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1971

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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rakter der Schrift fordert, daß man sie stets in der ganz- zu geringe Kenntnisnahme der christologischen Problematik
Zeitlichen Schau des einen großen göttlichen Heilsplanes des NT wider (vgl. unscharfe Menschensohncharakterisie-
versteht und daß man sie entgegennimmt in der lebendi- rung 60), die das berechtigte und engagiert vorgetragene
gen Verkündigung und Auslegung, die sie durch das charis- Leitmotiv nicht aus einer gewissen Verschwommenheit her-
rnatische Wort der Kirche findet. Dabei soll die Wissenschaft- auszukristallisieren imstande ist. Wohl insistiert R. darauf,
liehe Erforschung der Schrift nicht ausgeschlossen, sondern daß »nur vom Kreuz her . . . die Wiedererstehung der
m ihrer religiösen Bestimmung dienstbar gemacht werden" Kirche ausgehen" kann (37), aber der Leser vermißt die
w22f.). Auch bei der Untersuchung der Träger der kirch- kritisch-konsequente Weiterführung dieses Ansatzes bei der
liehen Unfehlbarkeit bleibt Lang konservativ: »Da die au- theologia crucis, die auch die neutestamentlich legitime
toritative Verkündigung der Offenbarung dem kirchlichen Perspektive für die Bestimmung neuer Wege abgegeben
Lehramt übertragen ist, hat die Irrtumslosigkeit des Glau- hätte (vgl. die inzwischen durch Käsemann erfolgte Aufbens
die Irrtumslosigkeit der kirchlichen Lehrverkündigung deckung der revolutionären Dynamik einer theologia cru-
zur notwendigen Voraussetzung" (232). Die Unfehlbarkeit eis in: »Die Heilsbedeutung des Todes Jesu nach Paulus",
des Gesamtepiskopats gipfelt indessen in der des Papstes, bes. 29 und „Die Gegenwart des Gekreuzigten", beide 1967).
wenn er ex cathedra spricht; sie beruht „darauf, daß durch Der Bezug auf „Die Menschlichkeit Gottes" von Karl Barth
einen besonderen Beistand des Heiligen Geistes irrtümliche ist zu flüchtig, um diesem Mangel abhelfen zu können.
Entscheidungen verhindert werden" (238). Das angebotene Modell unter dem Stichwort der „of-
Andere katholische Theologen sehen dieses Problem fenen Gemeinde" in einer offenen Gesellschaft ist ebenfalls
heute mehr in der Linie reformatorischer Erkenntnis an, nicht neu (Bonhoeffer). Es beruht auf einer „Verlebendi-
wobei ihnen die formale Lehrautorität zurücktritt vor der gung der Laien" und dem Aufbruch der manifesten Kirche
-Autorität des Zeugnisses selbst, also der Sache selbst" (Tillich) zur nicht mehr abgrenzbaren latenten, die überall
(K- Rahner). Der Beistand des Heiligen Geistes kann nicht da ist, wo Christus als gnädiger Nächster verborgen den
"nstitutionalisiert werden, so unersetzlich er ist für rechte Menschen begegnet. Hier sind tatsächlich Trennungslinien
Lehre. Das unfehlbare Lehramt des Papstes vermag in Sa- niederzureißen, nicht nur die drei von R. genannten der
*en Lehre dem Glauben keine Sicherheit zu geben; es hat klerikalen, professionellen und der der Geschlechter, bevor
Schwierigkeiten genug, um durch vielschichtige Lehräuße- der Laie wirklich in das Amt der Kirche einrückt und
^«gen der Vorgänger hindurchzufinden. Die Sache des nachdrücklicher als bisher die Präsens Christi in allen Wirk-
^ristlichen Glaubens ist das Evangelium Jesu Christi, wie lichkeitsbereichen dieser Welt verdeutlicht. Wie das im
es in den biblischen Zeugnissen laut geworden ist und wie einzelnen in einer Laientheologie vorbereitet werden soll,
^s die Zeugen beglaubigt und keiner Glaubhaftmachung sa9t leider R. auch nicht, so dringend deren Intention, die
durch lehramtliche Instanzen bedarf. Probleme der Welt theologisch zu durchdenken, nur zu un-
j.nn o . a terstützen ist.

ena Horst Beintker

Damit lassen des Autors hermeneutische Vorfeldklärungen
wie auch seine praktischen Gestaltungsmuster künftiger
kirchlicher Existenz viele Fragen offen. Das gilt auch
für die beiden Aufsätze des Anhangs zu den Themen „Kann

