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Ausgabe:

1971

Spalte:

849-852

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Miller, Marlin E.

Titel/Untertitel:

Der Uebergang 1971

Rezensent:

Peiter, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 11

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Mit zu den stärksten Partien des Buches gehört G.s pro- Kritikers heraus" (16). „Es könnte auch sein, daß die Diafunde
Sachkenntnis, mit der die Entwicklungslinien von lektik und die Glaubenslehre hinsichtlich ihres jeweiligen
Reformation und Humanismus her auf L. und seine Zeit Gegenstandes einander gleich ursprünglich sind" (173, 38,
freigelegt werden. Um so mehr vermifjt man, von der Er- 225). „Diese Untersuchung will die These ausführen, daß
örterung des Forschungsstandes abgesehen, eine wenigstens die Theologie Schl.s als eine Theologie des Reiches Gottes
andeutende Weiterführung der Linie über 1749 hinaus. Deu- konzipiert ist" (133). „Schi, hat das Reich Gottes eben nicht
tet schon die Bibliographie (Nr. 289 ff.) eine gewisse Nach- einfach mit dem Fortgang der Weltgeschichte identifiziert;
Wirkung L.s an, so ist ein verdeckter Fleiß auch anderwärts er hat das Reich Gottes von der weltgestaltenden Tätigkeit
festzustellen. Z. B. ließ der Erlanger Prof. J. R. Riesling der Menschen nach Ort und Art der Wirksamkeit unter-
die „Fortges. Sammlung" bis 1761 erscheinen und nahm schieden" (236). Interessant ist auch M.s Behauptung, daß
1770 in der „Fortsetzung der Hist. motuum" den von L. der zentrale Gehalt der Vorlesung Schl.s über das Leben
fallengelassenen Faden wieder auf. Das läßt, zunächst wohl Jesu bei D. Fr. Strauß und A. Schweitzer außer acht geunscharf
, aber dennoch einen Zusammenhang damit ver- lassen, ja bis heute unbeachtet geblieben ist (97, 17).
muten, dafj der Oberhofprediger F. V. Reinhardt am Re- An M.s Behauptung, daß „im Reiche Gottes die Lösung
formationsfest 1800 mitten im Rationalismus zentral kirch- des ethischen Problems überhaupt" liegt und das „Reich
hche Töne anklingen ließ. Sehr wahrscheinlich ist es L.s Gottes die Schlüsselstellung in dem Inbegriff des Sittlichen"
spater Dienst gewesen, zumindest die sächs. Landeskirche erhält (231), sei eine Bemerkung angeschlossen, die einer
im kalten Klima des Rationalismus überwintern zu lassen. (unveröffentlichten) Nachschrift zur christlichen Sittenlehre

Allein Stichworte aus dem bereits erwähnten Fazit (S. (1828) entnommen ist: „Das andere Resultat ist, dafj eine

326 f.) wie „zukunftsträchtige Züge in der Theologie V. E. solche Form der christlichen Sittenlehre, die der Darstellung

Loschers", „Scheitern, das ... doch nicht sinnlos ist" oder des höchsten Gutes entspricht [also die Darstellung des Rei-

auch „Bereicherung für unsere Gegenwart" stellen klar, ches Gottes], dem eigentlichen Zweck der christlichen Sitten-

daß die bisher einseitige Bewertung, ja z. T. etwas verächt- iehre nicht entspricht, weil für die Anwendung auf einen

liehe Abwertung L.s nach G.s Arbeit ferner schwerlich An- gegebenen Zustand davon kein Gebrauch gemacht werden

sPruch auf Geltung wird erheben können. Denn G. hat nicht kann" (Buttmann 29; vgl. CSL Beilage C, XI).

nur Akzente neu gesetzt oder einzelne Pfade durch ein Dik- Aus den ontologischcn Voraussetzungen des Schlichen

Kicnt geschlagen, sondern ein ganzes Areal erschlossen. Gesamtdenkens folgt für M., „dafj Schi, das göttliche und

An reinen Druckfehlern sind lediglich zu finden S. 31 dgs preu(jische Rcich nicht letztlich auseinandergehalten

^rausold statt Kraushold und S. 35 Manirismus statt Mari- nat„ ^g5 214 334)

