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Ausgabe:

1971

Spalte:

64-65

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lang, Albert

Titel/Untertitel:

Fundamentaltheologie 1971

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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nichts eingebüßt. Das zeigt der Vf. zunächst an Bult-
mann. Er steht zum der „autonomen Vernunft" gegenübertretenden
Anspruch des Gegenstands der Theologie.
Das hat notwendig zur Folge, da5 ihre »Aussage .. . die
Form einer nicht weiter begründbaren ... Behauptung" haben
muß. Nur unter dieser Voraussetzung ist seine Bemühung
um das „Verstehen" des „Kerygma" richtig einzuordnen
. Denn „Behauptung" heifjt nicht „unverständliche
Behauptung". „Vielmehr ist sowohl verständlich, warum
das Kerygma mit einer nicht mehr hinterfragbaren Autorität
auftreten muß, als auch, wofür es Glauben fordert". Der
Vf. übersieht nicht die Probleme der Theologie Bultmanns.
Vor allem die These, daß die Frage nach Gott „als allgemeines
Phänomen wahrgenommen werden" kann, ist eine
gefährliche „Inkonsequenz". Werden die „Möglichkeiten
glaubenden Verstehens an einem Vorverständnis gemessen",
„welches von der existentiellen Betroffenheit durch Gottes
Handeln im Kerygma abstrahiert oder diese als eine allgemeine
Möglichkeit des Menschseins zu interpretieren
sucht", dann sind Tür und Tor wieder für ein Hereinströmen
jener „modernen Theologie" geöffnet, von der sich
Bultmann selber in Gestalt des theologischen Liberalismus
s. Z. so nachdrücklich abgesetzt hat (116 ff.). In einer Anmerkung
richtet der Vf. ähnliche Fragen an Gogarten (71).
— Was von Bultmann gilt, gilt erst recht von Barth. Der
Vf. möchte beide zusammen als Vertreter einer theologischen
Stoßrichtung und ihre Unterschiede als, auf verschiedene
„Denkansätze in der Schrift" zurückweisende, verschiedene
Akzente verstanden wissen. „Daß Gott zuvor in
sich selber der ist, als der er sich offenbart", ist der Kernsatz
der Theologie Barths. Damit wird hier souverän „anders
gedacht, als das die Bedingungen des modernen Menschen
vorschreiben möchten". Aber: „Vielleicht ist dieser
Zeitgenosse, der sich selbst nicht religiös verstehen kann
und also auch nicht im Netz einer religiösen Interpretation
fangen lassen will .... hier klarer respektiert als dort, wo
ihm ein Verstehen seiner selbst aufgenötigt werden soll,
das dann eine theologische Antwort ermöglicht, die ihm
die christliche Tradition als ein Eigenstes nahebringen will".
(127 ff.)

In drei Abschnitten zieht der Vf. eine Schlußbilanz und
skizziert die Richtung, in der nach seiner Ansicht weitergedacht
werden müßte. Unausweichlich in der Sache begründet
steht die „Autorität als Voraussetzung theologischen
Denkens" — so ist einer der Abschnitte überschrieben
— dem „Widerspruch gegen jede Autorität als Kennzeichen
der Moderne" entgegen. Die Formel „Wort Gottes"
hilft als solche nichts. Mit Blick auf H. Braun spricht der
Vf. davon, daß, wenn nicht mehr gefragt wird, „was es bedeute
, daß als das Subjekt dieses Wortes Gott benannt
wird", der biblische „Text zum Fetisch" wird (149). Der
terminus a quo theologischen Denkens ist die sein „Wort"
legitimierende, selber nicht mehr hinterfragbare „Autorität
" Gottes. Damit wird die Gottesfrage akut. Folgt man
der „Schrift", so fordert sie gerade an dieser Stelle eine
klare Abgrenzung von der „modernen Theologie": „die
Erkenntnis des Gottesnamens" kann nicht „auf eine allgemeine
Erfahrung des deus absconditus abgestützt werden"
(165). Gegen einen ,Gotf, der zumindest als Frage einer
religiösen Wesenhaftigkeit des Menschen immanent sein
soll und zum Zweck seiner Selbstverwirklichung mediati-
siert und instrumentalisiert wird, steht „Gott als Name"
und hinter ihm eine Geschichte: „Wo es . . . Geschichten
zu erzählen gibt, gewinnt Gott eine Eigenheit, in der wir
ihn kennenlernen können" (161). Auf Grund dieser Geschichte
gilt: „Der Name unterscheidet" (160). Die diesen
Namen profilierende Geschichte will „erzählt", verkündigt
werden. In diesem abgeleiteten Sinn ist von „kirchlicher Autorität
" und von „Bindung" der Theologie an sie zu reden.
Sie verbietet ihr, „das Evangelium als allgemeine Wahrheit
einsichtig zu machen" (155). „Will man diese Bindung nicht,

löst sich der Glaube als Zustand von dem schaffenden Wort"
(153) und verkehrt sein Wesen oder fällt früher oder später
in sich zusammen.

