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1971

Kategorie:

Naturwissenschaft und Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 12

930

sagt, darf nicht zugleich Gott sagen, sondern hat nichts
anderes als die phänomengerechte Beschreibung der Natur
im Sinn zu haben. Aber Schüler will die Schwächen
des Vitalismus durch ausdrückliches Einbeziehen von
Gott wie des noch fehlenden Faktors x beheben. Womit
nun Gottes Schöpferhandeln als ein „unmittelbares" Eingreifen
(jedesmal nach erlahmter Eigenenergie der
Schöpfung auf ihrer vorgezeichneten Bahn zum Menschen
hin) objektiviert wird in der Mikrobiologie der Genstrukturen
. Es käme noch das Bedenken hinzu, ob eine
Naturlehre wie die Schulers, die - nach scholastischem
Vorbild - ganz auf Rangordnung (= Wertung) der
Seinsschichten eingestellt ist und konsequenterweise auch
eine „Rangordnung zwischen den beiden Ehegatten"
(§ 61) kennt, eine geeignete Grundlage für eine Natur-
rechtskonzeption darstellt - wenn auch in der Skizzierung
einer solchen das Buch noch seine ansprechendsten
Partien hat.

Berlin Hans-Georg Fritzsche

Bauehau, Adrien: La biologie moderne selon Jacques Monod

(NRTh 93, 1971 S.290-300).
Bon6, Edouard L. S J: Bilan de Paläontologie humaine 1964 bis

1969 (NRTh 92, 1970 S. 398-422).
Büchel, Wolfgang: Jenseits von Darwin (StZ 96.1971 S. 326 bis

335).

Corvez, M.: La philosophie de la biologie moderne (NRTh 93,

1971 S.301-316).
Hassenstein, Bernhard: Aspekte der „Freiheit" im Verhalten

von Tieren (Universitas 24, 1969 S. 1225-1330).
—: Lernen bei Tieren und Menschen (Universitas 25, 1970

S. 407-417).

Hummel, Karl: Was Theologen nicht mehr sagen sollten.
Überlegungen eines Naturwissenschaftlers (ThQ 149, 1969
S. 336-343).

Overhage, Paul SJ: Die entfremdete Natur (StZ 95, 1970
S. 44-54).

Rotter, H.: Die Geistbeseelung im Werden des Menschen
(ZkTh 93, 1971 S. 168-181).

Ruff, Wilfried S. J.: Individualität undPersonalität im embryonalen
Werden. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Geistbeseelung
(ThPh 45, 1970 S. 24-59).

Weizsäcker, Carl Friedrich von: Die Kernenergie als wichtigste
Energiequelle für die letzten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts
(Universitas 24, 1969 S. 1253-1278).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Duchrow, Ulrich: Christenheit und Weltverantwortung.

Traditionsgeschichte und systematische Struktur der
Zweireichelehre. Stuttgart: Klett [1970]. XIV, 647 S.
8° = Forschungen u. Berichte d. Evang. Studiengemeinschaft
im Auftrage d. Wissenschaftl. Kuratoriums
hrsg. v. G.Picht, H.Dombois u. H.E.Tödt, 25.
Lw. DM 38,50.

Dieses Buch ist an sich eine gelehrte historische Monographie
über das als Titel formulierte Problem, genauer
gesagt: der erste Teil einer solchen (bis Luther einschließlich
); und es stellt vielleicht auch die wissenschaftsorganisatorische
Frage, wie breit und tief eigentlich der
Sockel einer historisch-philologischen „Vorarbeit" in der
Theologie sein muß, damit auf ihm Gebäude und Spitze
theologischer Gegenwartsrelevanz am wirksamsten sich
erheben können. Nichtsdestoweniger ist es u.E. eine
außerordentlich wichtige und wertvolle Veröffentlichung,
deren theologische Grundtendenz: stärker Vernunft und
Weisheit mit Jesu ,neuem Geist' zu ,neuer Schöpfung'
zu verbinden, auch dem viel Anregung geben, ja ,den Star
stechen' kann, der nur entweder ,Weltverantwortung'

konkret wahrnehmen oder in zünftiger Gründlichkeit
studieren kann.

