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Ausgabe:

1971

Spalte:

870

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Eucharistie - Zeichen der Einheit 1971

Rezensent:

Koch, Ottfried

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869

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 11

870

Außerordentlich notwendig und hilfreich ist die Klärung
der Terminologie (Abschnitt I). Die Begriffsskala der
Faith and Order Konferenz Lund 1952 wird noch einmal
erwähnt, um durch eine sachgemäßere ersetzt zu werden.
Insbesondere verschleiert das Wort „Interkommunion" den
Weg zu der damit gemeinten Sache. Es dürfte für eine
weitere Diskussion und Praxis entscheidend sein, den theologischen
Ansatz aufzugreifen, der in der neuen Begrifflichkeit
zum Ausdruck kommt. V. plädiert mit Nachdruck
(unter Berufung auf Seesemann, Kittel und Eiert) dafür,
„das Wort .Gemeinschaft' (communio koinonia) für die
volle Abendmahlsgemeinschaft der ekklesiai des Volkes
Gottes unter allen Völkern und an allen Orten vorzubehalten
" (19). Daraus ergeben sich die beiden die communio
charakterisierenden Aspekte: der der Sakramentsverwaltung
durch das ministerium ecclesiasticum (celebratio-
Aspekt) und der der Zulassung (admissio-Aspekt). In der
neuen Begriffsskala ist die erste Stufe in Richtung auf
eine volle Kirchengemeinschaft die „begrenzte admissio"
= die bedingte Zulassung zum Abendmahl von getauften
Christen, die nicht der Disziplin der eigenen Kirche unterstehen
. Es folgt die „allgemeine admissio" als Zulassung
aller Getauften. Als nächste Stufe wäre die gegenseitige
allgemeine Zulassung anzusehen. Die Vorstufe der (vollen)
Kirchengemeinschaft wäre die „Inter-Zelebration", die aber
nur mit dieser Zielsetzung von V. anerkannt wird; sonst
würde „die Spaltung des Leibes Christi im Prinzip anerkannt
" (21). (Da nicht nur die Bedingungen der Zulassung
je nach Standort einer Kirche verschieden sind, sondern
auch innerhalb einer Kirche die Frage der Zulassung eines
Fremden zum eigenen Abendmahl anders beurteilt wird
als die Frage einer Erlaubnis, am Abendmahl der anderen
Kirche teilzunehmen, wäre zu empfehlen, zwischen dem
admissio- und dem demissio-Aspekt zu unterscheiden.)

Innerhalb dieser Skala kommen die Ereignisse von Upp-
sala und Medellin auf die Stufe der „begrenzten admissio"
zu stehen, die Pfingstmesse in Paris hingegen stellt sich
als eine simultan gefeierte Messe auf die Linie der Inter-
Zelebrationen. Als einmaliger Vorgang ist das Pariser Ereignis
als „prophetisches Zeichen" anzunehmen. Diese Zei-
chenhaftigkeit ist „aber andererseits nur so lange gültig,
als sie sich nicht pseudoekklesial neben den Kirchen etabliert
. Damit würde sie ihre intendierte Wirkung verfehlen
und zu einer weiteren Spaltung führen, statt eine peinliche
Spaltung zu heilen" (27).

Im Abschnitt II entfaltet V. die theologische Problematik
des celebratio-Aspektes. Da CA VII nicht eine neue,
„lutherische" Kirche definiert, sondern die Eine Kirche
schlechthin, also die Grenzen der Kirche vom Evangelium
und den Sakramenten her gezogen werden, nicht von den
Menschen her, ist es möglich, die Eine Kirche auch in der
anderen zu finden. Folglich müßte es möglich sein, daß
„ein gläubiger Christ das Evangelium und die Sakramente
auch von einem papsttreuen Priester" empfängt (36). Dazu
kommt, daß sich auf römischer Seite mut. mut. der gleiche
Vorgang abspielt. In dem Maße, in dem die Vorherrschaft
des kanonrechtlichen Kirchenbegriffs zerbricht, in
dem Maße wird es möglich, auch in der anderen Kirche
„die Kirche von Rom" zu erkennen (38). Damit wäre auf
theologisch legitime Weise eine Überwindung der Stagnation
in einem nächsten Schritt möglich, der die „begrenzte
ekklesiale Wirklichkeit" einerseits zu respektieren, andererseits
aber auch mutig in einer begrenzten admissio
darzustellen hätte.