K°binson, John A. T. i Eine neue Reformation? Übers, v. ein redlicher Zeitgenosse etwas anderes als Atheist sein?"

w- Lück. München: Kaiser 1965. 152 S. 8°. DM 6.80. und (von seiner Frau Ruth) „Christliche Erziehung in einer

"~ Christliche Moral heute. Ebd. 1964. 56 S. 8°. DM 2.80. religionslosen Welt" ebenso wie für die drei Vorträge über

Seinem auf generelle Erleichterung des Lehr-Gepäcks die „neue Moral", die im Bedenken der Bergpredigt den

der Kirche hinauslaufenden Bestseller „Gott ist anders — unbedingten Anspruch des Reiches Gottes in Form der gött-

Honest to God" läßt der Bischof von Woolwich hier zwei liehen Agape zu Gehör bringen, „als ob außer ihm keine

Schriften zur Kirchenreform und Ethik folgen. Er stimmt anderen Ansprüche bestünden" (32) und damit natürlich

damit in den Chor vieler davor und inzwischen danach er- das Gesetz aus seiner Mittelpunktstellung an die Grenzen

gangener Rufe nach einem gründlichen Gestaltwandel kirch- christlicher Ethik katapultiert. Doch da alle bisher geäu-

ucher Existenz ein, ohne jedoch in Diagnose und therapeu- ßerten Reformimpulse so geringe Verwirklichung gefunden

tischen Empfehlungen jene scharfsichtige Profilierung zu haben, braucht die Kirche der Gegenwart immer wieder sol-

"reichen, wie sie schon vor ihm Hoeckendijk in „Die Zu- Ae leidenschaftlich vorgetragenen Zeugnisse eines »vulka-

kunft der Kirche und die Kirche der Zukunft" (1964) be- nischen Fermentes" in ihr, das in der Suche nach Anpassung

w'esen hat. an ihre neue Auftragslage nicht nachläßt.

Doch fragen wir zunächst nach dem Leitmotiv und Die erhebliche Verspätung der Anzeige geht nicht zu

dann nach dem Modell für das, was nach Abbruch des Be- Lasten des Rezensenten.

Gehenden an dessen Stelle zu treten hätte. „Eine Reforma- Schraplau Wolfram Nierth

tion setzt Kräfte frei, die da sind" (23). Sie läßt sich nicht__

Produzieren oder organisieren. Aber erste Anzeichen sieht
*7 Senug für ein untergründiges „Gären in der Kirche", für

ein -Osterlicht", das um so heller aufleuchtet, „wenn Wag- von Balthasar, Hans Urs: Le Christ, forme de notre vie ou:

9°nladungen von Metaphysik abtransportiert sind" (25), la fete de la souffrance (Communion 24, 1970 S. 38—48).

Und nun auch den Blick frei macht für den „anderen Aus- Bourassa, Francois: Expiation (science et esprit 22, 1970

9angspunkt" einer jetzt einsetzenden Reformation: den S. 149—170).

•9nädigen Nächsten" (nach Horst Symanowski). So frap- Brown, Ralph: Immaturity as an impediment to marriage

pant der Kontrapunkt zu der des 16. Jh. mit ihrer Frage (Theology Digest 18, 1970 S. 55-61).

nach dem gnädigen Gott auch sein mag, so sehr auch das Cassem, N. H.: Inerrancy after 70 years. The transition to

Jucht erst bei R. formulierte Bemühen um Abholung des saving truth (science et esprit 22, 1970 S. 189—202).

heutigen Menschen an seinem tatsächlichen Standort eine Dumont, C. S. J.: De trois dimensions retrouvees en theo-

nicht wieder rückgängig zu machende Forderung bleibt — logie: eschatologie — orthopraxie — hermeneutique (NRTh

et nennt es den „induktiven Zugang zur christlichen Lehre" 102, 1970 S. 561-591).

0) —, so fragwürdig erscheint es doch, die untrennbare Ernst, Josef: Das hermeneutische Problem im Wandel der

Emheit zwischen der Frage nach Gott und dem Nächsten Auslegungsgeschichte (ThGl 60, 1970 S. 245-273).

'aUf Mt 25 wird oft zurückgegriffen) in eine Alternative Evdokimov, Paul: The social dimension of Orthodox eccle-

aUseinander zu reißen. Darin spiegelt sich jedoch nur eine siology (Theology Digest 18, 1970 S. 43—52).