowie ausführliche Anmerkungen zu den ieweiligen
Kapiteln der Targum-Übersetzung (mit Parallelen aus
anderen jüdischen, christlichen und judenchristlichen Werken
). Hinzu kommen am Schluß des Buches verschiedene
nützliche Anhänge (u. a. eine Übersetzung der „Antigui-
tates" des Pseudo-Philo zur Genesis), eine ausführliche
Bibliographie und Indices.

Die Einleitung (The Background of the Taraunis)
gliedert sich in vier Kapitel: 1. Translation and Interpretation
. Der Vf. behandelt einige wichtige Termini, die
Frage der Entstehung (Verbreitung des Aramäischen und
Griechischen. S. 3 ff.) und nach dem „Sitz im Leben" der
Targumim (Svnagoge, öffentliche Verlesung der Torah.
S. 9 ff.), die Methoden der Exeaese und Übersetzung (S. 5 ff);
die einzelnen Targumim flNfeofiti I, FrgmT. Cairoer Genrea
Fragmente. TO, TPsT) sind kurz besprochen (S. 16-28).
2. Pre-Rabbinic Literature. Philo, Pseudo-Philo. Josephus,
der Aristeas-Brief. die Arokrvnhen und Pseudepigraphen
und die Rollen vom Toten Meer werden in knappen Abschnitten
"for the sake of completeness" vorgestellt
(S. 29-35). 3. Ein eigenes kurzes Kapitel (Non-Rabbinic
Literature) widmet der Vf der Literatur "outside the
orbit of Pharisaic/Rabbinic Judaism" (S. 36-39). 4. Classi-
cal Rabbinic Literature. In diesem (umfangreichsten)
Kapitel behandelt der Vf. zunächst die termini terhniri
„Halacha", „Haggada". „Midrasch", „Mischna" (S. 40-48).
geht dann kurz auf den Prozeß der Tradicrung der mündlichen
Überlieferung ein (S. 48-53) und bespricht schließlich
in eigenen Abschnitten (S. 53-92) die wichtigsten
Werke der rabbinischen Literatur (Mischna, Tosephta,
Talmudim; Tannaitische Midraschim; Homiletische Midra-
schim; Midrasch Rabba; Erzählende Midraschim: Sonstiges).

Die Einleitung gibt im wesentlichen den gegenwärtigen
Stand der Forschung wieder. Bei der Besprechung der
Targumim wäre es allerdings nützlich gewesen, wenn der
Vf. die informative und übersichtliche Darstellung von R.
Le Deaut (Introduction ä la Litternture Targumigue, Rome
1965) mit herangezogen hätte. Ebenso wurde beim Midrasch
das wichtige Buch von A. Epstein. Von den Altertümern
der Juden (hebr.), Jerusalem 1956/57, nicht berücksichtigt
. Zu folgenden Einzelfragen seien einige kritische
Bemerkungen und Ergänzungen vorgetragen:

S. 8 f.: Die Definition B.s, daß die Targumim "lie
half-wav between the LXX (which incorporated Interpretation
but remained relatively close to the Hebrew text)
and thosc works which set out to retell the biblical narra-,
tive in their own words", ist nicht ganz korrekt. Die ein-