Daß bei einer solch zugespitzten Interpretation und Fragestellung
vieles offen bleibt, liegt in der Natur der Sache.
Aber gerade in dieser Dichte und Einseitigkeit ist das Buch
eine fällige Infragestellung heute schon gar nicht mehr kritisch
hinterfragter, scheinbarer Selbstverständlichkeiten.
Zwei Anfragen möchte ich dennoch an den Vf. richten.
Könnte es sein, daß die von ihm m. E. mit Recht so scharf
attackierte „moderne Theologie" deshalb eine solche Rolle
spielt, weil gerade sie sich dem „Menschsein" in allen Bezügen
zugewandt hat? Könnte es sein, daß die Theologie
als ganze sich in dieser Hinsicht falsch polarisiert und falsche
Alternativpositionen aufgebaut hat? Und eine zweite
Anfrage. So sehr ich der Kritik des Vf.s an der theologischen
Kapitulation vor der „autonomen Vernunft" der Nachaufklärungszeit
zustimme, meine ich doch, daß hier differenziert
werden muß. Der Vf. greift die „Forderung der
.intellektuellen Redlichkeit' " unter dem Einfluß der Aufklärung
selber auf, geht aber nicht genauer auf sie ein.
Hier macht sich möglicherweise als Mangel bemerkbar,
daß Gogarten, der dem Problem der „Autonomie" bis zuletzt
nachging, nur am Rande erwähnt wird.

Diese Anfragen wollen die Bedeutung dieser Untersuchung
nicht schmälern, von der zu hoffen wäre, daß sie
gerade von denen, die sie kritisiert, gehört wird. Leider ist
nach allen Erfahrungen Skepsis geboten. Man kann heute
in der Tat „kaum von einer richtigen Diskussion reden, in
welcher man aufeinander hörte und miteinander redete"
(9). Dieses Buch führt und provoziert eine solche Diskussion
— wird sie endlich auch von der anderen Seite aufgenommen
werden? Mir scheint, die Zeit drängt.

Dortmund Eberhard Hübner

Lang, Albert: Fundamentaltheologie. II: Der Auftrag der
Kirche. 4., neubearb. Aufl. München: Hueber (1968).
339 S. 8°. Lw. DM 21.80.

Über das zweibändige Werk der neubearbeiteten Fundamentaltheologie
ist in ThLZ 94, 1969 Sp. 297 ff. bereits
berichtet. Lang möchte der „kritischen Welle" des Reformeifers
, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil „einen
geradezu revolutionären Charakter angenommen" habe,
einen „goldenen Mittelweg" weisen mit Antworten auf die
Fragen nach „der Legitimation der Kirche, nach der Glaubwürdigkeit
ihres Anspruchs und ihrer Bürgschaft". Er
nimmt die Argumente beider Seiten, der kirchenkritischen
und der traditionellen, auf, überprüft sie auf Tragfähigkeit
und Tragweite, berücksichtigt den „mit viel Ernst und
Aufgeschlossenheit" eingesetzten ökumenischen Dialog und
versucht eine „im Licht der neuen Erkenntnisse" gebotene
Zusammenschau. Dieser Band gliedert sich in zwei Teile:
„Die Kirche Jesu Christi" und „Die Vermittlung der göttlichen
Offenbarung durch die Kirche". Während im ersten
Teil neutestamentlich gegründete Ausführungen über Kirche
und Reich Gottes, die Errichtung des Apostelamtes
durch Jesus, die Einsetzung des Primats des Apostels Petrus
, die Fortdauer von Apostelamt und Primat, die Unver-
gänglichkeit und Unveränderlichkeit der Kirche im Vordergrund
stehen, konzentriert sich der zweite Teil auf die
Frage nach Autorität und Unfehlbarkeit des Lehramtes in
bezug auf die göttliche Offenbarung. Wichtig sind auch im
ersten Teil Darlegungen über die Kirche des Urchristentums
und die Kennzeichen der wahren Kirche Christi und
im zweiten Teil die Ausführungen über „Die Hinterlegung
der Offenbarung in Schrift und Tradition" (S. 281—327).
In der Kanonfrage und mit der Inspirationslehre bleibt
Lang im Bereich der traditionellen katholischen Theologie:
„Der aus der Inspiration sich ergebende Offenbarungscha-