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Ausgabe:

1971

Spalte:

868

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Menschenwürde und Gerechtigkeit 1971

Rezensent:

Bassarak, Gerhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 11

868

für die Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten
übernommen hat.

Anwar M. Barkat, stellvertretender Direktor des Bos-
sey-Instituts und Leiter der Konsultation, referiert zum
Thema des Bändchens. Zu den Friedensaspekten, die er
untersucht, gehört auch eine kurze Skizze der Bedeutungsfülle
des Begriffs „Frieden" in verschiedenen Kulturen. Er
kommt zu dem Ergebnis, das Hauptproblem des Unfriedens
in der modernen Gesellschaft sei nicht der Atomkrieg
; er sei nur Symptom einer tieferen und tödlichen
Krankheit, nämlich der Ausbeutung, Unterdrückung und
Beherrschung. Es wird so eine allgemein in der Ökumene
vorhandene Tendenz aufgenommen, die Ost-West-Spannung
zu bagatellisieren zugunsten des Nord-Süd-Konfliktes
. B. nennt zum Schluß 13 Thesen, die eine der Arbeitsgruppen
(dieser Konsultation?) zu Studium und Aktion in
der Wahrnehmung kirchlicher Verantwortung für den Frieden
formuliert hat.

S. L. Parmar, Vorgänger von Barkat in Bossey und wie
er Soziologe aus Indien, untersucht „Das wirtschaftliche
Gefälle zwischen den Staaten — eine Bedrohung des Weltfriedens
". Er bemüht sich um eine differenziertere Betrachtungsweise
und lehnt ein schematisches Herangehen
an das Spannungsverhältnis „Norden—Süden" ab. „Die
starken Nationen stellen eine viel größere Gefahr für den
Weltfrieden dar als die schwachen." Doch auch er kommt
bei der Diskussion von Hilfe für die Dritte Welt von dem
Schema Nord—Süd nicht genügend los und unterscheidet
nicht die Hilfsmaßnahmen sozialistischer Staaten von der
Auslandshilfe, die die „verwerflichen Züge des Neokolonialismus
" trägt.

Janos Toth, Jurist aus der Schweiz, geht an sein Thema
„Menschenrechte und Weltfrieden" außerordentlich emotional
heran. Für einen Juristen unerklärlich unscharf ist
die Feststellung über den Sicherheitsrat: Die fünf ihm angehörenden
Großmächte - China, Frankreich, Großbritannien
, UdSSR und USA — seien „inzwischen zu Nuklearmächten
geworden". Das trifft zwar auf fünf Großmächte
zu, aber die zur Nuklearmacht gewordene Großmacht China
gehörte zum Zeitpunkt des Referats weder der UNO
noch dem Sicherheitsrat an, und das dem Sicherheitsrat
damals angehörende China ist weder Groß- noch
Nuklearmacht. Ein gemäßigter Antikommunismus ist für
den Beitrag typisch. Er gipfelt in der - man wird sagen
dürfen — versponnenen Forderung, nach den Revolutionen
der Bourgeoisie und des Industrieproletariats müsse die
„Revolution der Menschenwürde" folgen. Toth bleibt die
Auskunft schuldig, welche Klasse diese „Revolution" durchführen
soll.

John W. Burton und Adam Roberts, zwei Briten, referieren
über „Interessenkonflikte. Sind sie subjektiv oder
objektiv" und „Gewaltloser Widerstand bei den Bemühungen
um Frieden". Burton informiert objektiv und fast
unterkühlt über „Methoden der Beilegung eines Konflikts",
während Roberts Darlegungen den Gipfel an antikommunistischen
Äußerungen auf dieser Konsultation darstellen.
Hilft das dem Frieden?

Jean Laloy, französischer Professor und Diplomat, nennt
seinen Beitrag: „Die dynamische Kraft des Friedens". Er
entwirft Modelle für eine bessere Welt, die den einzigen
Nachteil haben dürften, alle nicht zu gehen. Zum Schluß
sind ein westberliner und zwei westdeutsche Beiträge
zu nennen.

Hansjürg Ranke, Kirchenjurist aus Westberlin, war gebeten
worden, „einen zusammenfassenden und begründeten
Aktionsplan zu geben für Frieden und Gerechtigkeit
in der Welt". Er zitiert im wesentlichen aus verschiedenen
Thesenreihen einiger Kommissionen der früheren
EKD und aus einem Lexikon-Artikel „Recht" von E.
V/olf.

