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Ausgabe:

1971

Spalte:

918-920

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Pollard, Thomas E.

Titel/Untertitel:

Johannine christology and the early church 1971

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 12

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so wenig wie möglich Texte verleihen. Andererseits beziehen
jüngere Autoren auch Stoffe in die Diskussion ein
(wie 2.Tim 2,11-13; Phil 3,20 f. usw.), die nicht mehr ausschließlich
„christologisch" orientiert sind. Aber auch
unter den „christologischen" Hymnen kennen wir Gruppen
(zum Beispiel die Hymnen in der lukanischen Vorgeschichte
), die zu anderen Hymnen (etwa den von S.
untersuchten) nicht passen wollen. Alles in allem erscheint
das Feld der neutestamentlichen Hymnodik schon
jetzt als so weit, daß man mit einer einheitlichen urchristlichen
Hymnendichtung (oder gar einer vorchristlichen
matrix dazu) nicht mehr rechnen kann, wohl aber
mit divergierenden Ansätzen.

2. S. sieht die Relation zwischen den Autoren und den
zitierten Hymnen richtiger als andere, die nur an rhetorische
Bildungen der betreffenden Autoren denken
möchten. Andererseits bleibt die Möglichkeit unbedacht,
daß Fragmentierung nicht nur durch Ablehnung (etwa als
Aufbrechen eines Mythus) entsteht. Vielmehr kann der
Autor das Zitat auch verändern, weil er es bejaht und Folgerungen
daraus ableitet. Dann ist die Annahme eines
Rückgriffs auf eine vorchristliche Schicht die weniger
glückliche Lösung. Mit der Möglichkeit, daß es eine vor
den neutestamentlichen Autoren stehende christliche
Hymnodik gab (die ihrerseits religionsgeschichtliche Hintergründe
verschiedenster Art voraussetzt), rechnet S.
nicht. Das ist aber die historisch nächstliegende, die
eigentlich,„formgeschichtliche" Möglichkeit, die wir gar
nicht übergehen dürfen.

3. Wenn Hymnen in Spannung zum gegenwärtigen
Kontext stehen, zeigt sich, daß zwischen dem Autor (als
selbständigem Theologen) und der Gemeindetradition
Differenzen bestanden haben. Daraus könnte man folgern,
daß die vorliterarische Entwicklung nicht einlinig verlaufen
ist. Hier liegt sogar das historisch wichtigste Problem
, demgegenüber die ganze religionsgeschichtliche
Problematik nur wie eine - sicher wertvolle - Vorfrage
erscheint. Überhaupt arbeitet S. mit einem Begriff von
Christianity, der wie ein völlig einheitliches und einhelliges
Schema wirkt und sich, wie wir inzwischen durch
die Forschungen von W. Bauer wissen, nicht einmal auf
die Ära der Oden Salomos anwenden läßt. Denn eine
„Rechtgläubigkeit" hat es weder anfangs noch zu dieser
etwas jüngeren Zeit gegeben.

4. Nicht bedacht ist auch die jüngere kritische Einschränkung
der Hypothese eines vorchristlichen Erlösermythos
. S. hat diese Hypothese sicher nicht neu erhärtet
, zumal er mit dem Phänomen einer erlöserlosen
Gnosis des 2. Jh. ebensowenig wie mit der Möglichkeit
rechnet, daß die scheinbar vorchristliche Erlösermythologie
der ersten christlichen Hymnen durch die Übertragung
bestimmter mythologischer Vorstellungen auf die Person
Christi entstanden sein könnte, wodurch rückwirkend die
gnostisierenden Ansätze zu der typischen Gnosis der Alten
Kirche angeregt worden sein könnten.

5. Schließlich wird man bemängeln, daß literarkri-
tische Argumente, die doch das A und 0 der Hymnenforschung
sein müßten, wenn wir diese nur zitatweise in
vorliegenden Schriften finden, in dieser Studie nur am
Rande begegnen.

Boredorf b. Leipzig___Gottfried Schlllo

Cangh, Jean-Marie van: ,,Mort pour nos pechös selon les
iScritures" (1 Cor 15,3b). Une reTerence a IsaTo 53? (Revue
Theologique de Louvain 1, 1970 S. 191-199).

Descamps, Albort: Aux origines du ministere. La penBee de
Jesus (Revue Theologique de Louvain 2, 1971 S.3-45).

—: Progres et continuite dans la critiquc des ßvangiles et des
Actes (Revue Theologique de Louvain 1, 1970 S.5-44).

