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Ausgabe:

1971

Spalte:

69-70

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Rahner, Karl

Titel/Untertitel:

Die vielen Messen und das eine Opfer 1971

Rezensent:

Schellong, Dieter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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1525 läßt er sein Abendmahlsformular drucken, das mit nicht vorzuziehen sei. Rahner und Häusling befürworten
einer geringen Stimmenmehrheit vom Rat angenommen das Letztere und relativieren die vorgeschriebene Täglichwird
. Im Unterschied zu den übrigen Formularen ist es keit des Meßopfers. Sie haben damit innerhalb ihrer Kirche
nicht „geworden", sondern „geschaffen" und zeigt so den eine z. Tl. lebhafte Kritik hervorgerufen. Diese Situation
theologischen Willen des Reformators. Vf. zeigt m. E. bis erklärt die öfter zu bemerkende Selbstverteidigung, etwa
Jetzt am überzeugendsten die Entwicklung des Züricher wenn die vorliegende 2. Auflage selber registriert, welche
Gottesdienstes anhand der z. T. fragmentartigen Formulare. Zustimmung und Bewunderung Rahners Thesen inzwischen
Eine Intention zur Einheit des Gottesdienstes hin ist bei gefunden haben.

~vingli nicht anhand des Formulars, sondern nur anhand Der Anlage des Buches entsprechend bleibt die evan-

der Beobachtung dessen, was Zwingli über den O r t sagt, gelische grundsätzliche Kritik am Meßopfer und an der

Zu konstatieren: sowohl Predigtstuhl als auch Abendmahls- Privatmesse draußen; um sie geht es hier nicht. Nur auf

'sch befinden sich mitten im Kirchengebäude, dort, wo die S. 115 wird sie kurz erwähnt und beiseite geschoben. Der

emeinde sich versammelt; das Abendmahl wird nicht eine evangelische Leser ist Zuschauer in einem ihm fremden

Handlung „a n der Gemeinde, sondern der Gemeinde". Streit. Trotzdem wird er zunehmend bei der Lektüre ge-

•Dann, wenn, genau da, wo die Predigt geschieht, soll das fesselt werden, denn Rahner und Häußling gehen in ihrer

endmahl gefeiert werden". Dieser neuen Einheit dienen Argumentation schrittweise tiefer in die Meßtheologie hin-

ie drei Teile der Ordnung: Gebets- und Verkündigungs- ein und werfen damit zwangsläufig erneut die Frage nach

e". Anbetungs- und Belehrungsteil, Handlungs- und Dank- deren Sinn und Recht auf. Dabei wird der Unterschied

Sa9ungsteil. Auch die Seltenheit der Feier vermag an die- zu beachten sein, der zwischen dem Opfer Christi als ein

ser neuen Einheitlichkeit nichts zu ändern. für allemal geschehenem Heilsereignis und dem Meßopfer

Auch in B a s e 1 ist das Abendmahl keineswegs Supple- als seiner kultischen Vergegenwärtigung gemacht wird,

j^nt, sondern es fügt sich als dritter Teil des Gesamtgot- Von hier aus sind der evangelischen Theologie billige Pole-

esdienstes als Mahlteil nach dem Verkündigungs- und Vor- miken verwehrt; sie wird sich aber auch fragen müssen,

ereitungsteil nahtlos ein. Die Einheit ist bewußt angestrebt, ob sie so rasch damit übereinkommen darf, wie es jetzt

was auch von Bern, Schaffhausen und der Ordnung Farels oft der Fall zu sein scheint. Die sorgfältigen Darlegungen

Rauptet werden kann. dieses Buches können erneut dazu Anlaß geben.

Auch wenn Calvin die innere Beziehung zum Liturgi- Die Ablehnung der Notwendigkeit zu täglicher Einzelnen
aus mancherlei Gründen fehlte, finden wir bei ihm messe resultiert aus der Ablehnung eines fruetus sepecialis-
*|lne erstaunlich ausgereifte Form eines einheitlichen Gottes- simus für den Priester, aus der Betonung der existentiellen
Enstes. Überraschend ist das Ergebnis: „Daß man diese Beteiligung an der Messe und aus der Erkenntnis des inte-
nterschiede (der Abendmahlslehre Zwingiis und Calvins) gralen ekklesiologischen Elements, das die Messe sinnvoll
er dennoch nicht überbetonen darf, zeigt sich hier, wo in eine kollegiale statt solipsistische Zelebration weist. Ob
er Glaube in der Liturgie Gestalt annimmt". In seiner dazu der auch innerhalb katholischer Theologie anfecht-
aßburger Liturgie hat er Bucers Ansätze „in unüber- bare Gedanke von der Kirche als Ursakrament unbedingt
r°ffener Weise zu Ende geführt". Auch sein Genfer Gottes- bemüht werden mußte (S. 108f.), sei dahingestellt.
Ienst drängt auf Einheit der Teile. Münster Dieter Schellong
ßei allen Reformatoren wird also der Gottesdienst
^selon la coutume de l'eglise anciennc" (Calvin) geordnet.