Ulrich Scheuner, Jurist aus Bonn, untersucht „Ursachen

von Konflikten und Kriegen aus der Sicht des Völkerrechts
".

Wolfgang Huber von der Heidelberger Forschungsstätte
der Ev. Studiengemeinschaft bietet mit dem letzten Beitrag
des Bändchens über „Die Verantwortung des Christen
für den Weltfrieden" den selbstkritischen und daher vielleicht
interessantesten Diskussionsstoff auch mit einer
Reihe von Ansätzen, die zur Weiterarbeit einlüden.

Es ist dem ökumenischen Rat zu danken, daß er einer
breiteren Öffentlichkeit durch diese Publikation Gelegenheit
gibt, die Referate der Friedenskonsultation in Bossey
kennenzulernen, wenngleich auch eine gewisse Enttäuschung
darüber nicht verschwiegen werden sollte, daß
manche der Referate an Blässe, Einseitigkeit, mangelnder
Sachlichkeit und starker Zufälligkeit leiden.

Berlin Gerhard Bassarak

Baldwin, James, und Kenneth D. Kaunda: Menschenwürde
und Gerechtigkeit, hrsg. u. mit einem Vorwort versehen
v. C. Ordnung. Berlin: Union Verlag [1969). 94 S. 8". Kart.
M 3,80.

Die beiden erregendsten Vorträge der IV. Vollversammlung
des Ökumenischen Rates der Kirchen in Uppsala 1968
sind hier in einem handlichen, mit Sorgfalt ausgestatteten
und im Vorwort parteilich kommentierten Bändchen verfügbar
gemacht. Beide Referenten leben in extrem unterschiedlichen
gesellschaftlichen Verhältnissen: Kaunda ist Präsident
von Sambia. James Baldwin ist Negerdichter in den USA.
Beide sind mit dem gleichen antagonistischen System konfrontiert
: dem Imperialismus. Kaunda in der Überwindung
von Kolonialismus und in der Abwehr des Neokolonialismus
, Baldwin im Kampf gegen Rassismus und Ausbeutung
infolge sozialer Unterprivilegicrung. Auch wenn Kaunda
„sich bei seinem Auftreten vor einem internationalen Forum
eine gewisse Zurückhaltung auferlegen muß, ihm liegt an
Wirtschaftsbeziehungen zu sozialistischen und kapitalistischen
Staaten (S. 19), wirkt die Sachlichkeit seiner Argumente
in ihrem Anklagegchalt nicht weniger als die leidenschaftlichen
Darlegungen Baldwins.

Die beiden verhandelten Themen heißen: Menschlichkeit
und Machtstrukturen (Baldwin), Entwicklung und Fortschritt
(Kaunda). Sie geben auch die Brennpunkte der Ellipse an,
die die Uppsala-Thematik umschloß. :Das dritte - oder eigentlich
erste — der großen heutigen Wcltprobleme, der
Krieg, war so gut wie verdrängt. Er wurde jedenfalls nicht
in einem repräsentativen Referat zur Diskussion gestellt.
Doch über den Kontext der beiden Referate in Uppsala und
darüber hinaus im Rahmen der Politik des ökumenischen
Rates der Kirchen, ja auch im Ensemble der Probleme der
weltweiten Klassenauseinandersetzung informiert knapp*
sparsam aber ausreichend und die Kenntnis der Probleme
reflektierend der Herausgeber.

Die Diskussion in Ökumene, Kirche und Theologie sollte
in Zukunft den beiden vorliegenden Beiträgen eine gesteigerte
Aufmerksamkeit zuwenden.

Berlin Gerhord Bassarak

Vajta, Vilmos: Interkommunion — mit Rom? Göttingen:
Vandcnhoeck & Ruprecht [1969]. 106 S. 8". Kart. DM9,--
Drei Ereignisse sind Anlaß und Denkmodcll der Studie
V.s. Die Pfingsteucharistic katholischer, reformierter Pfarrer
und Laien 1968 in Paris, die Teilnahme einiger Katholiken
an der Hochmesse der schwedischen Kirche anläßlich
der Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kir-
chen in Uppsala 1968, die Teilnahme nichtkatholischer
(anglikanischer und lutherischer u. a.) Beobachter an der
Messe bei der Versammlung des lateinamerikanischen
Episkopats in Mcdcllin 1968. Wie sind diese Ereignisse zu
beurteilen?