Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1971

Spalte:

876-878

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Lieske, Reinhard

Titel/Untertitel:

Protestantische Frömmigkeit im Spiegel der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg 1971

Rezensent:

Lieske, Reinhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

875

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 11

876

haupt, die bei Paulus weitaus häufigste. Darüber hinaus erscheint
sie an einer Reihe theologische interessanter Stellen
. Keine dieser fünf Gebrauchsweisen ist in sich einheitlich
. Man kann aus jeder von ihnen Untergruppen bilden.
Diese Untergruppen heißen in der Arbeit „Funktionen".
Die zuerst genannten vier Gebrauchsweisen kommen allerdings
bei Paulus so spärlich vor, daß ihre weitere Unterteilung
in Funktionen nicht lohnt. Bei der relationalen
Gebrauchsweise erweist sich aber eine solche Einteilung in
Funktionen als nötig. Die in den Paulinischen Briefen wichtigsten
sind die normative Funktion (Ph 3,5), die kausale
(R 11,5), die instrumentale (G 1,11) sowie eine Über-
gangsform zwischen den beiden letzteren, die an solchen
Stellen begegnet, welche man kausal oder instrumental
verstehen kann, ohne dafj der Sinn der Stelle dadurch verändert
wird; dann gibt es noch eine weitere Funktion innerhalb
des relationalen Gebrauchs, die den Gesichtspunkt
bezeichnet, unter dem die im Nomen genannte Sache, Person
oder Personengruppe zu sehen ist (I. K 15,32). Quer
durch alle Funktionen und Gebrauchsweisen — abgesehen
von der periphrastischen — geht noch eine andere Einteilung
, die daran orientiert ist, ob die xaxd-Verbindung
bei einem Verb steht (z. B. R 8,27), also adverbal ist, oder
ob sie bei einem Nomen steht (z. B. R 11,28), also adno-
minal ist.

Die mit Abstand häufigste xata-Verbindung ist xaxd
adgxa ; gefolgt von xaxd avsvfia . Diese beiden Ausdrücke,
die in theologisch wichtigen Zusammenhängen vorkommen,
sind gelegentlich ausdrücklich aufeinander bezogen und
zweckmäßigerweise gemeinsam zu erklären. Zunächst erwies
es sich als angebracht, die beiden Nomina ohne Rücksicht
auf ihre Verbindung mit xaxd anzusehen.

odg!- bezeichnet bei Paulus teilweise die bloße Geschöpf-
lichkeit einschließlich von Schwäche und Vergänglichkeit,
wie im AT, jedenfalls ohne ausdrückliche Verbindung mit
dem Paulinischen Sündenbegriff. Über diese Verwendung
von oäe£ geht Paulus aber in einer anderen Gruppe von
Stellen, an denen er odg$ sagt, hinaus. In zwei Richtungen
gibt es für ihn eine Verbindung von Fleisch und Sünde.
Die eine ist stoischer Herkunft und dem Apostel wahrscheinlich
durch jüdisch-hellenistische Polemik gegen das
lasterhafte Heidentum zugekommen, eine Polemik, in welcher
der stoische Widerspruch gegen die eudämonistisch
gemeinte epikureische Losung xaxa adgxa t/dovr/ übernommen
und auf das Heidentum allgemein ausgedehnt worden
ist. Auf dieser Linie bewegt sich Paulus z. B. R 13,14.
Hier wendet er sich also gegen Libertinismus. Eigentümlich
paulinisch ist dagegen eine andere Richtung in der
der Apostel Fleisch und Sünde miteinander verbunden
sieht. Diese Verbindung ist am deutlichsten Ph 3,3 zu
sehen. Hier ist das von Abraham abstammende, beschnittene
, auf das Gesetz verpflichtete Fleisch gemeint. Böse
ist es nicht von Natur, sondern insofern sich der Mensch
darauf verläßt. Diese antimonistische oder antijudaistische
Richtung der Verbindung von Sünde und Fleisch ist besonders
ausführlich in G (s. z. B. 3,3) dargestellt. Einen
interessanten Übergang vom antilibertinistischen zum antimonistischen
adgS-Verständnis zeigt der Gedankengang
II. K 10—11. Der Apostel sieht in beiden ethisch so entgegengesetzten
Positionen theologisch das gleiche Motiv.

jtrev/ia ist die Vokabel, die in der Auseinandersetzung
mit den enthusiastischen Kreisen der Christenheit die
entscheidende Rolle gespielt zu haben scheint. Beriefen
sich die Enthusiasten für ihren individualistischen Perfektionismus
auf das Wirken des Geistes, so hält ihnen
der Apostel vor, daß der Geist eben nicht erst beim endgültigen
Heil, sondern innerzeitlich wirkt, also bei der
Rechtfertigung, denn Hixuiovooai ist noch nicht o<p(to&at,
im Hoffen und nicht erst, wenn das vollkommene Heil
das Hoffen überflüssig gemacht haben wird, im Aufbau
der irdischen Gemeinde bei allen Funktionen, die es dort

gibt und nicht nur bei denen, die sich so vollkommen dünken
, daß sie der Mitchristen nicht bedürfen. So erklärt sich
das besonders zahlreiche Vorkommen von nvev/xa in R 8,1
bis 27; I. K. 12—14 und G 3—5. Der Beachtung wert ist, daß
dabei R 8 und G 3—5 das Verhältnis des Geistes zum
Fleisch erörtert wird.