Angesichts des angeschnittenen wissenschaftsorganisatorischen
Problems möchten wir dieser Besprechung die
Form geben, daß auf einige u.E. wesentliche Gesichtspunkte
des Gedankenganges (der durch eine Vielzahl von
Nebenerörterungen und detaillierte Auseinandersetzungen
mit der Literatur oftmals unterbrochen wird) sohlicht
aufmerksam gemacht sei.

Seinen Einsatz nimmt Duchrow bei der spätjüdischen
Apokalyptik, bes. Daniel (statt am AT
insgesamt, s.S.55). Und zwar ist es folgendes typisch
religiöse Verhaltensmuster „der Frommen gegenüber den
Weltmächten" (nach der Katastrophe von 587), was eine
erste Problemstellung aufbaut: die Hinnahme jeder „politischen
Gegenwart", heiße sie Abhängigkeit und Unterwerfung
, als Gericht Gottes - wenn nur Kult und Gesetz
unangetastet bleiben (35ff.). Immerhin ist es der Wille
Gottes und nicht die „Beliebigkeit eines Adiaphoron"
(38), was respektiert wird. Doch egozentrische Passivität
ist vorherrschend - und der Menschensohn kommt aus den
Wolken, nicht aus Entwicklungsgesetzen dieser Welt (40).

Die Verhandlungen über Paulus sind an das Problem
des Gegensatzes zwischen altem und neuem Menschen geknüpft
, genauer gesagt: an die eschatologische Überwindung
dieses Gegensatzes; und das Denkmodell des Escha-
tologischen ist es (131), was das Problem des Weltbezuges
des Christen sichtbar macht, und zwar diesen in seiner
ganzen Doppelheit und Gebrochenheit zwischen Bejahung
und Überwindung der Welt. „Wichtig ist... zu
sehen, daß bei Paulus die Eschatologie eine doppelte
Funktion hat. Einmal schafft sie Distanz zur Welt, zum
anderen erzeugt sie gleichzeitig den letzten Ernst, die
somatisch-mitmenschlichen Bezüge wahrzunehmen" (136).
Diese Doppelheit setzt sich in der Dialektik fort, daß
einerseits Vernunft und Weltweisheit der Ort der Kooperation
von Christen und Nichtchristen sein werden (s. des
Paulus Anknüpfen bei ,... allem, was wahr, was ehrbar,
was gerecht ... ist', Phil.4,8), andererseits die Durchbrechung
bloßer Schöpfungswirklichkeit das Besondere
des Christlichen ausmacht, welch letzteres aber nicht eine
indifferente Stimmung der Distanz zu allem bedeutet,
sondern gerade kritisches Prüfen und Unterscheiden sowie
die Beziehung der Vernunft auf Liebe (115f., 121, 133). -
Im Rahmen einer ausführlichen Besprechung von Rom. 13
wird darauf aufmerksam gemacht, daß Luthers Zweireichelehre
aus dem „Zusammenprall von Rö 13 und dem
vorhergehenden Text von Kap. 12" (welches V. 17ff. in
gewisser Weise die Bergpredigt zusammenfaßt) entsprang
(177 f.).

Auch an Augustin wird nicht die eschatologisch-dua-
listische Linie der Forschung (273) bekräftigt, sondern
sein positives Mitgestaltenwollen der irdischen Verhältnisse
gezeigt, besonders im Blick auf Stellungnahmen des
langjährigen Bischofs zu gesellschaftlichen Fragen in Predigten
und Briefen. Hierbei wird allerdings die Gefahr vor
Augen gestellt, daß man das spezifisch Christliche an das
allgemeine Umweltdenken verliert (wie am Beispiel der
Sklavenfrage, 277ff.). Immerhin verdient Augustins Bemühen
Beachtung, die Vergebungs- und Verzichtworte
der Bergpredigt als vernünftig und dem Besten an römischer
Sozialethik und Tugendlehre entsprechend auszulegen
(281 f., vgl. 285, 310). Der dunkle Fleck an Augustin,
,gerechte Verfolgungen' zu kennen, d.h. Religionszwang
zu bejahen, wird im Rahmen des sehr aktuellen Problems
verhandelt, daß pax terrena bzw. concordia einerseits
und justitia bzw. lex andererseits als oberste Werte in
Gegensatz zueinander geraten können.

Bei allem wird als „Leistung ersten Ranges" hervorgehoben
, daß Augustin die (bes. Eusebianische) theologische
Romverherrlichung, d.h. jene „Reichstheologie",