Innerhalb des admissio-Aspektes (A. III) ergibt sich V.s
Befürwortung einer begrenzten admissio aus zwei Überlegungen
. V. legt nach dem Vorbild der Schwedischen Kirche
für das Erfassen der pneumatischen Wirklichkeit einer
Eucharistiefeier dem liturgischen Vollzug und dem geistlichen
Mitvollziehen des Kommunikanten größte Bedeutung
bei. Unter gewissen Voraussetzungen, die erfüllt sein müßten
, „wäre für die Teilnahme eines evangelischen Christen
eine kaum noch spürbare Grenze vorhanden" (58). Nimmt
man dann noch mit V. Luthers Befürwortung einer befristeten
reservatio mentalis, die dem Priester erlaubt, den
römischen Ritus zu vollziehen, ihn aber anders zu deuten,
hinzu, bleibt von einer Begrenzung der admissio nicht
mehr viel übrig. So geht V. in seinem verhalten-leidenschaftlichen
Bemühen, „aus der Sackgasse" herauszuführen
(A. IV), bis an die äußerste Grenze.

Man kann der mutigen und dringend notwendigen Studie
von V. nur wünschen, daß die überaus fruchtbaren
theologischen und begrifflichen Klärungen nicht von
schwärmerisch-enthusiastischer Praxis überrollt werden
und daß die noch offenen Fragen alsbaldiger Klärung in
Gespräch und besonnener Praxis entgegengeführt werden.
Darf man aus der Möglichkeit, daß die neuere Meßopferlehre
durchaus auch evangeliumsnahe interpretiert werden
kann, schließen, daß sie auch so interpretiert werden
müsse und folglich ekklesiale Konsequenzen gezogen werden
können? Zugegeben, daß die geistliche Wirklichkeit
einer Kirche (= ihrer Messe) sich dogmatisch-rationalen
Kategorien allein nicht erschließt — darf man die Entscheidung
über die Apostolizität einer Eucharistie und die
Teilnahme an ihr so stark in den Erkenntnisvorgang des
lebendigen liturgischen Mitvollzugs verlegen und damit
auch individualisieren? Läßt sich die „begrenzte ekklesiale
Wirklichkeit", die vielfach (auch vom Rez.) beglückend erfahren
wird, präziser und verbindlicher beschreiben?

Eisenach Ottfried Koch

Suttner, Ernst Chr.: Eucharistie — Zeichen der Einheit.

Erstes Regensburger Ökumenisches Symposium Regensburg
: F. Pustet (1970). 134 S. 8°. Kart. DM 9,80.
Inmitten zahlreicher Versuche und Anstrengungen, zu
einer Einheit am Tisch des Herrn zu kommen, verdient
das Zusammentreffen orthodoxer, römisch-katholischer
(und auch eines lutherischen) Theologen vom 25. bis
30. Juli 1970 in Regensburg besondere Beachtung. Reiz
und Wert des informierenden Buches liegen nicht in seinen
guten, auf das Wesentliche bedachten Beiträgen zur
historischen und systematischen Liturgik (Klaus Gamber,
Evangelos Theodorou, Franz Nikolasch, Johann B. Auer.
Gerasimos Saphiris, Helmut Riedlinger), vielmehr in ihrer
Zuordnung zum Problem der Abendmahlszulassung von
Gliedern konfessionsverschiedener Kirchen (darüber speziell
: Chrysostomos Konstatinidis, Matthäus Kaiser, Ernst
Chr. Suttner). Das Symposion ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert
:

Es wurde intensiv theologisch gearbeitet. Aber dabei
ging es, soweit Lehreinheit als Voraussetzung für Admis-
sion anerkannt wurde, nicht um konfessionelle Richtigkeit
einer Lehrformel, sondern um tieferes Verstehen. Man
war bemüht zu ergründen, „weswegen der andere das nämliche
in anderer Weise aussagt" (128). Mit der Überwindung
der dogmatischen Engführung hängt die Absicht zusammen
, einen „Prozeß gegenseitigen Sich-verstehen-Wol-
lens beim Kirchenvolk in den einzelnen Kirchen" einzuleiten
(126) aus der Erkenntnis, daß erst die Bemühung
um das Ganze des Lebensraumes einer Kirche eine gemeinsame
Eucharistiefeicr möglich macht.

Zum Sachproblem bringt das Symposion nichts wesentlich
Neues, aber es informiert gut über den Stand der
Dinge. Im Streit um die beiden Aspekte der Eucharistie —
Zeichen der Einheit, Quelle der Einheit — hat sich die Auffassung
durchgesetzt, sie nicht alternativ zu handhaben. So
wurde von allen Referenten die gegenseitige admissio
als das „Vorletzte" auf dem Wege zur Wiederherstellung
der vollen Einheit der Kirche bejaht.

Eisenach Ottfried Koch