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Ausgabe:

1971

Spalte:

91

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Borée, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die alten Ortsnamen Palästinas 1971

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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nis der alten Geschichte des Libanon, der Fachliteratur und
nicht zuletzt des Landes selbst zeugt. (Der Vf. war von
1958 bis 1965 Professor an der Amerikanischen Universität
in Beirut). Zu den naturwissenschaftlichen Problemen hat
Prof. Carl George gehaltvolle spezielle Beiträge geliefert.
Etwas knapp ist der Kommentar der Texte zur religiösen
und mythologischen Bedeutung der Libanonwälder ausgefallen
(S. 164 ff.). Hier wäre u.a. die wichtige Abhandlung
von Ch. Virolleaud, La montagne des cedres dans la tradi-
tion de l'Ancien Orient, RHR 51, 1930, S. 16 ff., nützlich
gewesen. Zur Klärung des Charakters des Osir's als
"cedar-God of Lebanon" (S. 165) hätte Plutarchs Schrift
über Isis und Osiris beitragen können. Dazu wäre auch
heranzuziehen gewesen M. Dunand, Histoire d'une source,
MUSJ 37, 1960/61, S. 39 ff. Diese Arbeit vermifjt man auch
bei der Interpretation der Texte zur 'Afqa-Quelle (S. 65 ff.).
Die Gestalt des Humbaba im Gilgamesch-Epos dürfte wohl
kleinasiatischer Herkunft sein. Schwerlich reflektiert sie
"the great Syrian bear of the Lebanese forest" (S. 167).
Die älteste Erwähnung des Libanon mit Namen findet sich
nicht im Ba'al-Text von Ugarit (S. 116, Anm. 5) oder im
Relief Sethos I. in Karnak (S. 179), sondern im vierten
Gilgamesch-Fragment aus Ischtschali (so richtig S. 167) und
im Zusatz zum Bericht Schamschi-Adadsl. über den Bau des
Enlil-Tempels in Assur (ma-a-at La-ab-a-an, KAH I, 2).
Überhaupt spürt man, daß der Vf. in erster Linie in den
antiken Quellen und in der Literatur der klassischen Altertumswissenschaft
zu Hause ist. Besonders auffällig ist
seine Zurückhaltung bei der Interpretation alttestament-
licher Texte. So werden z.B. zu Hes 31, 1-18 nur einige
sehr allgemeine einführende Bemerkungen gemacht (S. 167),
ohne Berücksichtigung der gründlichen Erörterungen in
den neuen Kommentaren von G. Fohrer und W. Zimmerli.

Diese Randbemerkungen vermindern selbstverständlich
in keiner Weise den großen Wert des Werkes für die
Forschung, zumal insgesamt der Vf. in seinen Kommentaren
die nötige kritische Vorsicht bei der Aufstellung
von Hypothesen walten läßt. Verschiedene wichtige Probleme
- wie z. B. die Identifizierung von akkad. erinu/hebr.
'aeraez mit cedrus Iibani - dürften durch B.s Untersuchungen
nunmehr geklärt sein, ganz abgesehen von der aktuellen
Bedeutung, die dem großen Abschnitt über die Libanonwälder
(S. 140-212) für die Wiederaufforstung des
Libanon zukommt. Es bleibt nur noch auf ein baldiges
Erscheinen des zweiten Bandes zu hoffen, der einer warmen
Aufnahme im v/eiten Kreis der an diesem Werk interessierten
Fachleute schon jetzt gewiß sein kann.

Borlin Knrl-IIcinz Bornhnrdt

ALTES TESTAMENT

Boree, Wilhelm: Die alten Ortsnamen Palästinas. 2. Aufl.
ergänzt um Namenregister und Nachträge. Hildesheim:
Olms 1968. VIII, 140 S. gr. 8°. Lw. DM 29,80.

Die erste Auflage dieses für die Behandlung der historischen
Geographie Palästinas unentbehrlichen Buches von
1930 ist in ThLZ 56, 1931, Sp. 121-122 gebührend gewürdigt
worden. Die vorliegende 2. Auflage stellt im übrigen
einen reprografischen Nachdruck der bei Eduard Pfeiffer
in Leipzig 1930 erschienenen 1. Auflage dar, weist aber
über diese hinaus zwei sehr erwünschte Ergänzungen auf,
nämlich ein alphabetisches Namenregister (S. 127-137) und
Nachträge (S. 137-140).

Hnlle/S Otto Eißfeldt

Coppens, J., Prof.: Le Messianisme Royal. Ses origines.
Son developpement. Son aecomplissement. Paris: Editions
du Cerf 1968. 228 S. 8° = Lectio Divina, 54. ffr. 21,-.

