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Ausgabe:

1971

Spalte:

842-845

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Aalen, Leiv

Titel/Untertitel:

Die Theologie des jungen Zinzendorf 1971

Rezensent:

Renkewitz, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 11

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ordo. Das macht den einheitlichen Grund der Polaritäten nation, in der er sakramentale Züge findet, die sich daraus
im Denken Calvins aus. erklären, daß für Calvin die Ordination nicht Zeichen für
Um nun Calvins Lehre von der Kirche zu verstehen, greift eine Wirklichkeit ist, sondern Zeichen für ein Zeichen. Im
M. auf die Schöpfungslehre zurück. Der ordo naturae ist übrigen stellt M. die ministri nach Calvin vor als Diener,
abhängig von der ordinatio Dei, die ihm übergeordnet ist, die im Werk Gottes zur Wiederherstellung des ordo einen
aber auch vom Werk des Geistes, der der Schöpfung Leben, festen Platz haben. Der vom Gesetz gesteuerte Gottesdienst
Gestalt und Wirksamkeit verleiht. Die Gottesebenbildlich- hat sein Ziel im vom Geist beherrschten Gottesdienst, so
keit des Menschen, die in der Unübertrefflichkeit seiner daß sich echtes Gebet und äußerer Gottesdienst zueinander
Stellung innerhalb der Schöpfung, speziell in seiner Ver- verhalten wie Evangelium und Gesetz,
nunftbegabung besteht, ist ein Werk des Geistes. Die Gottes- Schließlich spiegelt sich in Calvins Bezeichnung der Kir-
ebcnbildlichkcit ist also auch nicht völlig zerstört, und so che als Leib Christi und als Königtum Jesu Christi seine
9ibt es für jeden Menschen die Möglichkeit einer Erkennt- Fassung des Problems Rechtfertigung und Heilung wider:
nis Gottes. Hier wird von Calvin aber auch die Brücke zum die Heiligung hat das erste Wort, die Rechtfertigung steht
ordo politicus geschlagen, der seinerseits wieder sowohl logisch an zweiter Stelle. Entsprechend ist das Königtum
von der ordinatio Dei wie vom Werk des Hl. Geistes ab- Jesu Christi theologischer Ort und Ausdruck für die Heili-
hängig ist. Der Begriff der lex naturae, der damit ins Spiel gung, der Leib Christi theologischer Ort und Ausdruck für
kommt, impliziert seinerseits wieder ein pneumatologi- die Rechtfertigung. Interessant ist, daß M. entdeckt, daß
sches Element im Begriff des Gewissens. Das Problem des sich für Calvin Leben im Leibe Christi materialiter deckt
Sündenfalls löst Calvin so, daß er von einem negativen mit Leben im politischen Gemeinwesen. Hier komme die
Werk des Geistes spricht: der Geist zieht sich im Sünden- Konsequenz der Identifikation von Naturgesetz und gefall
vom Menschen zurück. M. kann also für jedweden ordo offenbartem Gesetz zu voller Auswirkung und zeige die
Gottes von einer Korrelation von ordinatio Dei und Werk Einheit des Denkens Calvins. Calvins Lehre von der Kirche
des Geistes sprechen. Ja, wo ordinatio und Spiritus Dei in als Königtum Jesu Christi und als Leib Christi sei begrün-
Korrclation stehen, dort ist ordo anzutreffen. Es handelt det in der Korrelation des doppelten Werkes des Heiligen
sich dabei aber nicht um eine unbedingte Korrelation, was Geistes, die sich mit dem Grundsatz distinetio, sed non
Calvins Aussagen vom arcanus Dei instinetus besagen (de- separatio umschreiben lassen. Von daher erschließen sich
len in einem Anhang S. 197 ff. gesondert nachgegangen sowohl der Aufbau der Institutio wie die gesamte Theolo-
wird). logie Calvins.

