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Ausgabe:

1971

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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sene Theologie des Sterbens setzt bei der Paradoxie des christlichen
Glaubens ein, wonach wir unser Leben (in der Hingabe
an Christus) verlieren, um es zu finden, und hebt dann die Verantwortung
des Menschen in dem so zu verstehenden Leben
und Sterben hervor. Unter den seelsorgerlichen Hilfen erhalten
neben dem Gebet, Sakrament und Vorlesen geeigneter
Bibelstellen das teilnehmende Beistehen und Ausharren beim
Sterbenden das Hauptgewicht. Diese Akzentuierung entspricht
der Auffassung, die der Autor als Ausbilder im Programm
des Clinical Training vertritt.

Ein besonderer Wert des Buches liegt in der aufgewiesenen
Vielfalt ergreifender Krankheits- und Todcsschicksale mit ihren
ebenso verschiedenartigen Haltungen zum Schicksal. Im
Vergleich mit den feinsinnig ausgelegten Beispielen aus der
Bibel werden relativ zeitunabhängige, spezifisch menschliche
Empfindungen und andererseits gegenwartsbestimmte, Einstellungen
der Sterbenden erkennbar. Die wörtliche Wiedergabe
einer Beihe von Gesprüchsprotokollen ermöglicht
das Studium der Vorzüge und Grenzen einer Gcsprächsme-
ihode, die von C. B. Bogers — im Sinne der „non direktive
Therapy" — beeinflußt, ist. Das Schwergewicht liegt dabei auf
dem Zuhören und richtigen „Zurückspiegeln" der Gefühledcs
Anvertrauten. So angebracht gerade am Sterbebett dieses
(eilnehmende, aber zurückhaltende, auf Lenkung verzichtende
Zuhören ist, so gewiß man dem Autor auch darin zustimmen
kann, daß am Sterbebett nicht Konversionen und
Bekehrungen zu erwarten und anzustreben sind, so notwendig
erscheinen uns doch auch der tröstende Zuspruch, das
schlichte Bekennen und Aussprechen biblischer Verheißungen
, wenn eine gewisse Empfänglichkeit dafür erhofft werden
kann. Sie treten in den Gesprächsbcispielen zurück. Dieser
Sachverhalt fordert aber auch die schöpferische Mitarbeit des
Lesers wie auch die kritische Überprüfung der eigenen Gesprächsmethode
heraus. Auf jeden Fall kann er für die Seelsorge
an sich selbst und anderen viel lernen.

Leipzig Adelheid Rensc.h

Bohren, Budolf: Beformatorische und neuprotestantische Definition
der Predigt (EvTH 31, 1971 S. 1-16).

Chevallier, Max-Alain: La prddication de la croix: 2. Com-
ment precher la croix aujourd'hui? (EThB 45, 1970 S.
233-246).

Cruchou, G.: La fonetion speciale du pretre conseiller (NBTh
93, 1971 S. 266-289).

Deplay, Michel: L'ordination contestec: Accueil et questions
(EThB 45, 1970 S. 285-295).

Fohrer, Georg: Priester und Prophet — Amt und Charisma?
(KuD 17, 1971 S. 15-27).

Hauge, Martin Bavndal: Den hymniske situasjon (NTT 71,
1970 S. 231-255).

Jetter, Hartmut: Theologie im Dritten Bildungsweg. Überlegungen
auf dem Weg zu einem neuen evangelischen Katechismus
als Lehrbuch für die Erwachsenenbildung (Wissenschaft
und Praxis in Kirche und Gesellschaft 60, 1971
S. 93-99).

Lefebvre, Marcel: Vers unc nouvelle problematique de la
theologie pastorale (NBTh 93, 1971 S. 29-49).

Linn, Gerhard: Information — Übung — Gespräch. Zum Arbeitsplan
der Kirche Berlin-Brandenburg (ZdZ 12, 1970
S. 455-462).

Stiegler, Boland F.: Ansätze zur Empirie im Bereich der Be-
ligionspädagogik. Darstellung und Kritik (Der Evangelische
Erzieher 23, 1971 S. 85-100).

Sudbrack, Josef: Christliche Meditation (Geist und Leben43,
1970 S. 437-454).

Viebig, Johannes: Die Situation des Pfarrers heute — Anspruch
und Wirklichkeit (KuD 17, 1971 S. 3-14).

Vollprecht, Charlotte: Zur Berufstätigkeit der Pfarrfrau (ZdZ
12, 1970 S. 463-465).

Wolff, Hans Walter: Was bedeutet das Alle Testament für
die Verkündigung der Kirche (Entdeckungen im Alten Testament
, hrsg. v. Th. Sartory. Göttingen 1970 S. 39-49).