Das hermeneutische Interesse am Alten Testament hatte
sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten weithin von den

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messianischen Weissagungen abgewandt und das Verhältnis
zwischen den Testamenten mit Recht umfassender zu bestimmen
gesucht. Diese Bewegung ist rückläufig; neuerdings
erscheinen wieder häufiger Abhandlungen, die der
messianischen Erwartung gewidmet sind.

C. hat sich seit langem in mannigfachen Studien diesem
Thema zugewandt. Er faßt nun seine Ergebnisse, z. T.
korrigiert oder auch neu bekräftigt, zusammen. An die
Stelle der üblichen Aufsatzsammlung tritt die komprimierte
Darbietung der eigenen Ansicht, die, weil sie auf so umfangreichen
Vorarbeiten beruht, besonderer Beachtung wert
ist. Außerdem empfiehlt sich das Buch als Fundgrube von
Literatur; denn C. zitiert über seine eigenen exegetischen
Versuche hinaus eine Fülle anderer Darstellungen.

Das erste Kapitel referiert unter Verweis auf Arbeiten
von J. Scharbert, Th. Lescow, A. Caquot u. a. den Stand der
Forschung; das zweite behandelt die Nathanweissagung
und ihre Nachklänge im Psalter, wobei sich C. mit Recht
gegen das hohe Alter von Ps 89 ausspricht (S. 40 f. 50). Im
dritten Kapitel, das der Prophetie gewidmet ist, läßt C.
unentschieden, ob die Hoffnungen von Am 9,11 ff auf Arnos
selbst zurückgehen, spricht sich aber für die „Echtheit" von
Jes 9, 11 aus und weist Jes 7, 14 hohe Bedeutung in der
Geschichte der messianischen Weissagungen zu. Das vierte
Kapitel bietet einen Überblick über die Messiaserwartung
der exilisch-nachexilischen Literatur, der Prophetie, der
Geschichtswerke und der Weisheit, bis an den Rand der
neutestamentlichen Zeit. Das fünfte Kapitel führt unter dem
Stichwort der „relecture" und in Anknüpfung an F. Hahn,
O. Cullmann und W. Kramer christologische Titel im Neuen
Testament vor, das Schlußkapitel sucht vor allem in Kritik
an F. Hahn die Frage nach dem messianischen Selbstbewußtsein
Jesu positiv zu beantworten. An diesem Punkt
werden die Neutestamentier gewiß die meisten Bedenken
erheben (vgl. etwa die nicht genannte Arbeit von P. Vielhauer
, Aufsätze zum NT, 1965, 141 ff).

Gewiß läßt sich auch schon im alttestamentlichen Teil
in manchen Fällen anders urteilen als der Autor. Doch ist
es oft wenig sinnvoll, über Alter und Sinn der messianischen
Weissagungen zu streiten; denn die Argumente der
einen Auffassung sind der anderen längst wohlvertraut.
Die Gründe werden kaum noch um prinzipiell neue vermehrt
, sondern nur noch von den einzelnen Forschern
verschieden gewertet. Nötig wäre bei diesem Stand der
Dinge eine andere Fragestellung, die dem bekannten Material
neue Seiten abgewinnt. Zu ihr gehört vielleicht auch
einmal eine eingehende Untersuchung über die Abhängigkeit
oder gar gegenseitige Beeinflussung von Königspsalmen
und prophetischer Erwartung: Was ist den Propheten
wirklich vorgegeben, und wo spiegeln die Königspsalmcn,
wenn überhaupt, nachweislich prophetische Verkündigung
wider (vgl. S. 53)? Außerdem fehlt noch eine überlieferungsgeschichtliche
Untersuchung, die jeweils Tradition und
Interpretation und damit die Hauptmotive im Wandel der
messianischen Verheißungen herausstellt (vgl. den Versuch
»Die Ohnmacht des Messias': KuD 15, 1969, 18- 34).
Hat das Alte Testament mit der Aufrichtung messianischer
Herrschaft wirklich immer eine „nationale Zukunft" (S. 159)
mit dem Sieg über die Feinde (S. 19) erwartet? Beispielsweise
kommt die Besonderheit von Sach 9, 9 in den Ausführungen
zu kurz (S. 96): Wie kommt es zu dieser anders
gearteten Hoffnung auf einen armen König? Mit der Beantwortung
dieser Frage könnte die Exegese dazu beitragen,
die Sachdifferenzen zwischen den Testamenten zu überbrücken
. C. hilft sich, indem er betont, daß das Neue
Testament keine wörtliche Erfüllung der messianischen
Weissagungen fordert (S. 168 f. 185) und schon das Alte
Testament sie nicht erwartet, da es das Wort Gottes in
einem «continuel progres" sieht (S. 162).

Gewiß bleibt die Definition exegetischer Begriffe stets
besonders problematisch. Ist es aber dem Alten Testament
angemessen, „Eschatologie" als eine - auf Grund von

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 2