Erlösung heißt für Calvin Wiederherstellung der Schöp- M.'s Arbeit könnte mit gleichem Recht und gleichem
fungsordnung auf dem Wege des Gottesbundes, der nach Gewicht auch eine Untersuchung zur Pneumatologie Cal-
seiner göttlichen Seite ordinatio ist, nach seiner menschli- vins genannt werden. Vielleicht macht dies sogar ihre Be-
cnen Seite abhängig ist von der ordinatio Dei und dem deutung aus, zumindest in der Situation, die sie in der
Werk des Geistes. Auf die Erwählungslehre bezogen heißt deutschsprachigen Calvinforschung vorfindet. Darum kann
das, daß die electio specialis in unbedingter Korrelation ihr nur größte Beachtung gewünscht werden,
zum Werk des Geistes steht, die electio generalis hingegen Eisenach Ernst Koch
den Charakter einer ordinatio Dei hat, die mit dem Werk
des Geistes zu tun hat, sofern er nicht heiligt. Electio specialis
und electio generalis sind aufeinander bezogen wie Aalen, Leiv: Die Theologie des jungen Zinzendorf. Berlin—
die zweite Person der Trinität und das Wort als mandatum. Hamburg: Lutherisches Verlagshaus 1966. II, 416 S. gr
ür die Lehre von der Kirche bedeutet das, daß der electio 8" = Arbeiten z. Geschichte und Theologie d. Luthertums,
specialis ein innerer, der electio generalis ein äußerer Kreis hrsg. v. M. Keller-Hüschemenger, W. Maurer, K. H.
der Kirche entspricht, was auch Folgen für die Fassung der Rengstorf, E. Sommerlath u. W. Zimmermann, 16. Kart.
Anschauung von der Einheit der Kirche hat. DM 42,-.
HU Zusammenhang der Erfüllung des Gottesbundes be- Aalens Werk ist das Ergebnis sehr sorgfältiger Studien,
ornmt auch das Gesetz den Charakter einer ordinatio Dei, Der norwegischen Ausgabe (Oslo 1952) folgte die deutsche
>e den ordo politicus bestimmt und in der Sammlung der Übersetzung, die um einen Abschnitt im 5. Kap. „Vom Kon-
irche wirksam wird. Christus als „Seele des Gesetzes" ventikel zur Gemeine" erweitert wurde. Das Werk nimmt
"9t dem Gesetz nichts Neues hinzu. Er ist ja das inkarnierte ejnen hervorragenden Platz in der jüngsten Zinzendorf-
. ort. Der Geist ist es, der die Gottesoffenbarung der Schrift Forschung ein, weil hier zum ersten Mal der Versuch ge-
5 Herzen sich vollenden läßt — das bewahrt Calvin vor macht wurde, eine Darstellung der Theologie des jungen
einer legalistischen Überfremdung des Evangeliums, ob- Zinzendorf zu geben, die möglichst alle verfügbaren ge-
^ohl Gesetz und Evangelium eben keine sich ausschließen- druckten Quellen berücksichtigt und sich um deren Standen
Größen sind. Denn das Gesetz stellt Schöpfung und Er- ort jn dem theologischen Werdegang Zinzendorfs bemüht,
sung auf eine Ebene. Deshalb wird Aalens Werk seinen Platz als grundlegende
Das bedeutet für die Kirche: Grundlegende, weil die or- Studie behalten.

■natio Dei repräsentierende nota ecclesiae sind die hl. Aalen knüpft an die skandinavische Zinzendorf-Forschung
ehriften, wobei die Predigt insofern an der Bedeutung der an, die mit G. Höks Buch über „Zinzendorfs Begriff der
enriften Anteil hat, als sie mit dem biblischen Wort kon- Religion" (Uppsala—Leipzig 1948) begann und wesentlich
orm geht, oje- Korrelation von Wort und Geist vertritt bei durch die Auseinandersetzung mit der traditionellen Zin-
alvin die Stelle, die bei Luther die Aussage von Christus zendorf-Forschung namentlich Herrnhuter Autoren geprägt
. dem Dominus scripturae innehat. Denn für Calvin ist ist. W. Bettermanns grundlegendes Buch über „Theologie
nicht die Predigt nota ecclesiae, sondern die Korrelation und Sprache bei Zinzendorf" (Gotha 1935), S. Eberhards
y°n Predigen und Hören. Demgegenüber haben die Sa- Werk über das reformatorische Anliegen in Zinzendorfs
. raniente nur beigeordneten, bestätigenden Charakter. Es Verkündigung („Kreuzes-Theologie" München 1937) und
lst unmöglich, die Wirksamkeit der Sakramente auf Chri- die aus den Quellen gearbeiteten Schriften O. Uttendörfers,
s|us zu beziehen, ohne sie gleichzeitig auf den Geist zu be- besonders sein letztes Werk „Zinzendorf und die Mystik"
^ehen (und umgekehrt). Das grundsätzliche Verhältnis der (Berlin o. J. 1951) und S. Nielsens Studien über den Tole-
• person der Trinität zum Wort spiegelt sich in der Sakra- ranzgedanken bei Zinzendorf (Hamburg 1952—60) sind die
entslchrc wider im Verhältnis von res und signum. Das Ausgangsbasis für Aalens Forschungen. Er zieht auch entmach
t Calvins Stellung zur Kindertaufe so inkonsequent. legene Arbeiten heran und bemüht sich vor allem darum,
Ahnlich fragwürdig ist für M. Calvins Stellung zur Ordi- den geschichtlichen Ort der einzelnen theologischen Aus-