Obwohl in der „Dialektik" das reine Denken behandelt

Leipzi9 Klaus Pe'z°ld> wird und damit das geschäftliche sowie das künstlerische

- Denken ausgeklammert werden, nimmt M. diese beiden

n letzteren Richtungen auf, um die so gewonnenen drei Ar-
»aum. W.: Emil Michael (1892-1971). Persönlichkeit, Le- ten deg Denkcns mit drei Arten der Geschichte zu identifi-
ben und Werk (ZkTh 93, 1971 S. 182-199). zjeren und im dreifachen Amt Christi wiederzufinden, wo-
^arcia-Villoslada, Ricardo: El paulinismo des San Juan bei M. kurzerhand das vorbildliche und geschäftliche Den-
de Avila (Greg 51, 1970 S. 615-647). ken gieichsetzt (78 ff.; Dial. 1839, S. 568). Das „priesterliche
«erst, Ulrich: Johann Adam Möhler, ein Wegbereiter heu- Amt begründet auf höherer Ebene die abbildliche Seite des
tiger Theologie (WuA 12, 1971 S. 17-22). Selbstbewußtseins, das königliche dessen vorbildliche Seite-
Julia, Dominique: Le pretre au XVIII e siecle. La theologie (151 ff j In der Beschreibung des prophetischen Amtes ver-
et lcs institutions (RechSr 58, 1970 S. 521-534). wende Schi, „viele Vorstellungen, die eine Analogie zu
- Regards nouveaux sur la periode moderne (RechSR 58, seiner Auffassung der Kunst als teXrti aufzeigen" (149,
1970 S. 575—584). igg f) Meines Erachtens ließe sich, wenn man schon den
Kuhn, Karl: Consistorial-Acten - Protokolle des Prcsbyte- Lehrer unter den Typus des Propheten stellen zu müssen
nums - der reformierten Gemeinde Rheydt 1633-1666 meint, das „Vorbildliche", also das Sittliche, ebensogut auf
(Rheydter Jahrbuch 8, 1970 S. 39-210). das prophetische begründen. „Wie das Moment der freien
'ongeron, Bernard: Historiographie religieuse de l'epo- Spontaneität für die rexry charakteristisch ist, so auch
que revolutionnaire (RechSR 58, 1970 S. 589-597). für das Anfangen der Lehrtätigkeit bei Jesus" (14950). M.

übersieht, daß Spontaneität kein Charakteristikum der
f/t-)) im Unterschied zum „vorbildlichen Denken" (also
zum Wollen) ist: Eingesenktsein der Vernunft in die Spon-

PHILOSOPHIE taneität der menschlichen Natur ist - Willen (Braun II 254).

DCI iriAMCDUlinCADUIC Eine Analogie zu seinen drei Denkarten entdeckt M. auch

rctLIOlUINornlLtJotJrnlC in der christlichen Sittenlehre. „Die reinigende Tätigkeit

M entspricht dem abbildlichen Denken, die verbreitende dem

■Huer, Marlin E.: Der Übergang. Schlciermachers Theolo- vorbildlichen und die darstellende dem künstlerischen Den-

9ie des Reiches Gottes im Zusammenhang seines Gesamt- ken- (igß). Abweichend davon (aber sachgemäßer) be-

denkens. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn stimmt M. das (mit dem darstellenden Handeln zusammen-

11970). 248 S. 8" - Studien zur evangelischen Ethik, hrsg. hängende) symbolisierende Handeln als eine Richtung des

v- T. Rendtorff, H.-E. Tödt, H.-D. Wendland, 6. Kart. „vorbildlichen Denkens" (66). Was hat die Unterscheidung

DM 38,—. von (vor-)Bilden und Abbilden, von Aus-sich-heraus-treten

Nicht ohne Erwartungen vertieft man sich in diese Un- und In-sich-aufnehmen, von Spontaneität und Rezeptivität

Versuchung eines jungen amerikanischen Theologen. Eine zu schaffen mit der Unterscheidung zwischen dem durch

!*eihe unkonventioneller Behauptungen läßt beim ersten Lust und dem durch „Unlust modifizierten Sclbstbewußt-

^urchblättcrn aufhorchen: „Der heutige Schl.-Interpret sein", einer Unterscheidung, aus welcher sich die Differenz

*]arf sich durch die ruhige und harmonische Atmosphäre des positiv wirksamen und des gegenwirkenden Handelns,

des Schlichen Denkens nicht irreführen lassen. Dieses Sy- wie das verbreitende (= Aneignen) und das reinigende

»»«II prägte sich in einer spannungsgeladenen Lage aus" Handeln (= Abstoßen) in meiner Ausgabe bezeichnet wer-

U87)- „Bei der Überprüfung der von Kritikern behaupte- den, ergibt (Zitate aus dem christl. Leben, MS., Deutsche

l°n Selbstwidersprüche in Schl.s Denken stellt sich uns zu- Staatsbibliothek, Signatur 25 B 1080)? Das gegenwirkende

•"eist die Überlegenheit Schl.s und weniger die Akribie des Handeln geht gleichermaßen auf ein „Vorbilden", auf einen