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Ausgabe:

1971

Spalte:

944-946

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Exeler, Adolf

Titel/Untertitel:

Reflektierter Glaube 1971

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 12

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ihn uns lebensnotwendig, sondern sein Wort macht sein
besonderes Menschsein aus (22f.): „Jesu Wort ist das
Wort der Herrschaft Gottes in uns ... Gott herrschen lassen
, Gott Mensch werden lassen, Gott mächtig werden
lassen, das ist Evangelium künden und Evangelium
hören" (24f.). Darin zeigt sich die Strittigkeit zwischen
dem historischen Menschen Jesus und dem geglaubten
Christus, der als vom Totsein Auferweckter geglaubt wird
(28f.). Diese Strittigkeit kommt in den Wundern und
Teufelaustreibungen Jesu zutage, die nicht als Mirakel,
sondern eschatologisch-symbolisierend verstanden werden
müssen als Hinweis auf die Ankunft Gottes, auf den
Umschlag vom Unglauben zum Glauben (28ff., 37, 41).
Zwar kommt der Glaube an Jesus erst nach Ostern, aber
das Ausklammern des Menschen Jesus (sc. etwa bei
R. Bultmann) wäre Nihilismus, Bodenlosigkeit des Glaubens
(52). Warum?

Der Mann aus Nazareth hält das menschliche Glück der
Leistung, des Erfolges usw. und unser Unglück als Einsamkeit
, Scheitern und Schuld mit dem Glück Gottes,
dem sog. Himmel, zusammen hier auf Erden: homo
peccator und iustus, Deus absconditus und revelatufl
(51 ff.). Dies wird erläutert: „Dem Mehr des Himmels als
Gleichnis entspricht das Weniger unserer menschlichen
Existenz. In diesem Weniger, dem Alles- und doch Nichtehaben
, liegt das Mehr bereits drin. Suchend sind wir vom
Gefundenen bereits überholt" (62). Und von hier aus wirf!
die katholische Werk-Praxis, besonders des Beicht-Werkes,
kritisiert als Verfügbarmachen Gottes zu einer Sache (65 ff.).

War nun bislang von dem Menschen Jesus und seiner
Geschichte die Rede, so muß jetzt der Bindestrich von
diesem Jesus zum Christus des Glaubens ausgezogen werden
: „Er ist Jesus-Christus ... Er war darum der einzigartige
Mensch, weil er Gott sagte. Seine Rede war Rede
von Gott, sein Tun das Offenbaren Gottes" (79f.). Und
der Bindestrich liegt darin: „Jesus hat auf die Leere und
Nichtigkeit, auf die Ausweglosigkeit und Unberechenbarkeit
hin gelebt... In die totale Leere hineinzusterben
heißt aber Gott Platz machen und Raum geben ... Mit
seinem radikalen Umsonst wird Jesus für uns Christus ...
Jesus hat also nicht durch Leiden erlöst, sondern in erster
Linie durch seinen Glauben an unsere Zukunft ... Am
Karfreitag predigen heißt, Ostern vorwegnehmen und sich
daraufhin eine Zukunft, eine wahre Christenzeit bereiten
... Unser Leben ist nicht Leben zum Tod (sc. etwa bei
M. Heidegger), sondern Leben mit der Freiheit dem Tod
gegenüber" (83,86,87,88). So gesehen handelt es sich „am
Ostermorgen nicht um Physik, nicht um Ort und Zeit,
sondern um Wort und Endzeit" (92). Weil sich also
„Jesus selbst und durch ihn die Glaubenden ganz und in
allem auf Gott verlassen haben, ist ihnen Gott das geworden
, was der Mensch braucht: „Zuversicht" (96) -
dies ist der umstrittene Sinn der Karfreitags- und Osterbotschaft
von Jesus als unserem Christus Gottes (vgl. zur
Diskussion bes.: Schweiz. Kirchenzeitung vom 13., 20.,
27. Juni 1968; H.-D. Bastian: Theologie der Frage, 1969,
330ff.).

2. Die Zeichen (99ff.): Die Zeichen, die den Umgang
mit dem Jesus-Christus bestimmen, liegen in den Strukturen
unserer menschlichen Lebenswirklichkeit: in der
Sprache bzw. der Grammatik der Erlösung (als Verweis
auf die Verkündigung?), im Essen (Abendmahl?), im
Heiraten (Ehesakrament?), im Sterben (Beerdigungskasus
?), wobei interessanterweise die Geburt als ,Station'
fehlt (Taufe?). Man könnte also vermuten, daß in diesem
Abschnitt das Verhältnis Mensch-Christus sakraments-
theologisch ausgelegt wird am Leitfaden der menschlichen
.Lebensstationen'. So könnte man den 3.Teil: Im Zeichen
leben, als Soteriologie bezeichnen.