Wenn xaxa odgxa oder xaxa Txveifia adverbal stehen,
dann hat xaxa kausale oder instrumentale Funktion. In
diesen Fällen ist odg!; negativ gemeint, also nicht bloß im
Sinne der Geschöpflichkeit. Eine Ausnahme von dieser Regel
bildet R 1,3 f. Die Formulierung an dieser Stelle ist
nach allgemeiner Meinung der Forschung vorpaulinisch.
Im übrigen aber wird mit dem adverbal stehenden Ausdruck
xaxa odgxa ein Verhalten von Christen auf Grund
oder vermittels des Fleisches negativ, ein solches auf Grund
oder vermittels des Geistes positiv bewertet, xaxa hat also
hier keine normative Funktion. adßS und nveTifia sind nicht
Normen, sondern Gründe oder Mittel des Verhaltens. Norm,
nach der das Verhalten gemessen wird, ist auch für den
Christen das Gesetz (G 5,23). Wenn xaxa adgxa adnomi-
nal steht, soll der Gesichtspunkt bezeichnet werden, unter
dem das Nomen in diesem Zusammenhang betrachtet werden
soll. In diesen Fällen ist adn$ nicht negativ gemeint,
sondern neutral im Sinne der Geschöpflichkeit. Die Ausnahme
von dieser Regel bildet wiederum R 1,3 f. Hier bezeichnet
xaxa odgxa den Gesichtspunkt der Menschlichkeit
Jesu; xaxa adgxa steht hier aber ausnahmsweise adverbal.
xaxa nvEv/ia bezeichnet in adnominalcr Stellung immer solch
einen Gesichtspunkt. Angemerkt sei noch, daß es ein ad-
nominal stehendes xaxa nvevfxa bei Paulus nicht gibt.

Bei keiner andern relationalen xaxd-Verbindung treten
derartige Regelmäßigkeiten auf. Auch fehlen ihnen die Besonderheiten
, wie sich sich bei xaxa adgxa und xaxa nvev/ia
zeigten. Für die meisten dieser anderen relationalen xaxd-
Verbindungen und auch für die Verbindungen von xaxd
in den sonstigen Gebrauchsweisen ließen sich terminologische
Parallelen in der übrigen griechischen Literatur finden.
Gelegentlich ergibt auch die genaue Untersuchung der Präposition
xaxd an solchen Stellen eine exegetische Klärung.
Andererseits gibt es für xaxa adgxa nur die ganz wenigen
Parallelen bei den Epikureern, für xata nvev/ia überhaupt
keine. Gerade in diesem Bereich liegt die spezifische Bedeutung
von xaxd mit dem Akkusativ in den theologischen
Aussagen des Apostels Paulus.

Lieskc, Reinhard: Protestantische Frömmigkeit im Spiegel
der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg.
I: Vorbemerkungen. 1. Christus, die Mitte des Evangeliums
. 2. Frömmigkeit zwischen Gott und Welt. Zusammenfassung
. — II: Anmerkungen. Nachweis des ausgewerteten
Materials an Bildern und Bildwerken. Literaturverzeichnis
. Diss. Tübingen 1971. 484 S.

Die Untersuchung setzt eine systematische Sammlung
und Auswertung aller Zeugnisse kirchlicher nachreforma-
torischer Malerei und Skulptur — Stein- und Holzepitaphc
ausgenommen - innerhalb des geographisch und zeitlich
eingrenzbaren Bereichs des lutherisch-protestantischen Herzogtums
Württemberg voraus. Erfaßt und ausgewertet sind
Wandgemälde, Bilderzyklcn an Kirchenemporen, Dek-
kenbemalungen, einzelne Tafelgemälde, Orgel-, Kanzel-
und, wenn auch nur selten vorhanden, Altarschmuck. In
die Betrachtung mit einbezogen sind schließlich noch einige
schriftliche Quellen, die einstmals Vorhandenes wenigstens
noch in thematischer Hinsicht auf uns überliefert
haben.

Ziel der Untersuchung bleibt dabei in strenger Aus-
schließlichkeit die Absicht, das registrierte Bildmaterial
als Spiegelung protestantischer Frömmigkeit zu deuten.