Ie Zweiteilung des liturgischen Ortes wird allenthalben uicpiaum tif>»r-iii»Mi > • »v

^gehoben. Der Gottesdienst soll eine einheitlich liturgi- MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

Handlung sein. Man kann also nur unterscheiden zwi-

Schen Predigtgottesdiensten, die die Regel waren, und Abend- Boegner, Marc, Pastor: Ein Leben für die Ökumene. Erin-

^ahlsgottesdiensten, die relativ selten gefeiert wurden, nerungen und Ausblicke, übers, v. H. P. M. Schaad. Frank-

aber in sich die Einheit von Verkündigungs- und Mahlteil furt/M.: Knecht; Stuttgart: Evang. Verlagswerk (1970).

aufwiesen. Die moderne Unterscheidung zwischen Predigt- 441 S. 8°. Lw. DM 32.-.

ter h"111 Mahlteil kann sich nicht auf die ref°rmierten Vä- Die „ökumenische Autobiographie" Marc Boegners, Mit-
erufen. glied der Academie Francaise, Pastor der Reformierten Kir-
lich Em Anhang uber "die Quellen"' in dem die wesent- che Frankreichs, langjähriger Präsident des Französischen
^chsten Teile der Formulare abgedruckt erscheinen, und Protestantischen Kirchenbundes und des Nationalrates der
dni9e Faksimile-Abdrucke erhöhen den Wert der Arbeit, Reformierten Kirchen Frankreichs, Mitglied des Vorläufigen
Lektüre gerade in der Phase der Gottesdienstrefor- gen Ausschusses des ökumenischen Rates der Kirchen und
en. in der wir stehen, sehr empfohlen wird. Präsident des Geschäftsführenden Ausschusses, einer der
Heidelberg Weither Eisinger ersten Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen

(1948—1954), wurde in Paris von fiditions Albin Michel
1968 vorgelegt. Ihr Titel: „L'exigence oecumenique" (öku-

R menische Herausforderung) ist — wenn schon nicht über-

ahner, Karl, u. Angelus Häussling: Die vielen Messen und setzt 0der übernommen — gewiß treffend „verdeutscht",

das eine Opfer. Eine Untersuchung über die rechte Norm „Ökumenisch" nenne ich diese Biographie, weil Boegner

der Messhäufigkeit. 2., Überarb. u. erweit. Aufl. Freiburg- weitgehend auf persönliche, familiäre, ja sogar innerfran-

ßasel-Wien: Herder [1966]. 144 S. 8° = Quaestiones Dis- zösisch-protestantische Züge und Aspekte ausgesprochener-

Putatae, hrsg. v. K. Rahner u. H. Schlier, 31. maßen verzichtet und allen Wert darauf legt, die Bedeu-

°iese Schrift geht auf einen Aufsatz von Karl Rahner tung der ökumenischen Epoche hervorzuheben, die er er-

aUs dem Jahr 1949 zurück, aus dem nach weiteren erläu- lebt und die er entscheidend mitgeprägt hat. Ihm ist diese

ternden und ergänzenden Aufsätzen eine selbständige Pu- Bedeutung schon früh deutlich geworden in der vielleicht

"''Nation wurde, die nun von A. Häußling in 2. Auflage gerade für Frankreich so charakteristischen Begegnung mit

Vor3elegt ist — bereichert in theologie- und liturgiege- der römisch-katholischen Kirche. Als Initiator seines öku-

Scnichtlicher Hinsicht und durchgesehen mit Rücksicht auf menischen Interesses bezeichnet er seinen Onkel, Pastor T.

die seitherige Diskussion. Das Thema ist rein innerkatho- Fallot, dessen schönes Wort eine Art Motto für das Leben

isch; ^s geht um die Häufigkeit der Meßopferfeiern und (und für das Buch) Boegners geworden ist: „Die Kirche

Um die Frage, ob jeder Priester täglich für sich die Messe wird katholisch sein, oder sie wird keine Kirche sein; der

zelebrieren müsse oder ob eine Gemeinschaftszelebration Christ wird Protestant sein, oder er wird kein Christ sein."