Duplacy, Jean: Une grande entreprise internationale et inter-
confessionelle: Novi Testamenti graeci Editio major critica
(Revue Theologique de Louvain 1, 1970 S.89-91).

Hengel, Martin: Leben in der Veränderung. Ein Beitrag zum
Verständnis der Bergpredigt (Evangelische Kommentare 3,
1970 S.467-651).

Lindenbaur, Erich: Der Tod des Sokrates und das Sterben
Jesu. Stuttgart: Calwer Verlag [1971]. 47 S. kl. 8° = Calwer
Hefte zur Förderung biblischen Glaubens u. christlichen
Lebens, hrsg. v. Th. Schlatter, 113. DM 2,50.

Lohse, Eduard: Protokoll einer Verfälschung? Zum „Jesus-
Rsport" von Johannes Lehmann (Evangelische Kommentare
3, 1970 S. 652-655).

Milson.Fred: Jesus a Leader of Crowds, Individuais and
Groups (ET 82, 1971 S.211-215).

Ramsey, Paul: The Biblical Norm of Righteousness (Interpretation
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Rigaux, Beda: Les destinataires du IVe fivangile a la lumiere
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Ross, J.M.: Not Above What is Written, A Note on 1 Cor 4,6

(ET 82, 1971 S. 215-217).
Subilia, Vittorio: Gesü di fronte a conservazione e a rivolu-

zione (Protestantesimo XXV, 1970 S. 225-230).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Pollard, T.E., Prof.: Johannine Christology and the Early
Church. London: Cambridge University Press 1970.
XII, 359 S. 8° = Society for New Testament Studies,
Monograph Series, ed. by M.Black, 13. Lw. £ 6.-.

Sowohl der Titel des Buches als auch seine Publikation
in der Monographien-Reihe der Society for New
Testament Studies erwecken die Erwartung, daß es sich
bei ihm um eine thematisch ausgerichtete Arbeit zur Auslegungsgeschichte
des JohEv in der alten Kirche handelt.
Diese Erwartung wird indessen kaum erfüllt.

Das Buch beginnt mit einer kurzen, reichlich summarischen
Darstellung der joh. Christologie (S. 3-22). Sie verkörpert
nach P. den Typ der Inkarnations-Christologie
und stellt damit der theologischen Arbeit der folgenden
Generationen die doppelte Aufgabe, das Verhältnis des
präexistenten Logos-Sohn zu Gott sowie das Verhältnis
von Gottheit und Menschheit im Inkarnierten zu explizieren
. Zunächst aber stellt P. dar, wie das bei Joh selbst
geschieht. Er geht aus von dem Prolog und der in ihm enthaltenen
Logos-Vorstellung, die nach P. offenbar genuin
aus der Weisheitsliteratur des Alten Testaments erwachsen
ist (freilich S. 10 die überraschende Ansicht,
Joh 1,3 könne als literarisch abhängig von 1QS XI,11 angesehen
werden). Aber: „it may be asserted that in reality
St. John has no doctrine of the Logos". Gleichwohl stellt
der XX Prolog eine Summe des Evangeliums dar oder vielleicht
mehr eine Ouvertüre, in der die hauptsächlichen
Themen des Ev. angekündigt werden: der Logos als der
dreifache Mittler, nämlich der Schöpfung (sonst freilich
im Ev. nicht erwähnt), der Offenbarung und der Erlösung
(salvation oder redemption), sowie die doppelte
Paradoxie der Einheit in der Unterscheidung zwischen
dem Vater und dem Sohn und der Göttlichkeit und
Menschlichkeit in Jesus Christus (S.14f.). Diese Themen
werden kurz durch das übrige Evangelium hin verfolgt.

Das eigentliche Anliegen des Buches besteht darin, die
Weise zu verfolgen, wie diese im Joh angeschlagenen
Themen in der alten Kirche bis zu dem Streit um Marcell
von Ankyra theologisch bewältigt werden. Natürlich bedeutet
diese zeitliche Eingrenzung, daß im wesentlichen
nur das trinitarische Problem, das durch das Verhältnis
Gott - Logos bzw. Vater - Sohn gestellt ist, also in Beziehung
zur ersten joh. Paradoxie nach P. steht, näher erörtert
werden kann. Der Vf. sieht die damit gegebene Einschränkung
seines Themas, erklärt aber, die Behandlung
der eigentlichen christologischen Kontroverse ,,is beyond