3. Im Zeichen leben (141 ff.): Jesus im Zeichen des Brotes
, als ,Brotlaib' und als Macht des Brotes (141 ff.);

Aspekte der ,weihnachtlichen' Menschwerdung des Menschen
von der (übersetzten) Paradiesgeschichte bis zum
virulenten Problem der Geburtenregelung (146 ff.);
Schuldproblem aus der Sicht von .Aggression und Leiblichkeit
' (156ff.) und der .neuen Moral' des ,Handelns
umsonst/ im Sinne Jesu (166ff.); Pfingstgeist als Herrschaft
Gottes über den Tod, als Botschaft Jesu von der
Welt als Gleichnis und als Beistand Gottes am Menschen
(175ff.).

4. Die vielleicht besser zur Einführung zu lesenden didaktischen
Hinweise geben Auskunft über den Anlaß,
den Kontext, die Gemeindesituation und den liturgischen
Ort dieser Predigten (182-184).

„Zu jeder Predigt gehören Information und Aktion,
Begriff und Impuls" (164) - was M. in an- und aufregender
Weise in diesen 15 Lesestücken exemplifiziert, die durch
Hausbesuche unr1 (Basisgespräche eingeführt und begleitet
wurden. Im Blick auf meine bisherige Gemeindepraxis
bin ich erfreut über Niveau, Sprachreichtum, Inhalt und
Zumutung dieser Ansprachen und sehe zugleich mit mehr
Mut und Hoffnung der weiteren Verkündigungsarbeit entgegen
. Die systematische Stringenz dieses jesulogischen
Ansatzes, die Umschreibung des soteriologischen Umsonst
des Sterbens Jesu, die ,Ausweitung' der Christologie
in unsere alltägliche Lebenswirklichkeit mit Sprechen,
Essen, Ehe- und Familienleben usw. hinein im Sinne der
Kosmokratie Jesu-Christi im Alltag, die sprachlich geglückten
und sachlich endlich wieder verständlichen .Exegesen
' biblischer Texte - alles das macht dieses Buch
lesenswert für Interessierte, Religionslehrer, Pfarrer wie
Dozenten. Einige Anfragen: Matthäus-Priorität (24, 51);
Schema von materiell-geistig (115); weitere Erläuterungen
des ,Umsonst' (Literatur, 79); Problem des historischen
Jesus (etwa kontroverstheologisch von G.Ebe-
ling her) u.a. Diese freilich tiefgreifenden Anfragen
sollten aber nicht den herausgestellten Wert dieser
„Sätze, die wir noch glauben können", mindern.

Lionzingcn Uwo Oerbor

Exeler, Adolf, u. Dieter Emeis: Reflektierter Glaube. Perspektiven
, Methoden und Modelle der theologischen Erwachsenenbildung
. Freiburg: Herder [1970]. 320 S. 8°.

Dieses Buch treibt drei Anliegen zugleich voran. Es ist
ein Erfahrungsaustausch über theologische Erwachsenenbildung
(Abkürzung: EB) im römisch-katholischen Bereich
. Hinter ihm steht jahrelange Arbeit pastoral theologischer
Fachleute (außer den Verfassern kommen noch
G. Bitter und K. Hurten zu Wort). Einzelne Abschnitte
sind aus Vorlesungen und Seminaren erwachsen oder
unmittelbarer Bericht (S.299ff.).

So ist ein Handbuch für kirchliche Mitarbeiter mit einer
großen Fülle didaktischer und vor allem methodischer
Anregungen entstanden.

Drittes Anliegen ist der drängende Aufruf zu einer Neuorientierung
der kirchlichen Arbeit überhaupt.

Das erste Kapitel (Die Bedeutung der EB, S. 11-82)
läßt die theologische EB im Horizont des gesellschaftlichen
Bildungsumbruchs als ein unterentwickeltes, unzureichendes
Unternehmen erscheinen. Die gesellschaftliche
EB wird in ihren seit dem 19. Jh. mehrfach wechselnden
Zielvorstellungen dargestellt. An der Pastoralkonstitution
des Zweiten Vatikantuns „Gaudium et spes" zeigen
die Vf., wie die katholische Kirche indessen entscheidende
Bildungsanliegen aufgegriffen hat. Nachdrücklich betonen
sie den Zusammenhang zwischen einer auf Selbständigkeit
des Denkens und Verantwortlichkeit gerichteten Bildung
und gesellschaftlichen Orientierung.

Didaktische Aspekte der EB behandelt das 2.Kapitel
(S.83-132). Begriffliche Unterscheidungen zwischen kircli-