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LITURGIEWISSENSCHAFT

Stiller, Günther: Johann Sebastian Bach und du« Leipziger
gotlesdienstliche Leben seiner Zeit. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
, u. Kassel: Bärenreiter Verlag [1970]. 260 S.gr. 8".

Das vorliegende Buch basiert auf einer Leipziger Dissertation
, die jedoch weithin überarbeitet, streckenweise ganz neu
geschrieben worden ist. Es behandelt im ersten Hauptteil
„das gottesdienstliche Leben in Leipzig in der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts". Der besondere Werl der Darstellung
besteht darin, daß — neben der eingehenden Beschäftigung
mit den einschlägigen Publikationen — auch eine stattliche
Zahl von Quellen neu erschlossen wird. Auf die Darstellung
folgt eine „Beurteilung des gottesdiensllichen Lebens inLeipzig
" in diesem Zeitabschnitt. Der zweite Hauptteil befaß)
sich mit „Johann Sebastian Bachs Verhältnis zum Gottesdienst
seiner Zeit". Auch in diesem Teile der Arbeit werden
einige biographische Quellen neu erschlossen (etwa die Kommunikanten
- bzw. Konfilenregister der Leipziger Thomaskirche
). Die Arbeit hat die praktische Zielsetzung, ZU erforschen
, „ob und in welcher Weise die Bachkantate im heu I igen
evangelischen Gottesdienst eine wirklieh liturgische Daseinsberechtigung
hat" (S. 13).

Der erste Haupt teil geht von der beachtenswerten Tatsache
aus, daß das kirchliche Leben in Leipzig bis nach liaelis
Tode eindeutig von der Frömmigkeit der lutherischen Orthodoxie
geprägt war, während der Pietismus oder der Rationalismus
zu dieser Zeit bereits vielfach das orthodoxe Luthertum
, speziell seine gottesdienstliche Praxis, erweicht hatten.
Die Agende Herzog Heinrichs von 1540 erlebte 1712 in Leipzig
eine Neuauflage und war <lie zu Bachs Zeit geltende Leipziger
Gottesdienstordnung. Dem landläufigen Bild von dem
konservativen — besser: konservierenden — Charakter der
spätorthodoxen Liturgik setzt der Vf. beachtliche Zeugnisse
von der gottesdienstlichen Lebendigkeit des Leipziger kirchlichen
Lebens entgegen: Nachdem seit der Reformationszeit
in Leipzig nur die Thomas- und die Nikolaikirche gottesdienstlich
benutzt worden waren, werden um und nacli 1700
mehrere Kirchenruinen den gottesdienstlichen Bedürfnissen
entsprechend wieder ausgebaut. Die Zahl der sonntäglichen
Kommunikanten (jeder Hauptgottcsdienst ist selbstverständlich
zweigipfclig!) ist so hoch, daß ab 1694 zusätzliche
Abendmahlsgottesdienstc in der Woche eingerichtet werden
müssen. „Alles in allem ist also zur Zeit Johann Sebastian
Bachs in Leipzig bei der zwischen 1720 und 1750 fast gleichbleibenden
Einwohnerzahl von 29000 mit einer jährlichen
Zahl von 45000-50000 Kommunikanten zu rechnen" (120).
Der wachsenden Zahl der Ko.....Lunikanten entspricht die Zunahme
der angebotenen Beichtgelegenheiten (Einzclbeiehte
bis ins 19. Jahrhundert hinein!). Goltcsdienslliclie Kate-
chisationen werden eingerichtet, orthodoxe Eigenschöpfungen
mit offenbar antirationalistischer (teilweise auch anti-
pietistischer) Spitze.

Seit 1717 gibt es in Leipzig (zuerst in der Neukirche, der
alten Barfüßerkirche) die Einrichtung des Passionsoratoriums
in der Karfreitagsvesper. Die Vielzahl der sonntäglichen
Gottesdienste und deren zeitliehe Ausdehnung sind beachtlich
. Ein Hauptgottesdienst dauerte 3—4 Stunden; das Normalmaß
der Predigt betrug eine Stunde. Auch wochentags
gibt es zahlreiche Andachten und Gottesdienste. Das Kirchenjahr
wird noch mit zahlreichen Kleineren Feiten begangen
, teilweise in der Form von halben Feiertagen. Die hohen
Feste werden weiterhin mit drei Festtagen gefeiert. Ein ausgeprägtes
Detempore bestimmt die Gestaltung der Gottesdienste
einschließlieh der Lieder und der sonstigen gottesdienstlichen
Musik. Für das gottesdienstliche Leben Leipzigs
kann festgestallt werden, daß „das rund drei Jahrhunderte
fast ebenbürtig neben dem Amte des Geistlichen stehende liturgische
Amt des Kantors noch immer eine zentrale Bedeutung
" (63) hat. Für die Leipziger Gottesdienste ist weder die

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 10